Gebt der AfD Sündenböcke! Lasst sie siegen!
Seite 2: Wie die Medien die AfD groß machten
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Die AfD ist nicht aus eigener Kraft geworden, was sie heute ist.
In der politischen Öffentlichkeit wurde ab dem Sommer 2015 die sogenannte "Flüchtlingskrise" zu dem alles-dominierenden Thema erklärt. Große Teile des politischen Establishments und der Massenmedien transformierten den Zuzug von Schutzsuchenden zur existenziellen Bedrohung der deutschen Republik, und skandalisierten das Thema über Jahre.
Oft wird behauptet, die Flüchtlinge, ihre Anzahl, hätten die Rechten groß gemacht. Der "Migrationsdruck" sei schuld. Doch das stimmt nicht.
Wie der Jahresbericht 2018 des Mercator Forum Migration und Demokratie (Midem) "Migration und Populismus" feststellt, war der zentrale Faktor nicht die Zuwanderung von Flüchtlingen, sondern der mediale und politische Krisendiskurs.
Die "öffentliche Bedeutung (‚Salienz‘) des Themas Migration" sei die "zentrale Voraussetzung für die Mobilisierung der eigenen Anhängerschaft von rechtspopulistischen Parteien beim Protest gegen die herrschende Elite‘" gewesen.
Eine Besonderheit dieser Wirkungskette [von der großen Mediendebatte zu den Wahlerfolgen von Rechtspopulisten] ist, dass sie auch dann angestoßen wird bzw. anhält, wenn ein starker Zuwachs an Flüchtlingszahlen faktisch nicht vorhanden und (z.B. aufgrund intensiver Medienberichterstattung) bloß "imaginiert" ist.
Das erklärt auch, warum die Zustimmung zur AfD im Verlauf von 2015 bis in den Spätsommer desselben Jahres auf einen Wert von vier Prozent in der Sonntagsumfrage abfiel (von neun Prozent ein Jahr zuvor), während – gerechnet von 2014 – in dieser Zeit 750.000 Flüchtlinge nach Deutschland kamen.
Die Zustimmung zur AfD war also tatsächlich negativ korreliert mit den stark ansteigenden Flüchtlingszahlen in Deutschland. Mehr Flüchtlinge führten in dieser Phase de facto zu sinkenden AfD-Werten.
Ab Oktober 2015, als der Krisendiskurs von Politik und Medien gestartet wurde, stiegen die Werte für die AfD dann massiv an, um im September 2018 mit 18 Prozent einen vorläufigen Höhepunkt zu erreichen. In dieser "AfD-Wachstumsphase" gingen die Zuzugszahlen von Flüchtlingen jedoch sowohl für Deutschland als auch für die EU deutlich zurück, sodass auf dem AfD-Peak Ende 2018 fast keine Schutzsuchenden mehr in die Bundesrepublik gelangen konnten – dank der brutalisierten Abschottungspolitik unter Führung der Merkel-Regierung.
Die AfD-Zustimmungswerte sind also auch in der "Krisenphase" negativ korreliert mit der Flüchtlingszuwanderung, nun nach der Regel: weniger Flüchtlinge, mehr AfD-Zustimmung.
Die reale Flüchtlingszuwanderung ist also offensichtlich nicht der Grund für den Erfolg/Misserfolg der AfD. Was die AfD tatsächlich seit 2015 voranbrachte, war der politische Dauer-Krisendiskurs und eine anhaltend hohe alarmistische Berichterstattung über unsichere Grenzen, drohende Migrationswellen, diverse Integrationsprobleme, gesellschaftliche Spaltung, Parteienstreit und eine orientierungslose Flüchtlings- und Migrationspolitik, bei der die humanitären Fassaden ("freundliches Gesicht" zeigen der Bundeskanzlerin, Milliarden für Syrer und Afrikaner, Empörung über "rechten Mob") den Eindruck erweckten, also ob die Eliten sich mehr um "Migranten" als um deutsche Normalverdiener kümmerten.
Auch heute verläuft der Höhenflug der AfD parallel zu einer heraufbeschworenen zweiten "Flüchtlingskrise".
Obwohl die Asylsuchenden von südlich des Mittelmeers nur einen kleinen Teil der Aufgenommenen darstellen (190.000 vs. über eine Million Ukrainer:innen im letzten Jahr), stehen sie wieder im Mittelpunkt der Mediendebatte, die auf Abschottung, Abschiebungen und Abwehr fokussiert, wie schon bei der letzten "Flüchtlingskrise" – die de facto eine Abschottungskrise gewesen ist, die mit noch mehr Abschottung beantwortet wurde.
So spricht der CDU-Vorsitzende und Unions-Fraktionschef Friedrich Merz erneut von einer "Grenze der Belastbarkeit", die erreicht sei – als ob das eine feststehende, in Stein gemeißelte, von Politik unbeeinflussbare Größe sei. Seine Forderung nach Schutz der EU-Außengrenzen und Asylzentren an den Grenzen wurde mit Unterstützung der rot-grün-gelben Bundesregierung gerade von der EU zur neuen Abwehrstrategie erhoben.
Es ist eine recycelte Forderung der AfD, die solche Zentren, wie auch der neue Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung für Migrationsabkommen Joachim Stamp (FDP), in Afrika außerhalb der EU errichten will. Ein irrwitzige Idee, die internationales Flüchtlingsrechts komplett aushebelt. Afrikanische Staaten haben solche Ideen schon vor langer Zeit als "neokolonial" zurückgewiesen.
Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europäischen Parlament, der CSU-Politiker Manfred Weber, spricht davon, dass die EU "schlafwandelnd in eine neue Migrationskrise" mit Hunderttausenden von "illegalen Migranten" hineinschlittert und betont:
Mauern sollten nur als letzter Ausweg gebaut werden, aber wenn es keine andere Möglichkeit gibt, die illegale Einwanderung zu stoppen, müssen wir bereit sein, Zäune zu bauen.
Als ob die relativ kleine Zahl von "illegalen Migranten" ohne jegliche Rechte, die dazu verdammt sind, im Untergrund zu leben, ein Problem für die EU wäre. Sein Kollege, der bayrische Innenminister Joachim Herrmann, stellt derweil – ewig grüßt das Murmeltier – die Sozialleistungen von Asylbewerbern infrage.
Viele Medien machen bei der Stimmungsmache mit, während sie beim Bootsunglück im Zuge der EU-Abschottungspolitik (ausgelöst möglicherweise durch Manöver der griechischen Küstenwache) mit bis zu 600 Ertrunkenen schnell das Thema wechseln und lieber über das verunglückte U-Boot auf dem Weg zur Titanic mit einigen Millionären und Milliardären an Bord berichten.
Erneut wird eine "Wir"-gegen-"Die"-Rhetorik wie bei der letzten "Flüchtlingskrise" angekurbelt. Damals wurde mit Bedrohungsszenarien gegen "Menschenfluten" und Überlastung die am Boden liegende AfD in alle Landtage und den Bundestag gespült. Heute sehen wir wieder nach oben schnellende Umfragewerte, während Migrationsängste geschürt werden.