Geld oder AfD! Wie Mietkrise und Inflation Deutschland verändern

Philipp Hahnenberg
Miethaus mit Kran

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Soziale Krisen treiben Wähler nach rechts. Geringverdiener in Städten wenden sich AfD zu. Wie zwei Studien den Trend verstehen helfen.

Die Wohnungsnot ist eine der großen Krisen Deutschlands, an der die scheidende Ampel-Koalition gescheitert ist. Vor allem in den Ballungszentren steigen die Mieten unaufhaltsam, während bezahlbarer Wohnraum zur Mangelware wird. Diese Entwicklung hat nicht nur tiefgreifende soziale und wirtschaftliche Folgen, sondern beeinflusst auch zunehmend das Wahlverhalten der Bürger. Eine aktuelle Studie zeigt nun, wie die AfD von den Ängsten der Mieter profitiert.

Steigende Mieten als latente Bedrohung

Forscher des Mannheimer Zentrums für Europäische Sozialforschung (MZES) haben dafür untersucht, wie sich das sogenannte Mietmarkt-Risiko auf die Unterstützung für die AfD auswirkt. Dabei zeigte sich: Vor allem einkommensschwache Langzeitmieter in Städten wenden sich verstärkt den Rechten zu, wenn die Mieten in ihrem Umfeld steigen – selbst, wenn sie persönlich (noch) nicht von Mieterhöhungen betroffen sind. Allein die Bedrohung durch steigende Mietkosten genügt, um das Wahlverhalten zu ändern.

"Sie empfinden steigende Mieten in ihrem Wohnumfeld als latente Bedrohung für ihren sozialen und wirtschaftlichen Status", erklärt Studienautor Denis Cohen. Die daraus resultierenden Abstiegsängste treiben sie in die Arme der Rechtsradikalen. Ein Muster, das sich mit Erkenntnissen anderer Studien deckt.

AfD punktet in Städten bei Verlierern des Immobilienbooms

Bislang erzielte die AfD ihre höchsten Zustimmungsraten vorwiegend im ländlichen Raum, wo die Mieten vergleichsweise niedrig sind. Doch Cohen und seine Kollegen sehen in den explodierenden Mieten und den damit einhergehenden Ängsten einen Grund, warum die Partei auch in den urbanen Zentren an Boden gewinnt – zumindest bei den Verlierern dieser Entwicklung.

"Die stärksten Effekte für die AfD sehen wir bei einkommensschwachen Menschen, die schon lange in Ballungsräumen wohnen, in denen die Mieten in den vergangenen Jahren besonders stark gestiegen sind", so die Forscher. Eine Erklärung dafür, warum die AfD trotz ihrer Verwurzelung in ländlichen Gebieten punktuell auch in boomenden Großstädten zweistellige Ergebnisse einfährt.

Wohnungspolitik der AfD spielt keine Rolle

Dass die AfD programmatisch keineswegs für eine mieterfreundliche Politik steht, ist für die Betroffenen offenbar zweitrangig. Entscheidend sei die Angst vor sozialem Abstieg, die von den Rechtspopulisten geschürt und kanalisiert wird. Ein Alarmsignal für die etablierten Parteien, die Nöte der Mieter ernst zu nehmen und die Wohnraumkrise entschlossen anzugehen.

Brisanz vor der Bundestagswahl

Die Erkenntnisse der MZES-Studie sind gerade im Vorfeld der Bundestagswahl brisant. Aktuelle Umfragen sehen die AfD bundesweit bei 21 Prozent – ein Rekordwert. In einigen ostdeutschen Bundesländern ist sie inzwischen klar stärkste Kraft. Auch wenn die Gründe für den Höhenflug vielschichtig sind, dürften die Folgen der Wohnungsmarktkrise eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen.

Angesichts von über 50 Prozent Mietern in Deutschland ist es für die demokratischen Parteien überlebenswichtig, überzeugende Antworten auf die Wohnraumfrage zu finden. Andernfalls droht die soziale Spaltung sich weiter zu vertiefen – und die AfD auch in den Städten neue Wähler zu gewinnen.

Krise hilft Rechten

Generell sorgt auch der Inflationsdruck zu einem deutlichen Anstieg der Stimmanteile von extremen, systemkritischen und populistischen Parteien. Der Anstieg sei vergleichbar mit der üblichen Kräfteverschiebung nach Finanz- und Wirtschaftskrisen. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie von Ökonomen des Instituts für Weltwirtschaft Kiel.

Dabei analysierten die Forscher Jonathan Federle, Cathrin Mohr und Moritz Schularick die Stimmenanteile von extremistischen und populistischen Parteien bei 365 Wahlen in 18 fortgeschrittenen Volkswirtschaften seit 1948. In Deutschland sei der Aufstieg der AfD und auch des Bündnis Sahra Wagenknecht so erklärbar.

Einer hohen Inflation folgt demnach regelmäßig ein erheblicher Anstieg der Stimmenanteile oppositioneller Parteien. Eine Inflationsüberraschung von zehn Prozentpunkten führt zu einem Anstieg ihrer Stimmenanteile um 15 Prozent bzw. 1,7 Prozentpunkte.

Die Studie belege auch, "dass die Änderung des Wahlverhaltens besonders ausgeprägt ist, wenn die Reallöhne sinken, und weniger offensichtlich, wenn die Reallöhne nicht betroffen sind", heißt es in der Zusammenfassung der Untersuchung.