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Gefährliches Waffenklirren in der Ägäis

Die Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Nikos Kotzias. Foto: W. Aswestpopoulos

Provokationen zwischen beiden traditionellen Erzfeinden, Griechenland und Türkei, machen einen bewaffneten Zwischenfall möglich

Die beiden traditionellen Erzfeinde, Griechenland und Türkei, eint ein gemeinsames Problem. In beiden Staaten sind die Wirtschaftsaussichten düster. Griechenlands Probleme sind chronisch. Die von der Kreditgebertroika obstruierte Lösung des Schuldenproblems, die stetige, durch "Reformen" genannte Steuererhöhungen in Kombination mit Renten- und Gehaltskürzungen am Leben gehaltene Rezession und die politische Misswirtschaft sind für die Griechen nichts Neues.

Auf der anderen Seite des Bosporus dagegen ist die Situation eher ungewohnt. Beide Regierungen spielen das Spiel gegenseitiger Provokationen in einer Art durch, die einen bewaffneten Zwischenfall möglich machen.

Steinmeier: Zweifel an bestehenden Grenzen keineswegs diskutabel

Moralisch können sich die Griechen hierbei in der Rolle des Gerechten fühlen, geht die Aggression doch vom türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan aus. Ein ums andere Mal provoziert er und beschwört sogar Grenzkorrekturen zu Gunsten der Türkei herbei. Erdogans Expansionsgelüste wurden zum Leidwesen der Griechen lange seitens EU und NATO ignoriert.

Bei seinem Staatsbesuch in Athen jedoch äußerte sich der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier eindeutig. Er betonte, dass ein Zweifel an den bestehenden Grenzen keineswegs diskutabel sei.

Für Steinmeier sind die öffentlichen Spielchen Erdogans mit dem Friedensvertrag von Lausanne, der die Grenzen regelt, keine politische Option. Er erklärte, dass es jedem bewusst sei, was es bedeuten würde, wenn in Europa die Grenzen angezweifelt würden und, dass so etwas sicherlich nicht zur notwendigen Stabilität beiträgt, welche die Bürger wünschen würden. Steinmeier hofft zudem auf eine Wiedervereinigung Zyperns mit dem türkisch besetzten Nordteil der Insel.

Sein Amtskollege Nikos Kotzias dankte es ihm mit zahlreichen Schmeicheleien während des gesamten, zweitägigen Besuchs Steinmeiers in Griechenland. Kotzias führte als weiteres außenpolitisches Problem auch die Streitigkeiten mit Albanien an, welches sich mit der EU in Beitrittsverhandlungen befindet.

Türkei rüstet auf, Griechenland kann nicht mithalten

Für die Griechen ist die duale Bedrohung aus Albanien und der Türkei ein Werk Erdogans. Kotzias vergaß auch nicht zu erwähnen, dass die im Friedensvertrag von Lausanne geregelte Selbstverwaltung der von der Türkei kontrollierten Inseln Imvros (türkisch Gökçeada) und Tenedos (Bozcaada), die laut Artikel 14 der dort lebenden griechischen Minderheit zusteht, immer noch nicht umgesetzt wurde [1].

Dabei rüstet die finanziell angeschlagene Türkei immer weiter auf. Erst Mitte November wurde die Bestellung von sechszehn Lockheed Martin F 35 Kampfjets der neuesten Generation bekannt gegeben [2]. Die Griechen können wegen der Kreditverträge für die Beibehaltung des Euro nicht mithalten.

Sie fliegen bereits jetzt tagtäglich teure Kampfeinsätze , weil die türkische Luftwaffe regelmäßig mit voller Bewaffnung ausgestatteten Fliegern in den griechischen Luftraum eindringt. Die Frequenz dieser Aktionen nimmt immer mehr zu.

Verteidigungsminister Kammenos. Foto: W. Aswestpopoulos

Gleichzeitig sperrte die Türkei am Wochenende das Meer um die griechische Insel Kastelorizo. Als Grund wurde ein Manöver genannt, so dass Griechenland im Rahmen der NATO-Partnerschaft nur wenig Gegenwehr leisten kann.

Offenbar ist die Finanzlage der Türkei noch nicht so schlecht, dass es für den Waffenkauf der neuen Flieger keine Probleme bei der Kreditbeschaffung gibt. Allerdings schimpft Erdogan in öffentlichen Reden darüber, dass eine internationale Verschwörung über die Manipulation der Aktienmärkte einen Putsch in der Türkei auslösen wolle. Die fallenden Kurse an der türkischen Börse sind für ihn ebenso wie die stetige Abwertung der türkischen Lira das Ergebnis einer internationalen Verschwörung [3].

Seine Bürger rief er zudem öffentlich auf, Devisen - vor allem Dollar - gegen türkische Lira und Gold einzutauschen [4]. Zudem ruft Erdogan auf, die Kreditzinsen zu senken, damit die Bevölkerung die national wichtige Konjunktur mit Konsum anheizen kann [5].

Türkei: Nationale Spielchen und Spitzen gegen Griechenland

Offenbar wirken die nationalen Themen in der Türkei. In Griechenland werden deshalb die entsprechenden Äußerungen sämtlicher Politiker des Nachbarstaats, auch des unter normalen Umständen kaum beachteten Vizepremiers Prof. Dr. Numan Kurtulmuş auf die Goldwaage gelegt [6].

Es sei ein Privileg eines souveränen Staats, meinte Kurtulmuş , einen Giaour auch Giaour zu nennen. Mit dieser abwertenden, auf "Ungläubige" abzielenden Bemerkungen wurden während des Ottomanischen Reichs vor allem die Griechen und Serben beschimpft.

Auch die türkische Opposition zeigt für die nationalistischen Spielchen Interesse. Der sozialdemokratische Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu toppt regelmäßig Erdogans Sprüche. Mal verlangt er mehr Inseln von den Griechen als der türkische Präsident, oder aber er beschwört, dass die Türkei Zypern nicht aus den Händen gleiten lassen sollte [7].

Die Politik in Athen entdeckt das nationale Thema

Statt die Bevölkerung zu beruhigen, wird sie in Griechenland auch noch von den einheimischen Politikern auf eine Kriegsvorbereitung getrimmt. Der ansonsten immer betont bedacht auftretende Vorsitzende der Union der Zentristen, Vasilis Leventis, äußerte öffentlich die Überzeugung, dass man nun die Renten pauschal um 200 Euro kürzen sollte, damit sich auch Griechenland die neuen Kampfjets leisten kann.

"Verteidigungsminister Kammenos könnte zum Premier gehen und sagen, dass er ein Mammut-Rüstungsprogramm braucht. Sollen wir doch hungern, wir brauchen dreißig Flugzeuge. Das ist die Antwort an die Türkei", meinte [8] er und fügte hinzu:

Für die Union der Zentristen ist die Ausstattung der Streitkräfte das Wichtigste. Denn nur so gibt es ein Abschreckungspotential, wobei die Türkei bislang ohne Angst provoziert.

Vasilis Leventis

Panos Kammenos lässt so etwas nicht auf sich sitzen. Zwei Tage nachdem er demonstrativ an einer Grenzstation zu Albanien zusammen mit den wachhabenden Grenzschützern genächtigt hatte, schnappte er sich einen Hubschrauber und lud Politiker aller Parteien zu einer Machtdemonstration ein.

Bizarrer Auftritt Kammenos' mit der Goldenen Morgenröte

Kammenos flog zu den Inseln Ro, Strongyli und Kastelorizo. Dort ließ er sich samt der ihn begleitenden Politiker fotografieren. Sein Vizeverteidigungsminister Dimitris Dritsas begleitete ihn ebenso wie die Generalstäbe der Nationalverteidigung und des Heeres, sowie neun Parlamentarier.

Superminister Nikos Pappas. Foto: W. Aswestopoulos

Allerdings kamen nicht alle Parteien dem Aufruf nach. Außer Kammenos Unabhängigen Griechen und Syriza-Abgeordneten folgte nur die Goldene Morgenröte und der Union der Zentristen. So kam es, dass sich Vertreter der Regierungskoalition mitsamt den wegen des Vorwurfs der Bildung einer kriminellen Vereinigung, rassistisch motivierter Morde und Körperverletzungen angeklagten prominenten Nationalsozialisten Ilias Kasidiaris und Nikos Pappas ablichten ließen, während um sie herum Soldaten standen [9].

Der dritte Abgeordnete der Goldenen Morgenröte Ioannis Aivatitis war zum Zeitpunkt der Anklageerhebung noch kein Mitglied des Parlaments oder der bekannten Führungsspitze der Partei.

Der Auftritt wurde in Griechenland allgemein als recht bizarr wahrgenommen. Auch in den eher konservativen Medien wurde der Kommentar der Kommunistischen Partei vor allem wegen drei darin enthaltenen Sätze gern zitiert. In der Erklärung der Partei [10] heißt es:

Die Parlamentsfraktion der KKE hat vom ersten Moment an ihre Weigerung an den theatralischen Zurschaustellungen und dem Pseudolöwengebrüll des Verteidigungsministers P. Kammenos kundgetan. Diese finden im gleichen Moment statt, indem er und seine Regierung mit allen Mitteln die Präsenz der NATO, welche die eigene Souveränität einschränkt und den Türken ein Schlupfkoch bietet, in der Ägäis stützen. Schließlich zeigt die Zusammensetzung der Delegation, in der sich Regierungspolitiker von Syriza und den unabhängigen Griechen Arm in Arm mit den Faschisten der Goldenen Morgenröte zeigen, dass solche Aktionen auf gefährliche Pfade führen.

Kommunistische Partei Griechenlands

Der seltsame Vorstoß des Superministers Pappas

Etwas seltsam mag auch der Vorstoß von Tsipras rechter Hand, Nikos Pappas, anmuten. Der zum Superminister für Medien und Kommunikation aufgestiegene frühere Staatsminister lässt für 3,2 Millionen Euro Satellitenanlagen in Thrakien verteilen. Mit diesen soll die dort lebende moslemische Minderheit besser das griechische Fernsehen empfangen [11].

Die 120.000 griechischen Staatsbürger waren bislang immer recht stiefmütterlich behandelt worden. In ihren Wohngebieten ist die Netzabdeckung der griechischen Sender minimal. Die Ironie an Pappas Aktionismus ist, dass er den von der Türkei umworbenen Angehörigen der Minderheit somit das Betrachten jener Sender nahelegt, die er noch vor einem Monat vergeblich schließen lassen wollte.


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Links in diesem Artikel:
[1] http://www.skai.gr/news/politics/article/332772/subnoia-kotzia-stainmager-apenadi-stis-tourkikes-prokliseis/
[2] http://www.worldbulletin.net/news/180392/16-new-f-35s-to-join-turkish-air-force-fleet
[3] https://www.bloomberg.com/news/articles/2016-12-03/erdogan-says-turkey-faces-economic-sabotage-as-lira-plunges
[4] http://www.zerohedge.com/news/2016-12-02/erdogan-demands-turks-exchange-their-dollars-gold-lira
[5] http://www.reuters.com/article/us-turkey-economy-erdogan-idUSKBN13S0K4
[6] http://www.iefimerida.gr/news/305277/antiproedros-toyrkias-anexartisia-einai-na-mporeis-na-peis-ton-gkiaoyri-gkiaoyri
[7] http://www.protothema.gr/politics/article/634453/kemal-kilitsdaroglou-na-min-hasoume-tin-kupro-mesa-apo-ta-heria-mas/
[8] http://www.tovima.gr/politics/article/?aid=849303
[9] http://www.iefimerida.gr/news/305407/o-kammenos-sto-kastelorizo-me-voyleytes-kai-kasidiari-eikones
[10] http://www.tovima.gr/politics/article/?aid=849489
[11] http://www.iefimerida.gr/news/303349/i-kyvernisi-moirazei-dorean-doryforiki-tileorasi-stoys-meionotikoys-sti-thraki