Gefängnisausbruch in Nordsyrien: Kommt der IS 2.0?
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Funktionäre der Selbstverwaltung werfen westlichen Staaten mangelnde Unterstützung bei der Unterbringung gefangener Dschihadisten vor. Unter ihnen sind auch westliche Staatsbürger
Im größten Gefängnis für IS-Terroristen in der nordsyrischen Stadt Hasaka kam es am vergangenen Donnerstag zum gefährlichsten Versuch eines Massenausbruchs seit dem militärischen Sieg über die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS). Im Gefängnis Sina waren zu diesem Zeitpunkt etwa 5.000 IS-Terroristen aus rund 50 Ländern inhaftiert.
Zur gleichen Zeit bombardierte das türkische Militär Einheiten der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF). Zur Unterstützung des Ausbruchsversuchs gab es auch zeitgleich Angriffe von IS-Schläferzellen bei Deir ez Zor. Dort liegen die wichtigsten Ölfelder Syriens und das Camp Al Hol. Auch im Irak griffen IS-Terroristen am Freitag in der Provinz Diyala Militärstützpunkte an und töteten elf irakische Soldaten.
Am Donnerstag zündeten Dschihadisten in der Nähe der Gefängnistore von Sina Autobomben. Dutzenden Häftlingen gelang daraufhin die Flucht in den benachbarten Wohnbezirk Ghweiran. Innerhalb des Gefängnisses verursachten 300 weitere gefangene IS-Mitglieder Chaos, indem sie in den Schlafsälen Decken und Plastikmaterial verbrannten, erläuterte der SDF-Pressesprecher Ferhad Shami der Nachrichtenagentur Al Monitor.
Sie verbarrikadierten sich in Teilen des Gefängnisses und benutzten dort etwa 700 Minderjährige als menschliche Schutzschilde. Mit der IS-Ideologie indoktrinierte Kinder und Jugendliche sollen rehabilitiert werden, und sind deshalb im Sina-Gefängnis in gesonderten Schlafsälen untergebracht. Die SDF hatten in der Vergangenheit die Internationale Koalition, die Vereinten Nationen und das Internationale Rote Kreuz (IKRK) immer wieder um Hilfe gebeten, um diese Minderjährigen zu schützen und zu verhindern, dass der IS sie bei militärischen Operationen einsetzt.
Minderjährige als Schutzschilde
In einem Video erklärt die unabhängige Nachrichtenagentur North Press eindringlich, wie der IS als Killer trainierte Kinder, die "Cups of Caliphate" genannt werden, als menschliche Schutzschilde einsetzt und warum es höchste Zeit ist, die Kinder aus den Händen der Dschihadisten zu befreien. Den Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) ist es zwar mit Unterstützung der US-geführten Koalition gelungen, über 100 entflohene Häftlinge wieder festzusetzen, aber die Kämpfe im benachbarten Wohnbezirk Ghweiran dauerten auch am Dienstag noch an.
In der gesamten Stadt waren Schüsse und Explosionen zu hören. Stand Dienstag starben mindestens 200 IS-Terroristen und 27 SDF-Soldaten bei den Gefechten. Noch gibt es keine verlässlichen Zahlen über die Anzahl und die Identität der Geflohenen. Ein Korrespondent der FAZ hat vor zwei Jahren zwei deutsche IS-Anhänger in dem Gefängnis interviewt.
In einem aktuellen Artikel stellt er die berechtigte Frage, ob unter den geflohenen IS-Terroristen auch Deutsche seien. Denn das wäre eine konkrete Bedrohung für Deutschland und die Bundesregierung hätte Handlungsbedarf. Am Montag ergaben sich 300 Häftlinge im Gefängnis und übergaben ihre Waffen. Weitere 250 stellten sich am Dienstag.
Aber die Situation im Gefängnis ist noch nicht komplett unter Kontrolle. Es können zwar keine Gefangenen mehr über die Gefängnismauern fliehen, aber die Islamisten versuchen die nördlich gelegenen Zellen des Gefängnisses anzugreifen, berichtet die kurdische Nachrichtenagentur ANF. Unklar ist bisher, wie die Waffen ins Gefängnis gelangen konnten.
Benachbarte Wohngebiete von Dschihadisten infiltriert
Örtlichen Quellen zufolge haben sich die ausgebrochenen Häftlinge im benachbarten Stadtviertel Ghweiran in Häusern verschanzt Im ebenfalls benachbarten Stadtteil al-Zohour westlich des Gefängnisses benutzten IS-Terroristen rund 289 Familien als menschliche Schutzschilde, um den Vormarsch der SDF zu behindern.
Die SDF sperrten daraufhin die Wohngebiete ab und durchkämmten die Häuser. Bei den Durchsuchungen stellte sich heraus, dass dort eine Reihe von Wohnungen seit längerem Stützpunkte des IS waren. Über 100 Dschihadisten seien aus den türkisch besetzten Gebieten Serekaniye (Ras al Ain) und Gire Spi (Tel Abyad) in das Gebiet gelangt. Die IS-Plattform "Amaq" bekannte sich zu der Aktion und sprach von 800 geflohenen IS-Anhängern.
Am Montag entdeckten die Sicherheitskräfte während einer Razzia in Ghweiran eine Schläferzelle. Die Dschihadisten eröffneten daraufhin das Feuer. Bei den anschließenden Gefechten starben acht Dschihadisten und ein SDF-Soldat.
North Press berichtete, dass am Sonntagmorgen US-Streitkräfte sechs Militärfahrzeuge rund um das al-Kum-Gefängnis in der Stadt Shadadi, südlich von Hasakah stationierten, um die SDF- Sicherheitskräfte dort zu verstärken. Im al-Kum-Gefängnis sind ebenfalls tausende IS-Mitglieder inhaftiert. Es wurde befürchtet, dass der Gefängnisaufstand sich auf weitere IS- Gefängnisse und -lager ausweiten könnte.
Die SDF errichteten einen Sicherheitsring rund um das Gefängnis und blockierten die Verbindungsstraße zwischen der Stadt Shadadi und einem Gaswerk, da Angriffe mit Autobomben auf das Gaswerk befürchtet werden. Die örtlichen Sicherheitskräfte (Asayish) verhängten am Freitag auch eine Ausgangssperre für die Stadt Hasaka und blockierten die Ein- und Ausfahrten.
Flugzeuge der US-geführten Koalition führten Luftangriffe gegen IS-Kämpfer in der Umgebung des Gefängnisses durch und warfen Flugblätter über der Stadt Hasaka mit der Aufschrift "Melden Sie uns Terroranschläge" ab.