Genitalverstümmelung in Deutschland: 17.000 Mädchen durch FGM gefährdet

Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass 25 Prozent der Betroffenen weltweit die rituelle Körperverletzung nicht überleben. Symbolbild: günter / Pixabay Licence

In Deutschland leben über 17.000 Mädchen mit dem Risiko der Genitalverstümmelung. Diese grausame Praxis bleibt oft im Verborgenen. Was Experten fordern.

Nach Angaben der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes leben mittlerweile mehr als 100.000 Mädchen und Frauen mit Migrationsgeschichte, die an den Genitalien beschnitten wurden. Die meisten haben das blutige Ritual vor ihrem 15. Geburtstag erlebt.

Als Kind unter dem Messer: Die Geschichte von Waris Dirie

Manche sind zum Zeitpunkt des Eingriffs erheblich jünger. Die heute 58-jährige Waris Dirie, deren Autobiografie "Wüstenblume" inzwischen berühmt ist, war etwa erst fünf Jahre alt, als sie in Somalia beschnitten wurde.

Die versteckte Gefahr in Deutschland

Aber nicht alle Betroffenen werden im fernen Ausland Opfer der Zeremonie, hinter der die Vorstellung steckt, unbeschnittene Frauen seien "unrein". Terre des Femmes geht davon aus, dass derzeit mehr als 17.000 Mädchen, die in Deutschland leben, potenziell gefährdet sind.

"Wir wollen daher die Aufklärung über weibliche Genitalverstümmelung gemeinsam mit Partnerorganisationen vorantreiben", sagte Edell Otieno-Okoth, Expertin bei der Kinderrechtsorganisation Plan International, laut einem Bericht des Deutschen Ärzteblatts im Vorfeld des Internationalen Tages gegen weibliche Genitalverstümmelung, der am 6. Februar begangen wird.

Über 200 Millionen Betroffene: Die erschütternde Wahrheit

Nach aktuellen Angaben des UN-Kinderhilfswerks Unicef sind weltweit mehr als 200 Millionen Frauen in 31 Ländern primär Afrikas, aber auch in migrantischen Communitys in Westeuropa von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen. Dabei gibt es unterschiedliche Schweregrade: Teilweise werden außer der Klitoris auch die inneren Schamlippen ohne Betäubung entfernt.

Nach Schätzung der Weltgesundheitsorganisation überleben weltweit rund 25 Prozent den Eingriff oder die Folgen nicht – zu desaströs sind in einigen Ländern auch die hygienischen Bedingungen.

Seit mittlerweile 20 Jahren setzt sich Plan International in mehreren Ländern Afrikas – darunter Ägypten, Äthiopien, Burkina Faso, Guinea, Guinea-Bissau, Mali und Sierra Leone – gegen die traditionelle Körperverletzung ein. Ein Handbuch für Betroffene wird auf Englisch, Französisch und Arabisch angeboten.

Warum Bildung und Aufklärung entscheidend sind

In Deutschland bieten rund 50 Beratungs- und Anlaufstellen in den einzelnen Bundesländern Unterstützung für bereits geschädigte und gefährdete Mädchen und Frauen an.

Ebenso wichtig sei es, Fachkräfte aus dem Gesundheits- und Sozialbereich – wie Hebammen, Kinderärztinnen oder Sozialarbeiterinnen – zu informieren und sie für den Umgang mit Gefährdeten und Betroffenen zu sensibilisieren, betont Otieno-Okoth.

"Das Thema weibliche Genitalverstümmelung muss darum schon in der Ausbildung aller Fachkräfte im Gesundheits- und Sozialbereich auf den Lehrplan."

Finanzielle Hürden im Kampf gegen FGM

Allerdings setzt das deutsche Gesundheitssystem mit seinen Sparvorgaben engagierten Fachärztinnen enge Grenzen: Die Praxis der Münchner Gynäkologin Eiman Tahir stand deshalb 2022 vor dem Ruin.

Die Kassenärztliche Vereinigung Bayern wollte plötzlich 130.000 Euro von ihr, weil der Verdacht im Raum stand, dass sie falsch abgerechnet habe. Tatsächlich habe sie mehr Zeit und Einfühlungsvermögen für die Behandlung beschnittener Patientinnen aufgewendet, als die Krankenkassen bezahlen wollen.

So erklärte es die Aktivistin Fadumo Korn, die eine Crowdfunding-Kampagne zur Rettung der Praxis gestartet hatte, laut einem Bericht der Augsburger Allgemeinen im Dezember 2022. Im April 2023 verlor die Praxis ihre Räumlichkeiten am Karlsplatz-Stachus im Münchner Zentrum und musste ins Olympiadorf umziehen.

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