Generation Z: Ein profitables Märchen unserer Zeit
Seite 2: Plakative Sprüchen und steile Thesen
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Der Psychologe Rüdiger Maas ist einer der gefragtesten Generationenforscher. 2017 gründete er zusammen mit seinem Bruder Hartwin das private Institut für Generationenforschung in Augsburg. Hartwin Maas, ein Wirtschaftsingenieur, firmiert als Zukunftsforscher.
Das Institut bietet "Keynote- und Impulsvorträge" sowie Workshops für Führungskräfte an. So können Unternehmenslenker lernen, wie sie "junge Arbeitnehmer:innen der Generation Z" für sich gewinnen, motivieren und an ihr Unternehmen binden können. Des Weiteren führt das Institut allerlei Studien und Analysen durch, um "die Arbeitswelt der Zukunft greifbar" zu machen.
Dabei findet Rüdiger Maas noch genügend Zeit, populärwissenschaftliche Bücher zu verfassen. Seine Bestseller tragen Namen wie "Generation arbeitsunfähig" (die Generation Z), "Generation lebensunfähig" (die nachfolgende Generation Alpha) oder "Konflikt der Generationen". Auch als Autor von Erziehungsratgebern hat sich Maas einen Namen gemacht.
Dubai Schokolade und Curling Eltern
Kein Wunder also, dass Medien ihn gerne befragen, wenn es mal wieder um die Jugend von heute geht. Ob es um das Abstimmungsverhalten der Erstwähler geht, das angeblich höhere Stressempfinden junger Menschen oder den Hype um Dubai-Schokolade, Maas weiß Bescheid.
Warum wählen so viele junge Männer die AfD? – Weil sie sich angeblich vorrangig aus den sozialen Medien informieren. Warum glauben viele fälschlicherweise, die jungen Leute seien heute durchwegs klimabewusst? – Weil vorgeblich eine laute Minderheit von Umweltbewegten diesen Eindruck vermittelt.
Und warum kommen manche Kinder heute mit Windeln in die Schule? – Weil statt der Helikopter-Eltern nun mutmaßliche "Curling-Eltern" ihren Kindern alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen versuchten. Maas glaubt sogar schon zu wissen, dass die Generation Beta, die seit Beginn dieses Jahres Geborenen, noch "lebensunfähiger" als die Generation Alpha sein werde.
Einfache Antworten verkaufen sich gut
Einfache Antworten verkaufen sich gut. Und sie verkaufen sich umso besser, je gravierender das Problem dargestellt wird, das sie zu lösen vorgeben. So betitelte der Spiegel einen Bericht über die Anfang Januar erschienene "Trendstudie 2025" des Instituts für Generationenforschung: "So unterschiedlich wünschen sich jüngere und ältere Generationen die Arbeitswelt".
Bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass die Unterschiede gar nicht so groß sind. Vor allem aber werden wie üblich Alters- und Periodeneffekte außer Acht gelassen. Wenn es etwa heißt, 28 Prozent der Jüngeren wünschten sich eine Viertagewoche, aber nur sieben Prozent der Babyboomer, so ist das wenig überraschend, da Jüngere auch früher schon mehr Wert auf viel Freizeit gelegt haben als Ältere.
Sehr wahrscheinlich falsch ist die Prognose des Studienleiters Hartwin Maas, womöglich werde sich der Trend, dass Jüngere sich weniger stark mit ihrem Unternehmen verbunden fühlten, "früher oder später auf die älteren Generationen" übertragen. Plausibler erscheint die Annahme, dass sich Angestellte auch künftig umso stärker mit ihrem Unternehmen identifizieren werden, je länger sie ihm angehören.
Junge Leute sind nicht arbeitsscheu
Wenig überraschend kommen staatliche Forschungsinstitute zu ganz anderen Ergebnissen. So fand der Politologe Thorsten Faas von der FU Berlin bei einer im Mai 2024 veröffentlichten Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung heraus, dass Karriere den Jüngeren wichtiger ist als den Älteren. Arbeitsplatzsicherheit und ein gutes Einkommen sind Menschen aller Generationen am wichtigsten.
Und Flexibilität und Vereinbarkeit von Familie und Beruf wünschen sich vor allem Menschen mittleren Alters, die Kinder großziehen. Zudem betont Faas, dass die Generation Z deutlich heterogener sei, als sie gemeinhin dargestellt werde. Größere Unterschiede gebe es zwischen den Geschlechtern und je nach Bildungsgrad.
Auch an dem Klischee, die jungen Leute seien arbeitsscheu, ist nichts dran. Laut einer im Februar dieses Jahres erschienenen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) gehen mehr 20- bis 24-Jährige einer Beschäftigung nach, als dies vor zehn Jahren bei dieser Altersgruppe der Fall war.
Mehr junge Leute in Arbeit
2015 waren es 69,7 Prozent, 2023 sogar 75,9 Prozent. Dieser signifikante Anstieg geht vor allem darauf zurück, dass Studenten vermehrt einen Nebenjob ausüben, aber auch die Erwerbsquote unter den Nichtstudierenden in dieser Altersgruppe ist leicht angestiegen. Dazu schreiben die Studienautoren Timon Hellwagner und Enzo Weber:
Dieser Befund widerspricht gängigen Klischees zur mangelnden Arbeitsbereitschaft der Generation Z, passt aber zu weiteren generationsspezifischen Ergebnissen. So wechseln junge Leute heute nicht häufiger den Job als früher und auch die Entwicklung der gewünschten Arbeitsstunden bei den Jungen unterscheidet sich nicht von der Älterer.
Der Fachmann staunt also nicht, nur der Laie wundert sich. Und daran wird sich wohl nichts ändern, solange Medien und Generationenforscher wechselseitig von ihren Erzählungen über die Jugend von heute profitieren.