Gegen Impfzwang und die politische Rechte
In der Schweiz sorgt eine von rechten Gruppen lancierte Initiative gegen Impfzwang für Diskussionen – auch in der Linken
Eingriffe in die körperliche oder geistige Unversehrtheit einer Person bedürfen deren Zustimmung. Die betroffene Person darf aufgrund der Verweigerung der Zustimmung weder bestraft werden noch dürfen ihr soziale oder berufliche Nachteile erwachsen.
Das ist der Kernsatz einer Eidgenössischen Volksinitiative, die unter dem Titel "Stopp Impfpflicht in der Schweiz auch in linken Medien für Diskussionen sorgt. In diesem politischen Spektrum wird klar benannt, dass die Initiatoren der Petition aus dem rechten und nationalistischen Spektrum kommen: Doch für Linke reicht es eben nicht, diese rechten Verbindungen zu analysieren.
So heißt es in der sozialistischen Wochenzeitung Vorwärts:
Die Linke ist jedoch gut beraten, sich rasch mit der ganzen Thematik auseinanderzusetzen. Denn der Covid-Pass wird kommen, so sicher wie das Ave-Maria in der katholischen Messe. "Wer geimpft ist, hat gewisse Vorteile, wer nicht, eben nicht."
Wochenzeitung Vorwärts, Schweiz
Selbstbestimmung über den eigenen Körper
Die linksgerichtete Zeitung macht damit eine wichtige Feststellung: Die Selbstbestimmung über den eigenen Körper hat für die hiesige Linke stets eine wichtige Rolle spielt, das gilt nicht nur für die Haltung zu Schwangerschaftsabbrüchen. Dennoch bleibt eine Kooperation mit nationalistischen Rechten wie der Freiheitlichen Bewegung der Schweiz ausgeschlossen, die einen wesentlichen Anteil bei der Lancierung der Petition gegen den Impfzwang hat.
Beim Kampf um persönliche Freiheitsrechte, konstatiert der Vorwärts, könne es kein Zusammentun mit Nationalisten geben, denen es um "Heimat" und "kulturelle Verwurzelung geht. Aber die linke Antwort kann auch nicht die Parole "Wir impfen Euch alle" sein, wie sie in den letzten Monaten häufiger auf antifaschistischen Demonstrationen in Deutschland zu hören war.
Die Diskussion hat wegen der Petition, die dann in eine Volksabstimmung führen kann, in der Schweiz eine besondere Dringlichkeit. Doch sie sollte auch in Deutschland geführt werden. Es wäre fatal, wenn sich irrationale und rechte Gruppierungen nun als Verteidiger der Impffreiheit gerieren und die Linke den Eindruck erweckt, sie wären Verteidiger eines tatsächlichen oder vermeintlichen Impfzwangs.
Dabei gibt es gute Gründe, sich impfen zu lassen. Progressive Bewegungen in zahlreichen Ländern haben in den letzten 100 Jahren erfolgreiche Impfkampagnen gegen verschiedene Krankheiten unterstützt. Viele dieser Krankheiten haben durch die Impfungen heute ihren Schrecken verloren. Das sind gute Argumente für Impfungen und die sollten auch verwendet werden.
Autoritäre Impfzwangsmaßnahmen hingegen sind auch in dieser Hinsicht kontraproduktiv. Deswegen ist es so wichtig, zwischen den Befürwortern von Impfungen und den Verfechtern eines Zwangs zum Impfen zu unterscheiden. Das ist nicht immer einfach, gerade, wenn es um den indirekten Zwang geht. Der kann dadurch zustande kommen, dass eben Ungeimpfte von bestimmten Aktivitäten beispielsweise Flügen oder demnächst vielleicht auch Bahnreisen ausgeschlossen werden könnten.
Verschwörungstheorie oder Hypothese?
Tatsächlich sollte das Thema Gegenstand von Debatten sein, in denen Schlagwörter und populistische Verkürzungen nicht weiterhelfen, wie sie eben von irrationalen und rechten Gruppen verwendet werden. Aber auch mache Parole linker Impfbefürworter kommt einer solchen populistischen Verkürzungen nahe. Tatsächlich ist in Deutschland von einer Debatte, darüber wie man es als Impfbefürworter mit den Rechten von Menschen hält, die - aus welchen Gründen auch immer - nicht geimpft werden wollen, noch wenig zu hören.
Auch in den USA brandet wieder eine Debatte auf, von der man dachte, sie wäre mit dem Abgang von Ex-Präsident Donald Trump aus dem Weißen Haus beendet. Es geht um die Frage, nach der Herkunft des Corona-Virus. Die These, dass es versehentlich aus einem Labor entwichen sein könnte, ist auf einmal wieder eine Hypothese, die noch untersucht werden muss. Wäre Trump noch im Weißen Haus würde das unter antichinesische Verschwörungstheorie eingeordnet.
Doch nun differenzieren auch manche liberalen Journalisten. Es wäre, heißt es von dieser Seite, eine Verschwörungstheorie, zu behaupten, in China seien absichtlich Viren gezüchtet und ausgesetzt worden. Dass der Erreger aber versehentlich entwichen sein könnten, gilt als akzeptable Hypothese, was auch in Teilen der Wissenschaft so gesehen wird.
Der Verlauf dieser Debatte belegt, dass es manchmal nur eines Präsidentenwechsels bedarf, um aus einer Verschwörungstheorie eine diskutable Hypothese zu machen. Und die Debatte zeigt, dass es die vielbeschworene reine Wissenschaft nicht gibt, auf die man nur hören muss.
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