Genetisch auf geeignete Spenderzellen getestetes Wunschkind geboren
Amerikanische Eltern haben für die In-Vitro-Fertilsation ihres zweiten Kindes die Embryos vor dem Einpflanzen getestet, ob sich mit ihren Zellen die Erbkrankheit des ersten Kindes behandeln lässt
Auch wenn dies möglicherweise schon gemacht wurde, so ist doch wahrscheinlich jetzt erstmals bekannt geworden, dass Embryos vor dem Einpflanzen in die Gebärmutter mittels der genetischen Präimplantationsdiagnostik (PID) auf bestimmte Eigenschaften getestet wurden. Dabei ging es nicht nur um die Selektion eines Embryos, sondern dieser wurde ausgewählt, um durch seine Existenz einem anderen Menschen zu helfen. Ein erster Schritt zu Ersatzmenschen oder zu lebendigen Organbanken?
Der Fall ist einfach und eigentlich, wie so viele im Bereich der Bio- und Gentechnologien, wenn sie beim Menschen zur Behandlung zum Einsatz kommen, verständlich und oberflächlich wenig aufsehenerregend. Aber die Veränderung unserer Einstellung zum menschlichen Körper und womöglich auch zum menschlichen Leben, zu dem, was nicht nur gemacht werden kann oder wünschenswert ist, sondern auch gemacht werden soll, vollzieht sich in kleinen Schritten, die erst allmählich ein Gesamtbild ergeben: wenn die zu Potemkinschen Dörfern gewordenen Fassaden der alten Einstellungen schließlich ganz wegbrechen oder der Hegelsche Maulwurf durch die Erde stößt.
Am 29. August wurde Adam geboren, das Kind eines Ehepaars aus Englewood, Colorado. Ärzte verwendeten seine Nabelschnur, um daraus Zellen zu entnehmen, die sie am 26. September in das Blut von seiner 6jährigen Schwester Molly injizierten. Just um diese Transplantation vorzunehmen, wurde Adam ausgewählt und zur Welt gebracht, denn seine Schwester leidet unter einer Anämie, einer Erbkrankheit, aufgrund derer die Erzeugung von Knochenmarkszellen schwer gestört ist. Kinder mit solch einer Erkrankung, die zur Schwächung des Immunsystems und zur Anämie führt, sterben für gewöhnlich bis zum siebten Lebensjahr an Leukämie oder anderen Krankheiten. Die einzig wirklich wirksame Behandlung wäre die Zuführung gesunder Zellen von einer Schwester oder einem Bruder, um die kranken Zellen zu ersetzen. Und hier kommt Adam ins Spiel.
Bei Erbkrankheiten kann man mit der PID feststellen, wenn Eltern ein weiteres Kind durch In-Vitro-Fertilisation wünschen, ob Embryos ebenfalls diese Krankheit haben. Im Fall von Adam wurde getestet, ob seine Zellen die Eigenschaften besitzen, die zur Behandlung von Molly erforderlich sind. Angeblich wollten die Eltern, so berichtet die Washington Post, schon lange nach Molly ein weiteres Kind, aber aus Angst, dass auch dieses wieder mit der Erbkrankheit geboren würde, hätten sie bislang darauf verzichtet. Als sie jedoch von der der PID-Technik erfuhren, hatten sie bereits vor einigen Jahren versucht, ein Kind durch In-Vitro-Fertilisation zu bekommen, wobei die Embryos zunächst auf das Vorhandensein der Krankheit von Molly getestet wurden. Schon damals gestattete die Mutter den Ärzten, die Embryos auch daraufhin zu prüfen, ob ihre Zellen für Molly geeignet wären. Das aber sei bislang nicht der Fall gewesen. Vier Mal haben sie es dann noch mit der In-Vitro-Fertilisation versucht, ohne dass es zu einer erfolgreichen Einpflanzung in die Gebärmutter gekommen sei.
Beim fünften Versuch im letzten Jahr erwiesen sich dann zwei der 15 Embryos des Paars als frei von der Erbkrankheit und als geeignet für Molly. Das klingt natürlich schon so, als hätten es die Eltern von Anfang an darauf angelegt, zumindest den Wunsch nach einem zweiten Kind mit der Rettung des ersten zu verbinden. Jedenfalls sei nur einer der selektierten Embryos gesund genug gewesen, um in die Gebärmutter eingepflanzt zu werden, was also einen weiteren Selektionsschritt bedeutet. Und dieses Mal nistete sich der Embryo ein.
Nach der Geburt also wurde aus der begehrten Nabelschnur, dem erwünschten (Neben)Produkt des (Wunsch)Sohns, Zellen entnommen. Experimente haben gezeigt, dass Zellen aus der Nabelschnur genauso wie transplantierte Knochenmarkszellen in das Knochenmark des Empfängers wandern und dort dann gesunde Zellen herstellen. Rührend erzählt die Mutter, dass Molly Adam auf ihrem Schoß hielt, während die Zellen aus der Nabelschnur entnommen wurde: "Das war die erhabenste und denkwürdigste Erfahrung unseres Lebens, obgleich alles so einfach war. Man sollte denken, dass es Blitz und Donner gegeben hätte, aber es blieb alles ruhig." Molly hat die Transplantation bislang ohne Komplikationen überstanden. Da Adam kein geklonter Doppelgänger von ihr war, musste ihr Immunsystem wie üblich durch Bestrahlung und Chemotherapie unterdrückt werden, um eine Abstoßung der fremden Zellen zu verhindern.
Charles Strom, Direktor für medizinische Genetik am Illinois Masonic Medical Center, wo der PID-Test durchgeführt wurde, rechtfertigt das Vorgehen: "Wir wussten, dass die Zeit knapp wird." Jetzt habe Molly eine Chance zwischen 85 und 90 Prozent, der Krankheit nicht mehr zum Opfer zu fallen. Auf die Frage, ob Adam, ein Designer-Kind, nicht aufgrund moralisch verwerflicher Gründe auf die Welt kam, sagt er: "Menschen bekommen aus allen möglichen Gründen KInder: um eine auseinander fallende Ehe zu retten, um auf dem Hof der Familie zu arbeiten, um den Familiennamen zu erhalten. In diesem Rahmen ist das das Kind, das unter denjenigen, denen ich begegnet bin, am meisten gewünscht wurde. Sie lieben dieses Kind abgöttisch."
Es hat ja auch womöglich ihr erstes Kind gerettet. Gleichwohl wird man erwarten können, dass immer mehr Eltern dann, wenn es die entsprechenden Tests gibt, den Kindern mit irgendwelchen gewünschten Eigenschaften den Vorzug geben werden. Und dieses Recht wird man ihnen, wenn sie die Option haben, auch nicht mehr endgültig durch Verbote aus den Händen nehmen können. Möglicherweise haben die Eltern den Namen ihres Sohns mit Bedacht gewählt: er könnte der Beginn der künftigen Designer-Kinder stehen.
In Deutschland ist die Präimplantationsdiagnostik noch verboten. Die Gesundheitsministerin Fischer hatte im Mai Symposium "Fortpflanzungsmedizin in Deutschland" veranstaltet, bei dem diskutiert wurde, ob nicht das Embryonenschutzgesetzt angesichts der vielversprechenden Forschung mit Stammzellen verändert und die Präimplantationsdiagnostik eingeführt werden soll (Gentests an Embryonen und Stammzellenforschung).