Genosse Mugabe am Ende des Weges?
Simbabwe schlittert in die Diktatur. Dem Land droht Ausschluss aus dem Commonwealth und EU-Sanktionen
Es ist noch nicht allzu lange her, da war Robert Mugabe ein gefeierter Held des Befreiungskampfes gegen westliche Kolonialmächte. Seine intellektuellen Qualitäten, sein Verzicht auf Rache gegen die ehemaligen kolonialen Unterdrücker sowie Errungenschaften im Bereich der Bildung und Gesundheit in Simbabwe verschafften Mugabe hohes Ansehen in benachbarten afrikanischen Ländern und in linken und liberalen Kreisen im Westen. Doch spätestens seit der gescheiterten Verfassungsreform im Jahr 2000 und den Besetzungen der Ländereien weißer Farmer durch Kriegsveteranen (aus dem Befreiungskrieg 1972 - 80) wird er als alternder Despot gesehen, der nicht von der Macht lassen will und diese mit zunehmend tyrannischen Methoden verteidigt. Gesetzesentwürfe, die diese Woche durch das Parlament gepresst werden sollen, drohen die Demokratie in Simbabwe endgültig zum reinen Vorwand für die absolute Herrschaft Mugabes und seiner ZANU-PF-Partei zu machen.
Seit dem 11.September hat die Welt - wenn man als "die Welt" den Brennpunkt der westlichen Medienöffentlichkeit versteht - anderes zu tun, als sich um die Verschlechterung der Lage in einem Land im südlichen Afrika zu kümmern. Zuvor war die Welt recht besorgt um die Entwicklungen in Simbabwe gewesen, wobei die Besorgnis hauptsächlich dem Schicksal sogenannter weißer Farmer galt. Etwas weniger Aufmerksamkeit wurde dem Schicksal von Politikern und Aktivisten der Oppositionspartei Movement for Democratic Change (MDC) entgegengebracht. Diese, überwiegend Schwarze, waren beständigem Druck organisierter Mobs ausgesetzt, wurden verprügelt, entführt, willkürlich verhaftet und manchmal ermordet. Seit dem 11.September werden Oppositionelle von Mugabe als Terroristen bezeichnet und ganz im internationalen Trend gilt: "für mich oder gegen mich".
Am Mittwoch dem 8.Januar wurde von Mugabe bekannt gegeben, dass Anfang März Präsidentschaftswahlen stattfinden werden, was die Lage für Anhänger der Oppositionspartei sicher nicht einfacher machen wird. Simbabwes Militärchef Vitalis Zvinavashe hat nämlich zugleich angekündigt, dass die Armee keinen Präsidenten akzeptieren würde, der "die Errungenschaften der Revolution rückgängig machen würde". Dass es dazu kommt, dass ein solcher Präsident gewählt wird, ist ausgesprochen unwahrscheinlich, wenn wie geplant diese Woche mehrere neue Gesetze verabschiedet werden.
Ein "Informationsgesetz" sieht vor, die Arbeit ausländischer Journalisten in Simbabwe zu verbieten. Ausländische Medien können in Simbabwe nur mehr Inländer als Korrespondenten beschäftigen und ihre Tätigkeit bedarf einer Erlaubnis durch die Regierung. Die BBC darf bereits jetzt in Simbabwe nicht mehr filmen. Aber auch inländische Journalisten müssen für ihre Tätigkeit eine Lizenz beantragen, die einmal im Jahr erneuert werden muss. Eine freie Berichterstattung wird unter diesen Umständen kaum noch gewährleistet werden können. Die International Federation of Journalists hat dagegen bereits im November Protest eingelegt und sich diese Woche erneut an die EU gewandt, um sie zu Sanktionen gegen Simbabwe aufzufordern.
Ein Gesetz über die "Öffentliche Ordnung und Sicherheit" wird von Kritikern als schlimmer als die Apartheid-Gesetze Südafrikas bezeichnet. Es macht es zur Straftat, die "Autorität des Präsidenten zu unterminieren", "Feindseligkeit" gegen ihn "zu hegen" oder "obszöne" oder "falsche" Aussagen über den Präsidenten zu machen. Die Polizei kann öffentliche Versammlungen auflösen, wann immer sie das für wünschenswert hält.
Neue Wahlverordnungen machen die Registrierung von Wählern schwieriger, die nicht beweisen können, dass sie seit einem Jahr am selben Ort leben. Das trifft vor allem Bewohner städtischer Slums und armer ländlicher Gebiete, die wiederum einen Nährboden für die Opposition bilden. Ein Zusatz zum "Labour Relations Act" macht Streiks, die ohne Zustimmung des Präsidenten stattfinden, illegal.
"Sie haben Simbabwe niemals als ein souveränes Land behandelt"
Während der Rest der Welt Simbabwe mehr oder weniger ignoriert, gewinnt in den britischen Medien seit Wochen eine Anti-Mugabe-Kampagne an Fahrt. Der britische Außenminister Jack Straw forderte kürzlich, Simbabwes Mitgliedschaft im Commonwealth of Nations solle suspendiert werden. Allerdings ging Straw dabei etwas diplomatischer vor als ein Unter-Minister seines Vorgängers Robin Cook. Peter Hain, unter Cook für Afrika zuständig, inzwischen zum Minister für Europa befördert, hatte 1998 Mugabe in überaus deutlichen Worten angegriffen und damit eine drastische Verstimmung zwischen dem ehemaligen Empire und der ehemaligen Kolonie eingeleitet. Hain hatte sich auf den moralischen Hochsitz geschwungen und Simbabwe über demokratische Werte belehrt. Genau dazu aber, so sehen es Mugabe und seine Anhänger, haben insbesondere die Briten absolut kein Recht. Vorhersehbar daher auch die Reaktion auf Straws Drohung bezüglich Commonwealth-Ausschluss: "Sie haben Simbabwe niemals als ein souveränes Land behandelt," wurde Informationsminister Jonathan Moyo in der regierungstreuen Zeitung Herald zitiert. Im selben Atemzug erneuerte er den Vorwurf, die Opposition werde von Großbritannien finanziert.
In der Tat sollte man britische Presseberichte über Mugabe und Simbabwe nur mit äußerster Vorsicht goutieren. Deutschsprachige Medien, wenn sie überhaupt etwas über Simbabwe schreiben, übernehmen leider meist kritiklos die britische Linie. Doch wann konnten sich britische Medien jemals für einen afrikanischen marxistischen Revolutionär begeistern, der noch dazu stärker von Mao als von Lenin inspiriert ist? Nur Mandela, mit seiner ausgesprochen konziliatorischen Linie und einem auf neoliberale Linie gebrachtem ANC hinter sich, konnte zum Liebling der Medien werden. Aber selbst für Mandela wurde noch Anfang der achtziger Jahre von der Jugendfraktion der britischen Konservativen die Todesstrafe gefordert. Mugabe wurde, vor allem von den britischen Konservativen, seit jeher als ein die Weißen hassender, wahnwitziger Kommunist betrachtet, den man standrechtlich hätte erschießen sollen, als es noch möglich war.
So werden die Beziehungen zu Simbabwe von einer britischen Doppelmoral geprägt, wobei scheinheilige moralische Argumente den Umstand verschleiern sollen, dass das Hauptproblem des Landes, die Verteilung des Grundbesitzes, ein direktes Vermächtnis der Kolonialherrschaft ist. Die Geschichte des weißen Landraubs zieht sich von der Gründung der British South Africa Company (BSAC) durch Cecil John Rhodes im Jahr 1889 über die Schaffung erster Reservate 1898 (nach zwei verlorenen Befreiungskriegen) bis hin zu den sogenannten "kommunalen Ländereien", in denen auch heute noch die Mehrheit der schwarzafrikanischen Bauern ihr Dasein fristet und die überwiegend aus klimatisch benachteiligten Gebieten bestehen. Die Bevölkerung Simbabwes wird offiziell mit etwas unter 12 Millionen angegeben, wovon 98% schwarz sind, 0.8% weiß und der Rest Inder oder gemischt. 70% des fruchtbarsten Landes befinden sich immer noch im Besitz von ca. 4000 weißen Farmern, wobei eine Farm durchschnittlich 2000 Hektar groß ist.
Sieht man sich diese weißen "Farmer" einmal etwas näher an, um welche die britischen und deutschen Medien so besorgt sind, so ist der Begriff "Farmer" - also "Landwirt" - wohl etwas irreführend. Der Begriff Großgrundbesitzer erscheint eher angebracht. Viele der Farmen gehören noch dazu multinationalen Konzernen oder superreichen Familien wie der südafrikanischen Familie Oppenheimer (ebenfalls im Besitz von Diamant- und Goldminen). Nicht übersehen werden sollte, dass diese "Farmer" oft weite Teile ihrer Ländereien brachliegen lassen, bestes Ackerland als Weide für Rinderherden verwenden oder gleich jede landwirtschaftliche Tätigkeit bleiben lassen und ihre Ranches als private Wildparks für Safari-Jäger und andere Touristen betreiben. Der typische Farmer und seine Familie lebt auf einem riesigen Haus im Kolonialstil mit Klimaanlage und Swimming Pool und schickt seine Kinder auf englische Privatschulen.
Es ist also kein Wunder, dass das Thema Grund und Boden das eigentliche Thema in Simbabwe ist. Überraschenderweise hat sich seit dem Erreichen der Unabhängigkeit 1979 und dem Beginn der Regierung Mugabe 1980 die Situation nicht verbessert, sondern noch verschlechtert. Warum also hat der seit mehr als 20 Jahren regierende Mugabe nicht schon viel früher eine Landreform begonnen?
Der heikle Punkt an der Sache war immer schon die Legalität der Landreform. Bei den Verahndlungen über die Unabhängigkeit in Lancaster House in London wurde von der Regierung Thatcher eine Klausel erwirkt, die eine zehnjährige Sperre für Landverkäufe gegen den Willen von Eignern vorsah. Im Gegenzug dafür wurden finanzielle Mittel für Kompensation und Wirtschaftsförderung versprochen. Wie es sich ergab, hatten die weißen Farmer kein Interesse zu verkaufen oder nur zu Preisen, welche sich der Staat nicht leisten konnte. Als die Sperrfrist 1990 abgelaufen war, begann eine zögerliche Landreform, die dadurch gebremst war, dass Mugabe vor Enteignungen zurückschreckte und nach den Regeln zu spielen versuchte. Simbabwe befand sich damals in einer Phase der wirtschaftlichen Öffnung. In Zusammenarbeit mit International Monetary Foundation und Weltbank wollte man ausländische Investoren gewinnen. Doch der IMF diktierte Bedingungen: keine Enteignungen weißer Farmer. Die wirtschaftliche Öffnung nach neoliberalem Rezept brachte in den ersten Jahren zwar ein wenig Aufschwung, gab jedoch der Landreform keine Chance und zementierte damit die fundamentale wirtschaftliche Ungerechtigkeit in Simbabwe.
Bei den Unabhängigkeitsverhandlungen hatte sich die britische Regierung bereit erklärt, einen Betrag (die Angaben schwanken, zwischen 25 und 40 Millionen Pfund) für die Landreform beiseite zu legen. 1998 wurde von westlichen Ländern, multinationalen Institutionen und den Regierungen von Simbabwe und Großbritannien ein Plan für die lange überfällige Landreform ausgearbeitet. Die Briten und Geberinstitutionen wollten Geld bereitstellen, das einerseits als Entschädigung an Landbesitzer gezahlt werden sollte, andererseits für Infrastruktur wie Straßen, Strom, Wasser, Schulen und andere Einrichtungen dringend nötig war. Doch die Gelder materialisierten sich nicht oder zu langsam und die unkontrollierten Landnahmen durch die sogenannten Kriegsveteranen begannen. Die britische Regierung verweigert bis heute Zahlungen auf der Basis, dass die Art der Landreform illegal sei und spielt sich als Lehrmeister in Sachen Demokratie gegenüber der ehemaligen Kolonie auf.
Das Klima zwischen Simbabwe und Großbritannien wurde immer schlechter in dem Maße, wie Mugabe die Idee einer vom Westen als legitim empfundenen Landreform aufgab und die Dinge in die eigenen Hände zu nehmen begann. Ab diesem Zeitpunkt wurde Mugabe zum Buhmann und die Opposition nahm einen ungeahnten Aufschwung. Seither häufen sich auch die persönlichen Vorwürfe gegen Mugabe. Doch diese scheinen hauptsächlich auf der Verärgerung darüber zu beruhen, dass Mugabe eben gerade nicht so ist, wie der typische afrikanische Tyrann. Mugabe trinkt nicht, raucht nicht und pflegt einen spartanischen Lebensstil. Auch wenn seine Regierung von Korruption gebeutelt wurde, so hat er sich selbst nie zu bereichern versucht wie etwa ein Mobutu Seke. Selbst seine Gegner bescheinigen ihm eine zutiefst moralische Lebensauffassung. Gerade das kann ihm wohl das weiße britische Establishment nicht verzeihen.
In einem überwiegend feindseligem Presseklima lieferte der schwarze englische Journalist Gary Younge im vergangenen Herbst eine der wenigen löblichen Ausnahmen. Unter dem Artikel "Comrade Bob" zeichnet er die Vita das Präsidenten nach. Ohne Mugabes zunehmenden Hang zum Totalitarismus zu entschuldigen, zeichnet er ein komplexeres, menschlich verständliches Bild. Younge kommt zu dem Schluss, dass es Mugabe in seinem fortgeschrittenem Alter, er ist 77, vor allem darum geht, wie sein Vermächtnis aussehen wird. An der Verfassungsreform ist er gescheitert, so bleibt nur noch die Landreform, mit der er sich seinem Volk in bleibend gute Erinnerung rufen will.
Britische Doppelmoral
Angesichts der kolonialen Vorgeschichte ist es absurd, wenn die britische Presse Robert Mugabe vorwirft, er würde "die Rassenkarte" ausspielen, aus der Landfrage "politisches Kapital" zu schlagen versuchen oder sich des "Landraubs" schuldig machen. Rassismus und Landraub, das genau haben die Briten 110 Jahre in Simbabwe betrieben. Mit moralischen Beurteilungen Simbabwes sollten sie sich besser ganz zurück halten, endlich die versprochenen Gelder für die Landreform auszahlen und das ohne ständig neue Bedingungen zu stellen. Den Farmern und ihren Familienangehörigen, 25.000 an der Zahl, wurde ohnehin Repatriierung im grünen Albion versprochen.
Das genau wiederum - ein sicherer Hafen auf den britischen Inseln - wird den in Simbabwe verfolgten Anhängern der (britisch unterstützten) Oppositionspartei MDC verweigert. Etwa 160 Oppositionelle suchen durchschnittlich pro Monat in Großbritannien um politisches Asyl an. Doch die Chancen, dieses zu erhalten, sind minimal. Asylsuchende aus Simbabwe werden in einem sogenannten Fast-Track-Verfahren behandelt. Das heißt, sie werden in einem Lager interniert und innerhalb weniger Wochen wieder zurück abgeschoben, obwohl ihnen dort Folter und Mord drohen. Während also das britische Außenministerium die anti-demokratischen Praktiken der Regierung Mugabe kritisiert, bereitet das Innenministerium derselben britischen Regierung gerade wieder die Abschiebung einer Gruppe von politischen Flüchtlingen aus Simbabwe vor.