Gehäkelte Spielwelt
"Yoshi’s Woolly World" von Nintendo für Wii-U
Der kleine Dinosaurier Yoshi besitzt von Haus aus einen honen Niedlichkeitsfaktor. In "Yoshi’s Woolly World" wird es fast kuschelig: Er und seine Welt sind aus bunten Fäden und Stoffen gehäkelt, gestrickt und genäht. Spielerisch knüpft der wollige Held an seine Wurzeln aus dem SNES-Titel "Yoshi’s Island" an.
Yoshi’s Erzfeind Kamek hat wieder zugeschlagen: Der böse Magier ribbelt die gehäkelten Freunde des Dinosauriers mit seinem Zauberstab auf und verteilt die Wollknäuel auf der Inselwelt. Yoshi jagt Kamek und rettet dabei die aufgelösten Freunde. Wie bei allen Nintendo-Jump-And-Runs von "Mario" bis "Donkey Kong" ist die Story nur ein dünner roter Faden.
Wer "Yoshi’s Island" kennt fühlt sich auch in der Welt aus Stoff und Fäden zuhause. Das grundlegende Spielprinzip bleibt trotz der neuen Optik bestehen. Auch die "Woolly World" ist ein klassisches 2D-Jump-And-Run. Die Insellandschaft besteht aus fünf Welten mit jeweils acht Levels.
Der kleine Dino springt über Hindernisse und besiegt zahlreiche Gegner oder weicht ihnen aus. Wie gehabt kann Yoshi seine Sprünge mit einem Flügelschlag verlängern. Seine Gefräßigkeit bleibt seine stärkste Waffe. Diesmal legt er nach dem Fressen keine Eier, sondern verwandelt das Verschlungene in Wollknäuel. Diese setzt er anschließend als Wurfgeschosse ein, mit denen er weitere Gegner ausschaltet oder Schalter in Form von geflügelten Woll-Wolken auslöst.
Die altbekannten Gegner passen sich dem Setting an: Einige benutzen Stricknadeln als Stelzen oder sind mit Häkelnadeln bewaffnet, mit denen sie frontal geschleuderte Wollknäuel abfangen. Die altbekannten Piranha-Pflanzen wickelt der Dino mit geworfener Wolle ein und kann sie anschließend mit einem Sprung besiegen und dabei als Sprungbrett zum Erreichen höherer Ziele benutzen.
Das Entwicklerstudio Good-Feel hat bereits auf der Wii in "Kirby und das magische Garn" (vgl. Drei-Sprung) eine Vorliebe für Wolle und Stoffe bewiesen. Der Titel war zwar für Wii-Verhältnisse ein optisches Highlight, blieb aber aufgrund der begrenzten grafischen Möglichkeiten zweidimensional. In "Yoshi’s Woolly World" wird die komplette Umgebung plastisch und sieht dank bewusster Unregelmäßigkeiten nach wahrer Handarbeit aus. Das Konzept zieht sich bis ins kleinste Detail durch: Knöpfe "wachsen" auf der Wiese, Wasser und Flammen bestehen aus bunten Fäden und zum Öffnen einer Türe zieht der Dino einen Reißverschluss auf.
Die Handarbeit ist fester Bestandteil der Spielmechanik: Wirft Yoshi einen Wollknäuel auf einen Drahtrahmen, verwandelt dieser sich in eine gehäkelte Plattformen, die der Dino betreten kann. Umgekehrt ribbelt er an anderen Stellen Häkelwürfel auf, um versteckte Schätze zu finden.
Das Spiel ist zumindest auf den ersten Blick ein einfaches Jump-And-Run. Im Vergleich zu den Mario-Games oder dem anspruchsvollen "Donkey Kong Country: Tropical Freeze" (vgl Probier’s mal mit Geschicklichkeit), kommt der Spieler deutlich leichter durch die Welten. Auch gibt es keine begrenzte Lebenszahl und somit beliebig viele Versuche. Verliert Yoshi alle Herzen oder stürzt in einen Abgrund, wird er zum letzten Checkpoint zurückgesetzt. Auch die Bossgegner, von denen es in jeder der fünf Welten jeweils zwei gibt, sind verhältnismäßig einfach. Ihre Schwachstellen und Angriffsmuster erkennen erfahrene Gamer auf Anhieb.
Wie bei "Kirby und das magische Garn" gibt es kurze Zwischensequenzen, die eigene Spielregeln haben. Wenn sich Yoshi beispielsweise in ein Flugzeug verwandelt, wird das Game zum Side-Scrolling-Shooter á la Konamis "Scramble".
Im Vergleich zu Mario und Co gibt es bei Yoshi mehr Puzzle-Elemente, die allerdings selten komplex sind. So muss Yoshi beispielsweise Flammen aus Wolle einsaugen und passend ausspucken, damit die richtigen Kerzen brennen.
Die wahre Herausforderung von "Yoshi’s Woolly World" liegt nicht im Durchspielen, sondern im Sammeln der zahlreichen Extras. In jedem Level sind fünf Wollknäuel versteckt, mit denen Yoshi einen seiner Freunde wiederherstellt. Anschließend darf der Gamer den entsprechend gemusterten Dino spielen. Außerdem gilt es jeweils fünf Blumenaufnäher zu finden, um Bonuslevel freizuschalten. Darüber hinaus gibt es jeweils 20 Sticker, die der Spieler für Nachrichten im Miiverse verwenden kann. Um ein Level perfekt abzuschließen, muss der Dino zudem beim Überqueren der Ziellinie die volle Lebensenergie haben.
Die Extras sind entweder gut versteckt oder erfordern spielerisches Geschick, wenn Yoshi sich beispielweise über fliegende Gegner hüpfend aufwärts bewegt. Andere Items sind zwar sichtbar, aber scheinbar unerreichbar.
Steigt ein zweiter Spieler ein, dürfen sich die Yoshis gegenseitig werfen und so schwer erreichbare Items sammeln. Das Zusammenspiel erfordert jedoch gute Koordination, da die Dinos sich auch schnell in die Quere kommen und immer auf demselben Bildschirmbereich bleiben müssen.
Der Name des Entwicklerstudio Good-Feel ist Programm: "Yoshi’s Woolly World" ist ein Wohlfühlspiel. Durch die Levels kommen erfahrene Gamer ohne Frustmomente. Die optische Gestaltung und die Musik fördern die gute Laune. Wer die große Herausforderung à la "Dark Souls" sucht, ist allerdings falsch. Dennoch ist das Spiel niemals trivial, sondern die Levels sind so einfalls- und abwechslungsreich, wie man es von einem Nintendo-Jump-And-Run erwartet. Nach dem normalen Abenteuer lädt die Jagd nach versteckten Extras lädt zum wiederholten Besuch ein und fordert Geschicklichkeit und Aufmerksamkeit gleichermaßen. Da es sich trotz der modernen Optik wie das Ur-Yoshi anfühlt, kommen Retrogamer auf ihre Kosten.
Für 2D-Jump-And-Runs ist die Wii-U damit mit Abstand die stärkste Konsole. Auf große Titel anderer Genres müssen die Besitzer von Nintendos Heimkonsole dagegen fast drei Jahre nach dem Erscheinen noch warten: Das Rollenspiele "Xenoblade Chronicles X" und der Shooter "Star Fox Zero" kommen vermutlich zum Jahresende. Das erste(!) "Zelda" für die Wii-U erscheint wohl 2016 und zu einem neuen "Metroid" gibt es noch gar keine offiziellen Angaben.