Gescheiterte Digitalisierung: "Wir hätten die Pandemie in der ersten Welle beenden können"
Expertenkommission Forschung und Innovation zieht ein Corona-Fazit und präsentiert ihren Wunschzettel an die nächste Bundesregierung
Seit 2006 existiert in Deutschland eine "Expertenkommission Forschung und Innovation", die EFI. Ihre sechs Mitglieder aus verschiedenen Bereichen der Wissenschaft wechselten seitdem - aber ihre Jahresberichte gingen bislang alle an die selbe Kanzlerin, wie die EFI-Sprecherin Irene Bertschek gestern bei der öffentlichen Vorstellung des aktuellen Gutachtens anmerkte, das Angela Merkel bereits seit dem 24. Februar zur Verfügung steht.
"Krise als Katalysator" eher eine Randerscheinung
In ihm hat sich die EFI unter anderem mit den Auswirkungen der Coronakrise auf Forschung und Entwicklung beschäftigt - und die waren (wenig überraschend) überwiegend negativ. Das ergab eine Umfrage, die die Kommission an eine Reihe von Unternehmen verschickte. Das Phänomen der "Krise als Katalysator" für Innovation gibt es zwar auch, aber im Vergleich dazu eher als Randerscheinung.
Außerdem kam bei der Umfrage - für Bertschek überraschend - heraus, dass das wichtigste Anliegen dieser forschenden Firmen ein schneller und umfassender Ausbau der 5G-Versorgung und des Glasfasernetzes ist. Das ist den Unternehmen deutlich wichtiger als die steuerliche F&E-Zulage und die Förderung der Kooperation mit Universitäten.
"Deutsche Darpa"
Ein weiterer Schwerpunkt des Gutachtens ist die "Genschere" Crispr/Cas. Hier liegt Deutschland weit hinter anderen großen Industrieländern zurück - nicht nur hinter den USA, China, Japan und Südkorea, sondern auch hinter dem Vereinigten Königreich. Das stieg im letzten Jahr aus der EU aus, deren EuGH für das Verfahren sehr strenge Vorschriften gelten lässt (vgl. EuGH entscheidet über Genschere).
Ob die Bundesrepublik hier weiter zurückfällt oder aufholt, wird unter anderem von der nächsten Bundesregierung abhängen. Vor allem an die schien sich der von Bertschek zugeschaltete Rafael Laguna de la Vera zu wenden, der Gründungsdirektor der 2019 auf Initiative der EFI gegründeten Bundesagentur für Sprunginnovation (Sprind). Die Sprind soll seinen Worten nach eine Art deutsche Darpa sein - mit dem Unterschied, dass es bis jetzt noch kein Verteidigungsministerium als Großauftraggeber gibt. Allerdings erweckte Laguna de la Vera den Eindruck, dass es ihm nicht unrecht wäre, wenn in Deutschland das Bundesgesundheitsministerium an die Stelle des US-Verteidigungsministeriums träte.
[Update: Im Gespräch mit Telepolis betont Laguna de la Vera aber, Sprind habe "keinerlei Ambitionen, Anhängsel des BMG zu werden".]
Innovationsministerium
"Wir hätten", so der Kölner, "die Pandemie in der ersten Welle beenden können, wenn wir eine vernünftige Digitalisierung gehabt hätten". Dafür sei es jetzt aber genauso zu spät wie für ein deutsches Digitalisierungsministerium. Statt so eines Digitalisierungsministeriums hätte er in der nächsten Bundesregierung lieber ein "Innovationsministerium", das ihm dabei hilft, eine "Plattform für prionenbasierte Krankheiten" aufzubauen, zu denen er neben Alzheimer auch Parkinson zählt.
Diese und andere Plattformen sollen Sprunginnovationen "auf eine Ebene befördern, wo sie sich selber tragen". Dabei sei es nicht nur wichtig, dass man "Unternehmen zur Kooperation zwingt", sondern auch, dass man Konkurrenz zulässt. Der größte Fehler der bisherigen Förderung ist seinen Worten nach, "dass Projekte nie gecancelt werden". Im Bereich der Forschung und Entwicklung sei so eine Beendigung nicht "grausam", weil die Erkenntnisse, die man bis dahin erzielte, ja weiter zur Verfügung stünden.
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