"Germanen versus Slawen"

Seite 2: Antislawismus, "Vertierung" und "asiatische Horden"

Staatliche Stellen, Parteigliederungen, Wehrmacht, Schulwesen und auch die Kirchen sorgten ab Juni 1941 auf unterschiedliche - oft widersprüchliche - Weise für die Mobilisierung bzw. Reaktivierung von Feindbildern im Dienste des germanischen Drangs nach Osten.

Den "jüdischen Bolschewismus", der in der Zeit des Paktes mit Stalin kein erwünschtes Zeitungsthema gewesen war, musste man nicht neu erfinden. Die Juden waren aller Welt Unglück. Wegen Kommunistenblut hatten deutsche Militärs, anständiges Bürgertum und Fromme auch noch nie Tränen vergossen.

Die bolschewistische Herrschaft - so die Botschaft der Abendland-Retter, hatte die Menschen der Sowjetunion "vertiert" bzw. unter die Stufe des Menschlichen sinken lassen. Dies war durchaus noch nicht die eigentliche Doktrin des rassenbiologischen Kriegsapparates, der zufolge die Massen im Osten seit jeher aus "Halbtieren" und "Untermenschen" bestanden.

Eine Variante zur Verschleierung der wahren Ziele beschwor die germanische Kulturmission. Wenn die behauptete Minderwertigkeit und Staatsbildungsunfähigkeit der slawischen Völker als "Argumente" nicht hinreichten, verwandelte man diese in "halbasiatische Horden" (sog. Rassenmischung verschiedener Geschichtsepochen).

Da die "Minderwertigen" und "Zurückgebliebenen" nun trotz gegenteiliger "Russlandexpertise" (Blitzkrieg gegen einen tönernen Koloss) standhielten, erklärte man den Leuten u.a. in Anlehnung an Schauermärchen aus dem 1. Weltkrieg, die Helden des deutschen Mannestums kämpften im Osten gegen wilde Bestien (und verhexte "Flintenweiber"), sodann gar gegen Ungeheuer aus der Unterwelt.

Nach Ende der Belagerung von Stalingrad wurde der totale Krieg ausgerufen als Schutzwall gegen eine Flut von Dämonen, welche freilich von vielen mit jenen Rache-Engeln identifiziert wurden, die das deutsche Völkermorden doch zwangsläufig erweckt haben musste. Jetzt dominierten apokalyptische Angst-Szenarien.

Die Erschließung exemplarischer, keineswegs immer einförmiger Originaltexte zum Komplex "Russophobie / Antislawismus / Bolschewismus" nach der weiter unten angefügten Literaturauswahl muss einem weiteren Beitrag im 80. Gedenkjahr vorbehalten bleiben.

An dieser Stelle begnügen wir uns damit, zentrale Passagen der Begleittexte aus der massenpropagandistischen SS-Broschüre "Der Untermensch" (1942/1943)1 zu dokumentieren:

• "So wie die Nacht aufsteht gegen den Tag, wie sich Licht und Schatten ewig feind sind - so ist der größte Feind des erdebeherrschenden Menschen der Mensch selbst. / Der Untermensch - jene biologisch scheinbar völlig gleichgeartete Naturschöpfung mit Händen, Füßen und einer Art von Gehirn, mit Augen und Mund, ist doch eine ganz andere, eine furchtbare Kreatur, ist nur ein Wurf zum Menschen hin, mit menschenähnlichen Gesichtszügen - geistig, seelisch jedoch tiefer stehend als jedes Tier. Im Innern dieses Wesens ein grausames Chaos wilder, hemmungsloser Leidenschaften: namenloser Zerstörungswille, primitivste Begierde, unverhüllteste Gemeinheit. / Untermensch - sonst nichts! / Denn es ist nicht alles gleich, was Menschenantlitz trägt. - Wehe dem, der das vergißt!" (Seite 2)

• "Was diese Erde an großen Werken, Gedanken und Künsten besitzt - der Mensch hat es erdacht, geschaffen und vollendet, […] für ihn gab es nur ein Ziel: sich hinaufzuarbeiten in ein höheres Dasein […] Aber auch der Untermensch lebte. Er haßte das Werk des anderen. Er wütete dagegen, heimlich als Dieb, öffentlich als Lästerer - als Mörder. Er gesellte sich zu seinesgleichen. / Die Bestie rief die Bestie. - Nie wahrte der Untermensch Frieden, nie gab er Ruhe. / Denn er brauchte das Halbdunkle, das Chaos. / Er scheute das Licht des kulturellen Fortschritts. / Er brauchte zur Selbsterhaltung den Sumpf, die Hölle, nicht aber die Sonne. - Und diese Unterwelt der Untermenschen fand ihren Führer: - den ewigen Juden! Der verstand sie, der wußte, was sie wollten. Er schürte ihre gemeinsten Lüste und Begierden, er ließ das Grauen über die Menschheit kommen." (Seite 2)

• "Ewig ist der Haß des Untermenschen gegen die hellen Gestalten, die Träger des Lichtes. Ewig droht aus den Wüsten der Untergang des Abendlandes. / Ewig ballen sich in fernen Steppen die Mächte der Zerstörung zusammen, sammelt Attila und Dschingis-Chan seine Hunnenhorden und rast über Europa, lebendige Apokalypse, Feuer und Tod, Vergewaltigung, Mord und Entsetzen hinterlassend, damit die Welt des Lichtes und des tausendfachen Wissens, die Mächte des Fortschritts und menschlicher Größe zurücksinken in den Abgrund des Urzustandes! / Ewig ist des Untermenschen Wollen: […] So vollzieht sich seit Jahrtausenden nach furchtbaren, unberechenbaren Gesetzen der Kampf der beiden Gegenpole, findet sich immer wieder ein Attila, ein Dschingis-Chan, der die Tore Europas aufreißt, der nur eines kennt: die vollkommene Vernichtung alles Schönen!" (Seite 2)

• "Endlos dehnt sich die Steppe des russischen Raumes - Osteuropa. Schroff und jäh ist der kulturelle Abfall zwischen Mitteleuropa und diesem Riesenraum. / Und doch, hüben und drüben der Grenze die gleiche Erde - aber nicht der gleiche Mensch! Denn nur der Mensch allein vermag der Landschaft seinen Stempel aufzudrücken. Darum auf der einen Seite Deutschlands geordnete Fruchtbarkeit, planvolle Harmonie der Felder, wohlüberlegte Sammlung der Dörfer, jenseits dagegen die Zonen des undurchdringlichen Dickichts, der Steppe, der endlosen Urwälder, durch die sich versandende Flüsse mühsam den Weg bahnen. / Schlecht genutzter, fruchtbarer Schoß der schwarzen Erde, die ein Paradies sein könnte, ein Kalifornien Europas, und in Wirklichkeit verwahrlost, wüst vernachlässigt, bis zum heutigen Tage mit dem Stempel einer Kulturschande ohne Beispiel gezeichnet, eine ewige Anklage gegen den Untermenschen und sein Herrschaftssystem ist. - Tränenreiches Schicksal der schwarzen Erde. / Endloses, fruchtbares, verwahrlostes aber mit allen Schätzen gesegnetes Osteuropa - nicht fortzudenken von der Seite des übrigen Erdteils, aber brutal von diesem getrennt durch eine willkürliche Kluft." (Seite 3)

• "Osteuropa, es kam über eine gewisse Primitivität nicht hinaus. Es sah nur Chaos, denn es fehlte ihm der Mensch, der wertvolle Kulturträger, das Genie, das systemvoll den Aufbau des Friedens lenkte, das die sinnvolle Auswertung der unendlichen Schätze und der Fruchtbarkeit des Bodens befahl. Dieses Land kannte nur die Kräfte des hemmungslosen Raubbaues und bestialischer Kriegsrüstung. - Gewiß, auch hochstehende Völker Mittel- und Westeuropas haben dies Land als Wegziel [!] gehabt. […] Aber immer wieder siegten die Mächte der Finsternis, wurde in einem Taumel wilder, tierischer Raserei der zur Hilfe geholte Geist sinnlos und gemein abgeschlachtet." (Seite 3)

• "Auf häßlichen kleinen Steppenpferden, fast mit dem Fell ihrer Tiere verwachsen, brausten hunnische Horden gegen Europa, die geschlitzten Augen glühten in Mordlust und hinter ihnen blieb nur Wüste, Mord, Brand und Vernichtung. So berichtet die Chronik: Die Hunnen kommen! Wie oft hat sich dieser Ruf in den Jahrhunderten wiederholt. Rußland wurde der Tummelplatz, auf dem die Lehren des Untermenschen - der Nihilismus und der Bolschewismus - geboren wurden." (Seite 4) • "Nun sind sie wieder da, die Hunnen, Zerrbilder menschlicher Gesichter, Wirklichkeit gewordene Angstträume, Faustschlag in das Gesicht alles Guten / … verbündet mit Urwaldwesen und dem Abschaum der ganzen Welt, aber die geeigneten Werkzeuge in der Hand des ewigen Juden, des Meisters organisierten Massenmordes. Nur für die Dummen getarnt im Kleide des Bürgers." (Seite 5-6)

• "Diesmal wollte der Jude ganz sicher gehen. Er machte sich selbst zum Offizier, zum Kommissar, zum ausschlaggebenden Führer der Untermenschen." (Seite 10)

• "Der Untermensch stand auf, die Welt zu erobern. Wehe euch Menschen, wenn ihr nicht zusammensteht. Wehr dich Europa!" (Seite 51)

Die deutschen Waffenträger sind diesem Machwerk zufolge gen Osten gezogen, um dort ein System zu brechen, das unentwegt Massengräber füllt, Hungertote produziert und Millionenstädte in Todeszonen verwandelt. (In solcher Tradition stehen jene Wortmeldungen, die ausgerechnet das 80. Jahresgedenken des "Russland-Vernichtungsfeldzuges" als einen passenden Anlass betrachten, vorzugsweise Verbrechen und Erinnerungspolitik des Stalinismus zu beleuchten.)

Eine Botschaft der Texte und der Illustrationen der Broschüre springt förmlich ins Auge: "Der Jude" ist ein gefährlicher und listenreicher "Untermensch", aber er hat sich in der bolschewistischen UdSSR erhoben zum Anführer einer gigantischen Masse von anderen "Untermenschen", die nicht Juden sind. Die Breitenwirkung solcher Drucke, die auch Wahrnehmung und Berichtsformen der zehn Millionen in der Sowjetunion eingesetzten Angehörigen des deutschen Volksheeres lenkten, kann schwerlich bestritten werden.