Geld für die Zukunft

Seite 2: Staatsausgaben ohne Steuern und Schulden

Aus Sicht der MMT ist ein Staat, der seine eigene Währung herausgibt und nur in dieser verschuldet ist, für seine Ausgaben nicht auf Steuereinnahmen angewiesen. Er solle seine Ausgaben auch mit Geld bezahlen, das er emittiert, bis sein volles Produktionspotential ausgeschöpft sei.

Die andere Grenze der Geldschöpfung sei die Preisstabilität. Steuern seien lediglich ein Instrument der Verteilungsgerechtigkeit und könnten darüber hinaus dazu dienen, Inflation einzugrenzen. Unfreiwillige Arbeitslosigkeit gehöre so der Vergangenheit an.

Ausgangspunkt der Überlegungen ist, dass die Geldmenge stetig wachsen muss, und alles zusätzliche Geld letztlich vom Staat, der für dessen Akzeptanz einsteht, mittels der Zentralbank geschöpft wird.

Übrigens: Neben Zinsen und Steuern existieren Sterilisierungsanleihen als Mittel zur Kontraktion der Geldmenge und als Notbremse.

Die Idee "Hat der Staat kein Geld, dann druckt er welches" ist nicht originell und wirkte bekanntlich oft genug verheerend. Der Widerstand, der der MMT entgegenschlägt, ist verständlich. Die Sache stellt sich aber bereits anders dar, wenn mensch sich fragt, ob es wirklich eine so gute Idee ist, alles Geld ausschließlich aus Schulden herzustellen.

Zumindest unter bestimmten Voraussetzungen sollte Zentralbanken die monetäre Geldschöpfung erlaubt sein. Außerhalb der EWU ist dies Standard, nicht nur bei der Fed.

Von den aktuellen Anleihekäufen der EZB zu dem, was die MMT vorschlägt, wäre es ein kleiner Schritt, der der EZB verboten ist. Sie müsste Anleihen direkt kaufen, anstatt diese Banken abzukaufen, die einen Gewinn aus dem Handel ziehen. Allerdings müssten dann auch die Staaten gewillt sein, dieses Geld auszugeben.

Die Weigerung einer zeitweisen staatlichen "Verschuldung", wenn das Geld später sogar in den Haushalt zurückfließen kann - also geschenkt ist - mutet weltfremd an. Diese Verweigerung war jedoch vor der Corona-Krise in Deutschland normal, so als ob es hier keinerlei Mangel gäbe.

Eine Geldschöpfung ohne Gläubiger vermeidet die Umverteilung vom Steuerzahler zu Geldbesitzern, schmälert Bankengewinne und entlastet kommende Generationen. Trotzdem ist die MMT nicht nur irgendwie "links", denn Steuern werden teilweise überflüssig und privates Kapital freigesetzt.

Können mit dem Ansatz der MMT tatsächlich die hohen Erwartungen einer staatlichen Jobgarantie, auskömmlicher Altersrenten und an Geld für den ökologischen Umbau erfüllt werden, die die MMT erweckt?

Wahrscheinlich ist einiges davon möglich, die Wirtschaft hat ungenutzte Potenziale und den Hang zum Wachsen. Gehortetes Kapital ist im Überfluss untätig an der Börse gebunkert, und die Zinsen werden sinnvollerweise erst wieder steigen, wenn Private und/oder der Staat mehr Geld nachfragen.

Unser Fiatgeld ist keine rationale Konstruktion, sondern aus anderem entstanden. Es darf und sollte hinterfragt werden.

Die MMT ist, auch wenn sie auf den ersten Blick trivial wirkt und fast wie eine Köpenickiade, Wissenschaft und eine Sichtweise, die Chancen erkennen lässt, die sonst ungenutzt bleiben müssen. Falls die MMT funktioniert, ist sie eine schallende Ohrfeige für die Finanzwissenschaft, die einem selbst veranstaltetem Sachzwang aufgesessen ist.

Unverhoffte Chance für einen Neustart der EWU?

Die EWU unterliegt dem Regime der Maastricht-Kriterien. Ernst genommen wurden die Kriterien anfangs nicht. Sonst hätte Belgien, dessen Banken als einzige in der EU schon Konten in jenem Ecu führten, aus dem der Euro wurde, gar nicht mitmachen dürfen, weil es eine Staatsschuldenquote aufwies, die doppelt so hoch lag wie die erlaubten 60 Prozent.

Auch anderes ist dubios: Warum soll ein Staat, der um konjunkturell zu gesunden darauf angewiesen ist, sich höher als drei Prozent p.a. zu verschulden, obendrein Strafe zahlen? Und aus welchen Einnahmen?

Ein Fehler war auch jene üble Fehlkonstruktion, die die EWU-Staaten der Währungsspekulation auslieferte, viele Hunderte Millionen Euro an Spekulanten abfließen ließ und damit einen noch vielfach höheren volkswirtschaftlichen Schaden anrichtete.

Mit dem European Stability Mechanism, ESM, soll Abhilfe geschaffen werden, anstatt für alle Partnerländer Eurobonds zu emittieren, die in Deutschland als "Vergemeinschaftung der Schulden" denunziert werden.

Selbst der Direktor des ESM, Klaus Regling, der einst die Maastricht-Kriterien für Deutschland mitverhandelte, spricht sich heute für eine Revision der Kriterien aus. Und auch Regling lehnt die Wiedereinsetzung der unsinnigen deutschen Schuldenbremse, die die jährliche Neuverschuldung des Bundes gar auf 0,32 Prozent des Haushaltes begrenzt und den Ländern schuldenfreie Haushalte befiehlt, in der aktuellen Situation ab.

Eine zeitgemäße Neuverhandlung der Kriterien aus den Neunzigern, die nicht mehr passen, ist überfällig. Die Erlaubnis monetärer Geldschöpfung ist allerdings für die EZB politisch kaum zu erwarten - wohl selbst nicht im Ausnahmefall. Möglicherweise gibt ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das vollkommen anderes bezweckt, einen Impuls.

Nicht nur von Volkswirten wird dieses Urteil kritisiert, auch von der Europäischen Kommission, die darin einen anmaßenden Verstoß gegen EU-Recht und eine Diskreditierung des Europäischen Gerichtshofes sieht.

Das Bundesverfassungsgerichtsurteil greift die Unabhängigkeit der EZB an und verlangt eine unpraktikable Beteiligung des Bundestages an Entscheidungen der EZB vor Anleihekäufen.

Deutschland ist deshalb mit einem Vertragsverletzungsverfahren konfrontiert. Ein Ausweg aus dem angerichteten Dilemma sollte auf eine Neujustierung der Bedingungen hinauslaufen, denen die EWU unterworfen ist. Politischer Druck der EU-Kommission auf Deutschland dürfte hilfreich sein.