Geothermie soll Europas Energiekrise lösen
EU setzt verstärkt auf Geothermie als Alternative zu Wind und Solar. Fraglich ist, ob Erdwärme das Versprechen einer stabilen Energieversorgung erfüllen kann.
Fehlende Sonne und Wind, die Dunkelflaute, lässt die Stromerzeugung durch Solar- und Windkraftanlagen einbrechen. Der Strompreis schießt am Markt daraufhin kräftig nach oben.
Dies trifft Privatkunden nicht direkt, weil sie traditionell langfristige Lieferverträge mit ihren jeweiligen Stromhändlern haben. Für Sondervertragskunden, die ihren Strom kurzfristig einkaufen, werden die Preissprünge allerdings zunehmend zum Problem.
Privatkunden setzen sich mit den ab kommendem Jahr geplanten dynamischen Tarifen allerdings den teilweise spontanen Bewegungen am Markt aus, die das Preisrisiko vom jeweiligen Stromanbieter auf sie verlagern werden. Ob sich das für die privaten Endkunden wirklich lohnt, wenn sie hochpreisige Phasen nicht mit einem eigenen Stromspeicher überbrücken können, darf bezweifelt werden.
Der viel gerühmte Markt ist heutzutage meist schneller als die meisten Industriekunden reagieren können. Wenn jetzt politisch gefordert wird, der Industrie einen dauerhaft niedrigen Strompreis zu garantieren und den Markt für die Industrie auszuschalten, muss auch geregelt werden, wer für die Differenz aufkommt.
Da solche konsumptiven Kosten nicht über Kredite finanziert werden dürfen und Steuererhöhungen derzeit nicht opportun sind, müssen die Ausgaben des Staates in anderen Bereichen gekürzt werden.
Bei Strommangellagen aufgrund fehlender Sonneneinstrahlung oder fehlendem Windangebot können Gaskraftwerke einspringen und den Bedarf decken.
Die Finanzierung ihrer Bau- und Infrastrukturkosten sowie die Sicherung des benötigten Brennstoffs fallen jedoch auch an, wenn sie keinen Strom liefern können, weil der Markt von den Erneuerbaren mehr als ausreichend bedient wird und im Extremfall an der Börse negative Preise erzielt werden.
Alternativen für grundlastfähige Stromerzeugung ohne CO2
Daher sucht die EU inzwischen nach Möglichkeiten, Energiequellen zu erschließen, die weder von den Launen der Natur abhängig sind, noch mit einem gewaltigen CO2-Fußabdruck verbunden sind. Sie sollen dabei auch mit verfügbarer Technik genutzt werden können. Fusionskraftwerke fallen dabei aus dem zeitlichen Rahmen, weil deren Verfügbarkeit hierzulande nicht abschätzbar ist.
Somit fordert der Europäische Rat eine schnellere Einführung der Geothermienutzung und hat am 16. Dezember dieses Jahres die Schlussfolgerungen zur Förderung der Geothermie angenommen.
Bei der Geothermie handelt es sich um Energie, die aus der natürlichen Wärme des Erdinneren gewonnen wird. Die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates unterstreichen das Potenzial der Geothermie als lokale erneuerbare Energiequelle.
Geothermie kann für kostengünstiges und sicheres Heizen und Kühlen genutzt werden und eine stabile Stromversorgung gewährleisten. Daher kann sie den Energieverbrauch von Gebäuden dekarbonisieren und die Industrie wettbewerbsfähiger und nachhaltiger machen.
Der Rat fordert daher eine möglichst schnelle Einführung der Geothermienutzung, indem er Maßnahmen zu ihrer Förderung vorschlägt oder anpasst, darunter einen leichteren Zugang zu Finanzmitteln, um die hohen Vorlaufinvestitionskosten zu decken.
Geothermie ist aus Sicht des Europäischen Rates eine langlebige und immer verfügbare erneuerbare Energiequelle, da sie nicht von Wetterereignissen abhängig ist und rund um die Uhr Strom und Wärme erzeugen kann. Sie soll somit einen reibungslosen Übergang zu einem kohlenstofffreien Europa gewährleisten, die Wettbewerbsfähigkeit der EU stärken und die Energiesouveränität sichern.
In den jetzt veröffentlichten Schlussfolgerungen fordert der Rat die Kommission auf, eine umfassende Strategie zur Dekarbonisierung von Wärme und Kälte auszuarbeiten. Diese Strategie sollte von einem europäischen Aktionsplan für Geothermie mit konkreten Maßnahmen zur Beschleunigung des Einsatzes geothermischer Energie begleitet werden.
Der Rat fordert die Mitgliedstaaten zudem auf, ihre Vorschriften zu vereinfachen, um die Nutzung geothermischer Energie zu erleichtern, und auch Genehmigungen für geothermische Anlagen schneller zu erteilen und die mit Bohrungen und Explorationen für geothermische Anlagen verbundenen Risiken anzugehen.
Gefördert werden soll auch der Bau geothermischer Infrastrukturen, wie Fernwärmenetze. Der Europäische Rat folgt damit der deutschen Politik, die eine Dekarbonisierung der Fernwärmenetze vorsieht.
Zudem werden Maßnahmen vorgeschlagen, um die Kapazität der europäischen Industrien in den Bereichen Bohrung, Bau und Geräteherstellung zu erhöhen. Sie sehen auch eine von der Kommission einzurichtende Europäische Geothermie-Allianz vor, die politische Entscheidungsträger, Industrie und Investoren zusammenbringen soll, um Engpässe zu erkennen und Maßnahmen für einen stärkeren Einsatz geothermischer Energie zu ergreifen.
Netto-Null-Industrie der EU geplant
Die am 13. Juni 2024 verabschiedete „Verordnung (EU) 2024/1735 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juni 2024 zur Schaffung eines Rahmens für Maßnahmen zur Stärkung des europäischen Ökosystems der Fertigung von Netto-Null-Technologien“ zielte darauf ab, der EU den Zugang zu einer sicheren und nachhaltigen Versorgung mit Netto-Null-Technologien, einschließlich Geothermie, zu verschaffen.
Die Geothermie soll zu einer bedarfsgesteuerten Quelle emissionsarmer Elektrizität werden, die zur Flexibilität und Belastbarkeit des Stromnetzes beitragen könnte. Trotz der Vorteile der Geothermie und ihrer Rolle bei der Dekarbonisierung des Energiesektors als ausgereifte Netto-Null-Technologie bleibt das Potenzial der Geothermie bislang größtenteils ungenutzt.
So machte Geothermie im Jahr 2021 nur 2,8 Prozent der erneuerbaren Energiequellen aus, die in der EU zur Erzeugung von Primärenergie genutzt wurden. Auch weltweit deckt Geothermie bislang weniger als 1 Prozent des weltweiten Energiebedarfs.