Gehirnscans bieten Einblick in bewusste Wahrnehmung
Zwei Forschergruppen konnten zeigen, dass sie anhand von Mustern der Gehirnaktivität unterschiedliche visuelle und auditive Wahrnehmungen von Personen erkennen können
Es wäre die Einlösung einer notwendig mit den Neurowissenschaften verbundenen Hoffnung, wenn sich aus der Messung der Hirnaktivitäten alleine bestimmen ließe, was eine Person gerade denkt oder wahrnimmt. Zudem wäre damit bewiesen, dass Bewusstsein ein Produkt materieller Vorgänge wäre, das keinen besonderen Zugang verlangt, sondern mit naturwissenschaftlichen Mitteln erklärt werden könnte, auch wenn damit bei weitem nicht alles verstanden wird, was die bewusste Persönlichkeit ausmacht. Soweit ist die Neurowissenschaft allerdings noch nicht, aber zwei Forschergruppen sind einige weitere Schritte auf dem Weg zu diesem Ziel gelungen.
John-Dylan Haynes und Geraint Rees von der University College London (UCL) haben eine Möglichkeit entwickelt, wie sich durch die Messung der Gehirnaktivität im visuellen Kortex mittels fMRI (funktionelle Magnetresonanztomographie) feststellen lässt, welches Bild von Versuchspersonen in der bewussten Wahrnehmung angeschaut wird. In anderen Untersuchungen mit fMRI hatten beispielsweise amerikanische Wissenschaftler gezeigt, dass sie aufgrund der Aktivitätsmuster eine Objektkategorien identifizieren konnten, die Versuchspersonen gezeigt wurden (Bilder von Gesichtern und Katzen sowie von Häusern oder Sesseln).
Für ihre Studie, die in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Current Biology (Volume 15, Issue 14 , 26 July 2005, Pages 1301-1307) zeigten die Forscher den Versuchspersonen mittels einer speziellen Brille jeweils unterschiedliche Bilder für ihr linkes und rechtes Auge. Die bewusste Wahrnehmung wird damit ausgetrickst, das Bewusstsein schaltet immer wieder spontan und zufällig von einem Bild zum anderen, die um Aufmerksamkeit konkurrieren. Dabei verändern sich die visuellen Stimuli, also die gezeigten Bilder, selbst nicht. Mit dem fMRI konnten die Wissenschaftler nun mit hoher Wahrscheinlichkeit vorhersagen, welches der Bilder gerade betrachtet wird. Interessant ist dies auch deswegen, weil die bewusste Wahrnehmung schnell zwischen den Bildern springt und so die räumlichen Aktivitätsmuster sich dynamisch verändern.
Allerdings können die Wissenschaftler keineswegs alleine aus dem räumlichen Muster der Gehirnaktivität im visuellen Kortex ableiten, welches Bild gesehen wird, also sozusagen die bewusste visuelle Wahrnehmung eines Bildes rekonstruieren. Immerhin aber können die Muster, die durch das Betrachten unterschiedlicher Bilder entstehen, unterschieden und auch die Wahrnehmung von Farbe erkannt werden. Die gezeigten Muster waren entweder rot oder blau. Die Forscher stellen gleichwohl ihre Ergebnisse als wichtige Schritte auf die Entwicklung einer "universellen Maschine zum Lesen des menschlichen Geistes" dar, die "das Bewusstsein einer Person auf Sekunden genauer Grundlage verfolgen kann".
Neurowissenschaftler der University of California in LA und des Weizmann Institute haben, wie sie in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Science (5. August 05, vol. 309, p. 951-954) berichten, im Hinblick auf die Erkennung von akustischen Signalen aus neuronalen Aktivitäten ähnliche Fortschritte erzielt. Wichtigstes Ergebnis dabei ist, dass sie damit zeigen konnten, dass die mit der funktionellen Magnetresonanztomographie gemessene Durchblutung von Arealen tatsächlich auch neuronale Aktivität erfasst.
Die kalifornischen Wissenschaftler haben bei zwei Epilepsie-Patienten bei der Vorbereitung einer Operation kurzzeitig Elektroden in den auditiven Kortex implantiert, mit denen sie die Reaktionen von 53 einzelnen Neuronen abnehmen konnten. Anschließend zeichneten sie die Aktivitäten auf, während die Patienten sich einen neunminütigen Ausschnitt aus dem Film "The Good, the Bad and the Ugly" anschauten. 20 der 30 erfassten Neuronen lieferten bei einem, 17 von 23 Neuronen beim anderen Patienten reproduzierbare Signale, die zu einem Reaktionsschema zusammengefasst wurden.
Wissenschaftler des Weizmann Institute zeichneten die Gehirnaktivität von 11 gesunden Versuchspersonen beim Betrachten und Hören desselben Films mit fMRI auf. Die Forscher versuchten, anhand der neuronalen Daten der beiden Patienten das Muster der fMRI-Signale der israelischen Versuchspersonen trotz individueller Unterschiede vorherzusagen, was ihnen mit einer großen Genauigkeit gelang. Wurde den Versuchspersonen ein anderer Filmausschnitt oder der Film ohne Ton vorgespielt, so gab es keine Korrelationen. Während der Szenen, in denen es keinen Ton gab, wurden auch keine Aktivitäten festgestellt, bei den spontanen Erregungsmustern gab es keine Korrelation.
Aufgrund ihres Versuchs sagen die Wissenschaftler, sie hätten unter natürlichen Bedingungen der Stimulation demonstriert, dass die mit der fMRI erfassten Aktivitätsmuster von bestimmten Gehirnarealen tatsächlich auch verlässlich die Spike-Rate (die Rate des Feuerns) der einzelnen Neuronen des Areals darstellen. Professor Itzhak Fried von UCLA erklärte, dass die Forscher nicht nur die Szenen unterscheiden konnten, sondern auch die unterschiedlichen Arten des Tons. Allerdings konnten sie den Zusammenhang zwischen der Aktivität einzelner Neurone und dem fMRI-Muster aus der Durchblutung des Areals nur im auditiven Kortex zeigen, zu vermuten ist allerdings, dass dieser Zusammenhang auch in anderen Arealen besteht.