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Gaza Strip-Poker

US-Außenminister Kerry und der israelische Premierminister Netanjahu. Foto: State Department; gemeinfrei

Nach dem Scheitern der Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern haben sich Hamas und Fatah auf eine gemeinsame Regierungsbildung geeinigt. Israels Regierung ist sauer - und trotzdem ausmanövriert

Was bisher geschah: Am Mittwoch haben hochrangige Vertreter der beiden verfeindeten palästinensischen Fraktionen Fatah und Hamas die Bildung einer gemeinsamen Regierung bekannt gegeben (Das Ende der "Teile und herrsche"-Politik gegenüber den Palästinensern? [1]). Das soll auf der Grundlage der Grenzen von vor 1967 und den mit Israel geschlossenen Abkommen passieren, sagen Vertreter beider Seiten. Zuvor hatte Ägypten die Hamas zur terroristischen Vereinigung erklärt [2], ihr Vermögen eingefroren und die Finanzflüsse an die Organisation gekappt. Gleichzeitig waren die Friedensverhandlungen zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde de facto gescheitert, weil sich Israels Regierung weigerte, die vierte und letzte Gruppe von 29 palästinensischen Gefangenen frei zu lassen, woraufhin die palästinensische Autonomie-Regierung 15 internationalen Abkommen [3], darunter auch die Genfer Konventionen, beigetreten war, und damit drohte, die Palästinensische Autonomiebehörde einfach zu schließen und die Verantwortung für an die 2,7 Millionen Menschen an Israel zurück zu geben.

"Texas hold 'em". Bild: Thomas van de Weerd [4]; Lizenz: CC BY 2.0 [5]

Es ist Sonntagnachmittag, als Mahmud Abbas urplötzlich seine Karten auf den Tisch knallt. "Jedenfalls hat das so auf uns gewirkt", sagt ein amerikanischer Diplomat, der vor einigen Monaten als Teil eines gewaltigen, mehr als 150 Köpfe zählenden Trosses in die Region geflogen wurde, um die Verhandlungen zwischen Israels Regierung und der Führung der Palästinensischen Autonomiebehörde am Laufen zu halten.

Als die Ägypter die Funktionäre der Hamas über die Grenze nach Gaza ließen, haben wir uns im Büro gegenseitig angeschaut und wussten, dass die Karten jetzt neu gemischt werden.

Nur zwei Tage später wird es dann offiziell: Unter dem Applaus der palästinensischen Journalisten geben Vertreter der Fatah, die in den Palästinensischen Autonomiegebieten das Sagen hat, und der Hamas, die im Gazastreifen regiert, bekannt, dass sie sich auf die Bildung einer gemeinsamen Regierung geeinigt haben.

Binnen fünf Wochen soll das passieren; das neue Kabinett soll ausschließlich aus Spezialisten bestehen. In spätestens sechs Monaten dann, so der Plan, sollen in den Palästinensischen Autonomiegebieten einschließlich Gaza ein neuer Präsident und ein Parlament gewählt werden.

Politik mit Kampfflugzeug

Israels Regierung holt in diesen Stunden zuerst tief Luft - "die sind davon ziemlich überrascht worden", sagt ein hochrangiger Regierungsmitarbeiter - und tut dann das, was sie immer tut: Sie sagt ein geplantes Treffen mit der palästinensischen Delegation ab, in dem es um die Grundlagen für die Fortsetzung der Friedensgespräche über die eigentliche Deadline, den 29. April, hinaus hatte gehen sollen. Dann lässt sie Kampfflugzeuge einen Angriff auf einen Hamas-Funktionär im Gazastreifen fliegen und legt einen Tag später die Gespräche ganz auf Eis.

Der Einsatz geht schief: Das Militär muss einräumen, dass zwölf Unbeteiligte zum Teil schwer verletzt worden sind. "Das passiert, wenn man die Armee für politische Zwecke einsetzt", sagt Benjamin Ben-Eliezer von der sozialdemokratischen Arbeiterpartei, der unter Ariel Scharon Verteidigungsminister war, und eigentlich als Falke gilt.

Rechte muss sich auf raue Zeiten gefasst machen

"Der, der die Hamas wählt, lehnt den Frieden ab", erklärt indes Regierungschef Benjamin Netanjahu immer wieder und kündigt weitere Sanktionen an. Die aber nicht kommen, weil die Regierung schon vor Wochen das eigentliche Druckmittel eingesetzt hatte.

Sie hatte die Überweisungen des palästinensischen Anteils an den Zolleinnahmen ausgesetzt, nachdem die palästinensische Autonomiebehörde, als Reaktion auf die israelische Weigerung, die eigentlich für Ende März vereinbarte Freilassung von 29 palästinensischen Langzeithäftlingen zu genehmigen, zunächst massive Forderungen für die Fortsetzung der Verhandlungen über den 29. April hinaus gestellt hatte, und Abbas dann 15 internationale Abkommen, darunter die Genfer Konventionen, unterzeichnet hatte.

Die andere damals verhängte Sanktion, ein Kontaktverbot für nicht mit Sicherheit befasste israelische Minister und Staatssekretäre mit ihren palästinensischen Amtskollegen ist hingegen ausschließlich kosmetischer Natur - solche Kontakte hat es seit den 1990er Jahren nur sehr selten gegeben; das Tagesgeschäft wird auf der Abteilungsleiterebene verrichtet.

Nicht nur bei der Opposition holt man deshalb zum Gegenschlag aus. Netanjahu habe diese Situation durch seine Verweigerungshaltung selbst verursacht, wirft ihm Jitzhak Herzog, Chef der Arbeiterpartei, vor. Und hinter vorgehaltener Hand werfen auch Abgeordnete von Netanjahus eigenem Likud-Block dem Regierungschef vor, er habe sich zu stark darauf konzentriert, seine Koalition aus Zentristen und Rechten, und damit aus Friedensbefürwortern und -gegnern zusammen zu halten, und darüber den Blick auf das große Ganze verloren.

Nun frohlockt zwar die Siedlerpartei "Jüdisches Haus" von Wirtschaftsminister Naftali Bennett. Doch selbst die Netanjahu ausgesprochen ergebene Tageszeitung Jisrael HaJom (Israel Heute) merkt kritisch an, dass sich die Rechte auf raue Zeiten gefasst machen müsse:

Im Grunde muss Netanjahu darauf hoffen, dass die Palästinenser das tun, was sie immer tun.

Nämlich nichts. Ähnliche Versöhnungspläne haben die beiden großen palästinensischen Fraktionen schon zwei Mal zuvor bekannt gegeben, nachdem sie sich 2006 verfeindet hatten, und jedes Mal waren sie nie umgesetzt worden, weil es Streit über die Details gab.

Doch die Zeiten haben sich geändert: Die Regierung der Autonomiebehörde und ihr Präsident sind sehr viel selbstbewusster, ihre politischen Manöver professioneller geworden, seit die Vereinten Nationen Ende November 2012 ihren Status in der Vollversammlung mit sehr großer Mehrheit zum Nichtmitgliedsstaat aufgewertet hatten (Die Politik der Diplomaten in den Hinterzimmern).

Der Welt beweisen, dass Verhandlungen sinnlos sind

Man ist sich sehr bewusst, dass sich seit damals die Kräfteverhältnisse verschoben haben: Während Israels Regierung versuchte, durch eine Kommission unter der Leitung des ehemaligen Richters Edmond Levy, zu beweisen, dass die Palästinensischen Gebiete gar nicht besetzt, sondern völkerrechtlich umstritten sind, weil sie nie anerkanntermaßen zu einem Staat gehörten, was sie dann in dieser Logik zur Verfügungsmasse in Verhandlungen macht, sagten 138 der 193 UNO-Vollmitglieder, dass sie Palästina sehr wohl für einen Staat halten - und gaben den Palästinensern Instrumente mit ihrer Stimme Instrumente an die Hand, mit denen sie diesem Staat international Ausdruck verleihen könnten.

Was Abbas aber lange Zeit nicht wollte. "Wir warten ab," sagte er Anfang Februar 2013 in einem Hintergrundgespräch: "Wir werden denjenigen, die Verhandlungen fordern, beweisen, dass Verhandlungen sinnlos sind."

Was er damit meinte, zeigte er gut ein halbes Jahr später: Er tat das, was jene Regierungen, darunter Deutschland (Enthaltung) und die USA (Nein-Stimme) als Begründung für ihr Votum angeführt hatten, nämlich dass der Staat Palästina nur auf der Grundlage eines Verhandlungsergebnisses entstehen kann und setzte sich mit Israel an einen Tisch.

US-Außenminister John Kerry und der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde Mahmud Abbas; Foto: State Department; gemeinfrei

Der Mann habe geschickt taktiert, sagen amerikanische Diplomaten heute: Er habe ausgenutzt, dass die USA nach ihrem Nein-Votum einen riesigen Aufwand betreiben würden, um zu beweisen, dass Verhandlungen Ergebnisse erzielen können, wenn man nur genug Druck macht (Geht es hier nach Palästina?).

In Washington war es der Koalitionsvertrag (Bibi III ist fast fertig), der nach den israelischen Parlamentswahlen Ende Januar 2013 die Hoffnung weckte, dass Verhandlungen dieses Mal mit einem Ergebnis enden könnten. Denn in der Vereinbarung war explizit eine Rückkehr an den Verhandlungstisch vorgesehen gewesen.

Damals war auch in den amerikanischen Medien die Ansicht weit verbreitet, dass ein mögliches Ergebnis auch eine parlamentarische Mehrheit erzielen würde; befeuert wurde dies durch die Zusage der Arbeiterpartei, in die Koalition einzutreten, um einem Friedensschluss die Mehrheit zu beschaffen, und die Kehrtwende der religiösen Schas, die ungefähr Anfang März 2013 plötzlich einen Friedensvertrag befürwortete.

John Kerry entnervt

Übersehen wurden dabei die innenpolitischen Thematiken: Der Streit über die Wehrpflicht für die damals noch vollständig von der allgemeinen Dienstpflicht befreiten Ultraorthodoxen, aber auch über die Einsparungen im Sozialsystem eskalierte derart, dass bereits mit Verhandlungsbeginn im Sommer keine andere Koalition als die aktuelle mehr möglich war.

Arbeiterpartei und Schas würden zwar trotzdem für einen Friedensvertrag stimmen. Doch die Innenpolitik der Koalition würden sie nicht mittragen. Und eine alternative Regierungsbildung, mit einem anderen Regierungschef, ist wegen des Stapels an zerschnittenen Tischtüchern nicht möglich. Neuwahlen wären also die Folge.

Verhandelt wurde trotzdem (Das Ziel: Der Weg): In Israel, um die Koalition zusammenzuhalten. Und auf der palästinensischen Seite, um der Welt zu zeigen, was passiert, wenn man verhandelt.

Am Ende war selbst US-Außenminister John Kerry so entnervt, dass er ziemlich deutlich Israels Regierung die Schuld am Scheitern der Gespräche zuwies: Die habe ständig neue Siedlungsbauten angekündigt, und die letzte Gruppe von Gefangenen nicht wie geplant frei gelassen [6].

Deutlicher werden Angehörige von Kerrys Stab: Man habe für so gut wie alle relevanten offenen Fragen eine Lösung vorgelegt, an denen aber meist Israel irgendetwas auszusetzen gehabt hätte.

Selbst den einzigen Leckerbissen, den die USA selbst anzubieten haben, lehnte Netanjahu ab: Nachdem das Scheitern der Gespräche wegen der israelischen Weigerung, die Langszeithäftlinge frei zu lassen, absehbar wurde, bot Washington an, den in den USA einsitzenden israelischen Spion Jonathan Pollard freizulassen, im Gegenzug für eine Freilassung von mehreren hundert alten, kranken, weiblichen oder minderjährigen palästinensischen Häftlingen und eine Übertragung von einem Teil der Gebiete unter gemeinsamer israelischer und palästinensischer Kontrolle an die Autonomiebehörde.

Forderung nach einer Anerkennung Israels als "jüdischen und demokratischen Staat"

Es scheiterte am Widerstand der rechten Koalitionspartner, die sich darauf berufen, dass man in den Koalitionsverhandlungen zwar Verhandlungen, aber auch den Verzicht auf Zugeständnisse vereinbart habe - was allerdings im Koalitionsvertrag nicht drin steht.

Zudem holte Netanjahu in den Verhandlungen immer wieder die Forderung nach einer Anerkennung Israels als "jüdischen und demokratischen Staat" hervor - ein Konstrukt, das erst im Rahmen der Debatte um den palästinensischen Status bei der UNO auf der Tagesordnung auftauchte, und von dem nicht mal Netanjahus Mitarbeiter erklären können, was damit gemeint ist. Für die Palästinenser jedenfalls klingt es wie Ausgrenzung der in Israel lebenden Araber und anderer nicht-jüdischer Bevölkerungsgruppen.

Und auch viele säkulare jüdische Israelis glauben, dass diese Worte sehr stark nach einem stärkeren religiösen Einfluss auf die Gesellschaft klingen. "Unsere rote Linie verläuft genau hier", sagt Saeb Erekat, Chefunterhändler der Palästinenser, "und wenn Netanjahu der Ansicht ist, dass das Konzept auf das tägliche Leben in Israel überhaupt keine Auswirkungen hat, dann kann er ja auch leicht darauf verzichten. Wir haben jedenfalls Israel schon vor vielen Jahren anerkannt."

Abbas Schachzüge - "Schlüssel an Israel zurückgeben"

Abbas könnte nun keinen Tag länger verhandeln, selbst wenn er wollte. Stand seine eigene Öffentlichkeit den Verhandlungen zunächst gleichgültig gegenüber, weil man das alles schon unzählige Male vorher erlebt hat, wird nun von dem ohnehin ziemlich unbeliebten Präsidenten erwartet, dass er etwas unternimmt: die Instrumente nutzt, die ihm zur Verfügung stehen. Und endlich die seit Jahren überfälligen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen anberaumt.

Er tat beides: Zuerst unterschrieb er die besagten 15 internationalen Abkommen, worauf Israels Regierung mit wilden Verwünschungen reagierte: Abbas habe sich dazu verpflichtet, nicht auf der internationalen Bühne zu erscheinen, bis es ein Verhandlungsergebnis gibt, worauf Abbas mit den Worten antwortete, das Ergebnis der Verhandlungen sei, dass es kein Ergebnis gibt, und sich Washington kleinlaut gab. "Es ist schwer, dagegen zu sein, wenn jemand die Konvention für Kinderrechte, gegen Korruption oder die Diskriminierung von Frauen unterschreibt," so ein Kommentator des Fernsehsenders NBC News.

Als dann Israels Regierung mitteilte, zur Strafe gebe es jetzt kein Geld mehr, konterte Abbas, man könne auch gerne die Palästinensische Autonomiebehörde komplett schließen und den "Schlüssel an Israel zurückgeben" - eine Nachricht, deren eigentliche Aussage in Israel, bei der Europäischen Union und in den Vereinigten Staaten genau verstanden wurde: Würde das passieren, dann müsste irgend jemand die Verantwortung für an die 2,7 Millionen Menschen übernehmen, die derzeit in den Palästinensischen Autonomiegebieten im Westjordanland leben.

Gaza-Streifen; Bild: Nasa [7]; gemeinfrei

Die jährlichen Kosten: mindestens 300 Millionen Euro. Und es wäre sowohl in Europa als auch in den USA schwer vermittelbar, warum Israel Geld dafür erhält, die Besatzung im Westjordanland aufrecht zu erhalten. Die Siedlungspolitik, dass weiß auch Israels Rechte, ist von der Existenz der Autonomiebehörde abhängig, die wiederum in den vergangenen 20 Jahren von der international weit verbreiteten Prämisse am Laufen gehalten wurde, dass sie nur für den Übergang da ist und irgendwann in einen lebensfähigen Staat münden würde.

Dementsprechend angestrengt bemüht sich das Weiße Haus in diesen Tagen, in denen Abbas' Karten nun vollständig auf dem Tisch liegen, darum, zu verhindern, dass der Kongress den Palästinensern die Mittel kürzt oder gar ganz streicht. Offiziell sagt man, man sei "enttäuscht", und es sei wohl nun Zeit für eine Pause in den Verhandlungen.

Die Karten für Abbas' letzten Zug reichte [8] indes die Regierung in Kairo - teils aus Eigennutz, aber auch weil vor allem der ehemalige Generalstabschef und Präsidentschaftskandidat Abdel Fatah al-Sisi den palästinensischen Präsidenten schätzt.

Anfang März ließ man die Hamas über ein Gericht zur terroristischen Vereinigung erklären, was Kairo offiziell die juristischen Mittel an die Hand gab, den Besitz der Organisation zu beschlagnahmen, Geldtransfers auf ihre Konten zu verbieten und die Grenze zum Gazastreifen zu schließen. Bereits zuvor waren nahezu alle Schmuggeltunnel unter der Grenze hindurch zerstört worden. Israels Regierung reagierte auf all' dies mit Lob für den neuen starken Mann Ägyptens; man hoffe nun, dass dies das Problem Hamas dauerhaft beseitigen werde.

Nur das Wie und das Danach waren Fragen, die niemand in Israel offiziell beantworten wollte: "Es gibt Dinge, über die man nicht spricht, weil sie gegen alles gehen, was von der Politik vorgegeben worden ist", sagte ein Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums vor einem Monat.

Das Unaussprechliche: Die Hamas ist im Gazastreifen fest verankert; die Autonomiebehörde wird dort auf absehbare Zeit nicht ohne ihre Hilfe regieren können. Eine gemeinsame Regierung ist dementsprechend die einzige Möglichkeit, den Gazastreifen wieder vollständig in die Autonomiegebiete zu integrieren.

Die ägyptischen Maßnahmen haben die Hamas in eine Situation gebracht, in der ihr Selbstbewusstsein weitgehend zerstört ist. Mitglieder der Gaza-Regierung sprechen offen davon, dass man ohne Hilfe aus Ramallah nicht weiter kommen wird. Die Hamas habe in den Verhandlungen über die große Koalition wenig zu fordern gehabt.

Doch eine Hamas, die pragmatisch in einer palästinensischen Regierung sitzt, die die internationalen Abkommen der Autonomiebehörde anerkennt, wäre für Netanjahu ein echtes Problem: In Wahlkämpfen, im Alltagsgeschäft präsentiert er sich als der einzige Politiker des Landes, der den Bedrohungen von außen Stirn bieten kann (Des Kaisers neue Kleider [9]). Doch Iran und sein Atomprogramm haben nach der Wahl von Hassan Rohani zum dortigen Präsidenten für viele Israelis ihre Schrecken verloren. Und sollte die Hamas nun ebenfalls nett werden, dann bliebe kaum noch etwas übrig, mit dem das Konzept "Netanjahu" arbeiten kann.

Der palästinensische Präsident im Gefängnis?

Was seinen Strategen allerdings noch viel mehr Sorgen bereitet als die Einheitsregierung, sind die Wahlen selbst. Denn mit ihnen könnte eine Alternative zur Abwicklung der Autonomiebehörde auf der Tagesordnung auftauchen, die Israel in einem ebenso schlechten Licht erscheinen ließe: Es gilt als wahrscheinlich, dass der in einem israelischen Gefängnis einsitzende Marwan Barghouti für das Präsidentenamt kandidieren wird.

Der einstige Kommandant der Fatah-nahen Tanzim-Miliz war 2004 wegen mehrfachen Mordes zu fünf Mal lebenslanger plus 40 Jahre Haft verurteilt worden; das Gericht urteilte damals, er habe die Taten "angeordnet und angeleitet".

Marwan Barghouti, im Januar 2001. Foto: BDalim [10]; Lizenz: CC BY-SA 3.0 [11]

Auch auf den Vorwurf, Barghouti sei ein kaltblütiger Mörder, ist das Team Abbas bereits vorbereitet: Mit Verweis auf den Luftangriff in Gaza Mitte der Woche wirft man die Frage auf, wo der Unterschied zwischen Barghouti und einem israelischen Politiker liege, der zur Durchsetzung einer politischen Forderung einen Luftangriff auf palästinensische Zivilisten fliegen lasse.

Sollte Barghouti tatsächlich antreten, würde er mit sehr großer Wahrscheinlichkeit gewinnen. Und Israel hätte dann den palästinensischen Präsidenten im Gefängnis sitzen.

Die Verhandlungen sind nun zwar offiziell abgebrochen. Doch miteinander gesprochen wird weiterhin. Kleine Teams von Israelis und Palästinensern diskutieren nun darüber, was Israel anbieten muss, damit weder die Autonomiebehörde abgewickelt wird noch Barghouti kandidiert, "so lange er im Gefängnis" sitzt, wie ein Mitarbeiter Netanjahus sagt - und gleichzeitig einen Hinweis darauf liefert, dass man eine Freilassung erwägt. Den Zeitrahmen für diese Art von Verhandlungen haben die Palästinenser gesteckt: "Sechs Monate, dann wird gewählt, so oder so", heißt es im Büro von Abbas.


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[1] https://www.heise.de/tp/features/Das-Ende-der-Teile-und-herrsche-Politik-gegenueber-den-Palaestinensern-3365007.html
[2] http://www.reuters.com/article/2014/03/04/us-egypt-hamas-idUSBREA230F520140304
[3] http://www.un.org/sg/offthecuff/index.asp?nid=3372
[4] http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Texas_Hold_%27em_Hole_Cards.jpg
[5] http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/deed.en
[6] http://www.handelsblatt.com/politik/international/krise-bei-nahost-gespraechen-kerry-wirft-israel-unnachgiebigkeit-vor/9736812.html
[7] http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Gaza_Strip_NASA.PNG
[8] http://www.un.org/sg/offthecuff/index.asp?nid=3372
[9] https://www.heise.de/tp/features/Des-Kaisers-neue-Kleider-3361984.html
[10] http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Marwan_Barghouti.jpg
[11] http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en