Geothermie 2.0: Wie Öl-Technologie die Energiewende beschleunigt

Matthias Lindner
Grafische Darstellung der Geothermie.

Geothermie galt lange als Energiequelle mit begrenztem Potenzial. Neue Bohrtechniken aus der Ölindustrie könnten das nun ändern.

Tief unter unseren Füßen schlummert ein gigantisches Energiepotenzial: heiße Tiefenreservoirs, die rund um die Uhr Wärme liefern könnten. Bisher war die Nutzung dieser Geothermie jedoch auf wenige Regionen mit jungem Vulkanismus beschränkt, wie Japan, Neuseeland oder Island. Der Grund: Konventionelle Geothermiekraftwerke benötigen heißes, durchlässiges Gestein und viel Wasser im Untergrund.

Neue Bohrtechniken erschließen mehr Regionen für die Geothermie

Doch jetzt könnte sich das ändern. Auf dem 50. Stanford Geothermal Workshop, zu dem sich Anfang des Monats über 450 Experten aus 28 Ländern trafen, war die Begeisterung für "Enhanced Geothermal Systems" (EGS) groß. Diese Technologie, die ursprünglich für Ölfelder entwickelt wurde, verspricht, die Erdwärme auch in weniger günstigen Regionen anzuzapfen.

Zu den angepassten Techniken gehören Horizontalbohrungen und das sogenannte Fracking, bei dem Flüssigkeiten unter hohem Druck in tiefe Bohrlöcher gepumpt werden, um Risse im Gestein zu erzeugen oder zu erweitern. Auch synthetische Diamantbohrer, die sich effektiv durch hartes Gestein fressen, haben sich als entscheidend erwiesen. Sie ermöglichen es, einen neuen geothermischen Brunnen innerhalb weniger Wochen statt Monaten fertigzustellen.

"Schnellere Bohrungen machen einen enormen Unterschied für die gesamte Wirtschaftlichkeit von EGS aus", betont Roland Horne, Professor für Energiewissenschaft und -technik an der Stanford Doerr School of Sustainability. Er schätzt, dass verbesserte geothermische Systeme durch die schnelleren Bohrraten bis 2027 in weiten Teilen der USA wettbewerbsfähig werden könnten.

Geothermie heute: Weniger als ein halbes Prozent des weltweiten Strommixes

Dabei hat die Geothermie noch viel Aufholbedarf. Zwar trägt sie in einigen Ländern wie Kenia bereits bis zu 45 Prozent zur Stromversorgung bei. Weltweit macht sie jedoch immer noch weniger als ein halbes Prozent aus – Solar- und Windenergie steuern mehr als 25-mal so viel bei.

Mit EGS könnte sich das ändern. Für Kalifornien etwa, das derzeit knapp fünf Prozent seines Stroms aus Geothermie bezieht, schätzen Experten, dass sich die geothermische Kapazität bis 2045 auf 40 Gigawatt verzehnfachen und fossile Brennstoffe für die Grundlast ersetzen könnte. Auf diese Weise würde EGS die intermittierenden erneuerbaren Energien Wind und Sonne ergänzen und die Stabilität eines dekarbonisierten Stromnetzes erhöhen.

Fracking birgt Risiko von Erdbeben – Vorbeugung ist möglich

Doch die Technologie birgt auch Risiken. Wie beim Fracking von Öl und Gas kann das Aufbrechen von tiefem Gestein Erdbeben auslösen. Eine naheliegende Möglichkeit, das Risiko zu mindern, ist daher eine sorgfältige Standortwahl abseits von erdbebengefährdeten Zonen.

Auch eine kontinuierliche seismische Überwachung mit einem sogenannten Ampelprotokoll kann helfen: Tritt ein Erdbeben einer bestimmten Stärke auf, verlangsamen die Betreiber ihre Bohrungen. Größere seismische Ereignisse stoppen alle Bohrungen und veranlassen eine Überprüfung.

Schließlich kann auch eine angepasste Bohrtechnik die Risiken mindern: Indem man viele kleinere Risse erzeugt, anstatt nur wenige massive, lässt sich die Wahrscheinlichkeit größerer Beben deutlich reduzieren. "Ein tropfenweiser statt eines schubweisen Ansatzes kann das Risiko und das Ausmaß der induzierten Seismizität erheblich reduzieren", so Horne.