Gebete gegen Madonna

Das erste Konzert von Madonna in Polen findet an Mariä Himmelfahrt statt, was polnischen Katholiken nicht gefällt, Lech Walesa spricht von einer "satanischen Provokation"

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Für die polnischen Fans von Madonna ist ein Traum in Erfüllung gegangen, als Anfang des Jahres bekannt gegeben wurde, dass der Popstar am 15. August ein Konzert in Warschau geben wird. Es wird das erste Konzert des Weltstars in Polen überhaupt sein. Ein Ereignis, für das bis heute in allen großen polnischen Städten auf Großleinwandplakaten Werbung gemacht wird. Doch nicht bei allen Polen löst diese Veranstaltung Begeisterung aus. Da der 15. August in Polen ein Feiertag ist, Mariä Himmelfahrt, fühlen sich erzkatholische Kreise durch das Konzert in ihren religiösen Gefühlen verletzt und fordern mit Petitionen, Gebeten und Gottesdiensten dessen Verlegung.

Im Rahmen ihrer "Sticky & Sweet"-Welttournee wird Madonna am 15. August auf dem ehemaligen Flughafen Bemowo in Warschau ihr erstes Konzert in Polen geben. Ein Auftritt, der die geschäftstüchtige Künstlerin bisher zufrieden stellen kann. Innerhalb weniger Tage waren fast alle 70.000 Karten verkauft, trotz des stolzen Preises von fast 100 Euro. Wer heute noch eine Eintrittskarte für das Konzert ergattern möchte, muss zwar nur ca. 50 Euro aufbringen, sich dafür aber auch mit einem Stehplatz in den hinteren Reihen begnügen.

Madonna-Plakat in Polen - Schwarze Madonna von Tschenstochau

Doch bis zum 15. August dürften auch diese Karten verkauft worden sein. Grund dafür ist aber nicht das einzigartige Talent der Madonna Louise Ciccone, sondern ein Skandal, den sie im katholischen Polen ausgelöst hat – auch wenn es sich nicht genau sagen lässt ob unwissentlich oder, wie manche polnische PR-Experten vermuten, bewusst. Denn der Auslöser der Debatte ist nicht ihre Bühnenshow, die in den vergangenen Jahren schon öfters konservative Christen erzürnt hat, sondern das Konzertdatum.

„There’s not room for two queens in that country…” An dieses Zitat von Madonna mögen erzkatholische Polen gedacht haben, als sie registriert haben, dass die Pop-Ikone der 80er Jahre ihr Konzert nicht nur am Jahrestag der Schlacht von Warschau geben wird, östlich der Oder auch als das "Wunder an der Weichsel" bekannt, bei der die polnische Armee unter Josef Pilsudski 1920 die vorrückende Rote Armee geschlagen hat, sondern auch am katholischen Feiertag Mariä Himmelfahrt. Was in Polen, wo die "Schwarze Madonna von Tschenstochau" nicht nur als Schutzpatronin, sondern auch als Königin des Landes gilt, als ein Affront angesehen wird. „Dieses Konzert ist eine Beleidigung der Heiligen Muttergottes“, grollte Anfang Juni der Priester Stanislaw Malkowski im TV-Sender TVN24.

Politische Unterstützung bekamen die erzkatholischen Kreise durch Marian Budzynski, einen konservativen Lokalpolitiker in der Region Mazowsze. Wie Budzynski zugab, mag er zwar die Songs von Madonna, doch durch ihren Auftritt am 15. August fühlt er sich gemeinsam mit anderen Katholiken in seinen religiösen und patriotischen Gefühlen verletzt. Aus diesem Grund bat er in einem Brief, den er an die Warschauer Bürgermeisterin, das Warschauer Stadtparlament, das polnische Innenministerium, an die Kanzlei des polnischen Präsidenten sowie an das Internetauktionshaus Allegro sandte, dem Hauptsponsor des Konzerts, um die Verschiebung der Veranstaltung. Ebenso wie Budzynski fühlende Polen hatten auf der Internetseite der von dem Politiker aus diesem Anlass gegründeten konservativen Organisation "Pro Polonia", zusätzlich die Möglichkeit, eine dementsprechende Petition zu unterschreiben.

Doch die Zustimmung für die "Pro Polonia"-Petition ist sehr gering. Dafür ist nicht nur der fehlende Internetzugang in den Haushalten vieler älterer, konservativer Katholiken verantwortlich. Die meisten Polen stören sich einfach nicht an dem Konzert. „Am Vormittag in die Kirche, am Abend zum Madonna-Konzert“, konnte man in den letzten Wochen in fast allen Internetforen lesen.

So ist es nicht verwunderlich, dass weder die Bürgermeisterin von Warschau noch sonst irgendwer auf die Proteste Budzynskis und seiner Anhänger reagierte. Doch die erzkatholischen Kreise wollen nicht aufgeben. Ab dem 31. Juli werden täglich bis zum 15. August Gebetsstunden und Gottesdienste vor dem Rathaus der Hauptstadt stattfinden. Zudem forderten sie den Warschauer Erzbischof Kazimierz Nycz dazu auf, die Bürgermeisterin der Stadt, Hanna Gronkiewicz-Waltz, für eine bestimmte Zeit aus der Kirche auszuschließen – als Strafe für ihr bisheriges Desinteresse.

Und mit ihrer Forderung stehen Marian Budzynski und seine erzkatholischen Anhänger seit letzter Woche nicht mehr alleine da. Auch die Parlamentsabgeordneten der Kaczynski-Partei Recht und Gerechtigkeit sprechen sich neuerdings gegen ein Konzert des Popstars am 15. August aus.

Doch die Zustimmung der nationalkonservativen Politiker ist nichts gegen die des berühmtesten lebenden Polen. „Das sieht mir nach einer satanischen Provokation aus“, erklärte diese Woche der ehemalige Staatspräsident und Friedensnobelpreisträger Lech Walesa der Nachrichtenagentur Reuters. Auch er fordert die Verlegung des Konzerts auf einen anderen Termin. Und falls Madonna sich dazu bereit erklären sollte, hat Walesa eine ganz besondere Belohnung für sie parat. „Gegen Madonna selber habe ich nichts. Ich würde mich sogar mit ihr treffen, wenn sie ihr Konzert verschieben würde“, sagte der ehemalige Solidarnosc-Führer im Danziger Radio. Fraglich ist nur, ob Madonna überhaupt ein Interesse an einem Treffen mit Lech Walesa hat.