Geheimdienstvorwürfe: Unterstützte Russland Rechtsextreme über Online-Plattform in Prag?
Tschechien erlässt Sanktionen gegen Voice of Europe. Vorwürfe der Einflussnahme. Offenbar mehrere Nachrichtendienste beteiligt.
Die tschechische Regierung gibt an, eine umfangreiche Operation russischer Geheimdienste in sechs Mitgliedstaaten der Europäischen Union aufgedeckt zu haben. Im Zentrum steht die in Prag ansässige Nachrichtenplattform Voice of Europe. Das Nachrichtenmagazin Spiegel berichtet, sollen über dieses Netzwerk erhebliche Geldsummen geflossen sein, unter anderem an Politiker der AfD.
Auffällig sei die politische Ausrichtung der Seite, schreibt der Spiegel: Sie gebe vor allem rechtspopulistischen und rechtsextremen Politikern eine Plattform und bediene Themen, die insbesondere von Rechtsaußenparteien aufgegriffen werden. Unter den Interviewpartnern fänden sich mehrfach Vertreter der AfD.
Tschechische Regierung setzt "Voice of Europe" auf Sanktionsliste
Am Mittwoch dieser Woche Tschechien Voice of Europe und seine mutmaßlichen Hinterleute auf eine Sanktionsliste gesetzt. "Wir waren in der Lage, die Aktivitäten eines von Russland finanzierten Einflussnetzwerks in der Tschechischen Republik aufzudecken", erklärte der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala bei einer Pressekonferenz.
Ziel dieses Netzwerks sei es, die Politik in europäischen Ländern im Sinne des Kremls zu beeinflussen.
Verdeckte Finanzierung von Europawahl-Kandidaten
Doch die tschechischen Behörden erheben noch schwerwiegendere Vorwürfe gegen das Medienunternehmen und sein Netzwerk. "Voice of Europe" soll auch als Vehikel zur verdeckten Finanzierung von Europawahl-Kandidaten gedient haben, die dem Kreml genehm sind.
Bislang handelt sich allerdings nur um Vorwürfe der tschechischen Regierung. Sie beruhen auf Geheimdiensterkenntnissen und sind daher unabhängig nicht überprüfbar. Die deutsche Staatsanwaltschaft hat noch keine Ermittlungen aufgenommen, auch wenn ein solcher Schritt wahrscheinlich ist.
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Nach Informationen des Spiegels soll das Geld entweder bei persönlichen Treffen in Prag bar übergeben oder per Kryptowährung transferiert worden sein. Es ist die Rede von mehreren Hunderttausend Euro.
Laut der tschechischen Tageszeitung Deník sollen Politiker aus Deutschland, Frankreich, Polen, Belgien, den Niederlanden und Ungarn von dem russischen Netzwerk bezahlt worden sein.
Mutmaßliche Verbindungen zur AfD
Zwischen Russland und der AfD gibt es seit langem enge Verbindungen. Immer wieder reisten Abgeordnete und andere Parteimitglieder zu sogenannten Wahlbeobachtermissionen oder Wirtschaftsforen auf die Krim.
Im Gegenzug sei ein Mitarbeiter der russischen Botschaft bei Parteiveranstaltungen aufgetreten und habe gezielt aussichtsreiche Kandidaten der AfD-Jugendorganisation umworben.
Die neuen Enthüllungen der tschechischen Behörden und ihrer europäischen Partnerdienste werfen nun Fragen auf: Welche Gesprächspartner von Voice of Europe wurden mit Geld bedacht? Was genau wurde als Gegenleistung erwartet? Und welche Rolle spielten die AfD-Europakandidaten Krah und Bystron in der aufgedeckten Einflussoperation Moskaus?
Stellungnahme der AfD
Maximilian Krah, AfD-Europaabgeordneter und Spitzenkandidat seiner Partei für die kommende Europawahl, teilte dem Spiegel mit, er habe Voice of Europe nur zwei Interviews gegeben, eines davon in Prag. "Geld habe ich dafür selbstverständlich keines bekommen, weder für mich, noch für die Partei." Auch das Hotel habe er selbst bezahlt.
Wiktor Medwedtschuk, ein prorussischer Oligarch ukrainischer Herkunft, der hinter dem Portal stehen soll, kenne er aus unterschiedlichen Kontexten. Auch von ihnen habe er "nie Geld oder geldwerte Leistungen angenommen". Bystron und Voice of Europe hätten auf Anfragen zunächst nicht reagiert.
Alice Weidel: "Ausgewogene Sicht auf die Dinge"
Die AfD-Vorsitzende Alice Weidel bemühte sich erst vor Tagen darum, die Vorwürfe einer allzu großen Russlandnähe ihrer Partei abzuwehren. "Mir ist es einfach wichtig", sagte Weidel kürzlich in einem Interview mit der Deutschen Presseagentur, "dass hier eine sehr ausgewogene Sicht auf die Dinge nicht verwechselt wird mit einer angeblichen Nähe zum russischen Präsidenten, Wladimir Putin".
Die nun erlassenen Sanktionen ermöglichen es den tschechischen Finanzbehörden, das Eigentum der Betroffenen einzufrieren. Die sanktionierten Personen dürfen nicht mehr in das Land einreisen.
Redaktion de facto aufgelöst
"Die Regierung hat nie Webseiten abgeschaltet und wird es auch dieses Mal nicht tun, aber die staatlichen Organe werden die Einhaltung der Sanktionen durchsetzen", sagte Fiala auf der Pressekonferenz. Damit sei der Betrieb de facto beendet.
Laut Deník sollen an der Operation gegen Voice of Europe fünf Geheimdienste beteiligt gewesen sein.