Geschwisterforschung: Welches Kind wir bevorzugen

Und was macht das andere Kind gerade? Bild: Zwiebackesser/ Shutterstock.com
Eltern haben oft ein Lieblingskind. Eine neue Studie mit 20.000 Teilnehmern zeigt klare Muster. Wer dabei besonders gut wegkommt – und was Eltern tun können.
Eine aktuelle Meta-Studie der Brigham Young University im US-Bundesstaat Utah wirft ein neues Licht auf das Phänomen des "Lieblingskinds" in Familien. Die Forscher werteten Daten von fast 20.000 Personen aus 44 Studien aus und fanden klare Muster, welche Kinder tendenziell von ihren Eltern bevorzugt behandelt werden. Doch was bedeuten diese Erkenntnisse für Familien – und sollten sich Eltern Sorgen machen?
Töchter und jüngere Kinder im Vorteil
Die zentralen Ergebnisse: Eltern neigen dazu, Töchter gegenüber Söhnen leicht zu bevorzugen. Außerdem erhalten jüngere Geschwister oft eine günstigere Behandlung als ältere, wenn auch Letztere mehr Freiräume und Autonomie genießen. Wenig erstaunlich indes: Kinder mit einem verträglichen, gewissenhaften Wesen werden ebenfalls häufiger bevorzugt – unabhängig von Geburtsreihenfolge und Geschlecht.
"Die meisten Eltern verstehen sich vermutlich mit einem Kind besser als mit dem anderen, sei es aufgrund der Persönlichkeit, der Geburtsreihenfolge, des Geschlechts oder anderer Dinge wie gemeinsamer Interessen", kommentiert Studienautor Alex Jensen. "Achten Sie auf solche Muster bei sich selbst. Beobachten Sie, wie Ihre Kinder auf Dinge reagieren, die als Bevorzugung wahrgenommen werden könnten."
Ungewollte Ungleichbehandlung sei weitverbreitet und den Eltern oft gar nicht bewusst, betont Jensen. Die Studien zeigten jedoch auch, dass sich benachteiligte Kinder tendenziell weniger geliebt fühlten. Dies könne sich negativ auf die psychische Gesundheit und das Verhalten zu Hause oder in der Schule auswirken.
Bewusstere Wahrnehmung ist der Schlüssel
Jensen rät Eltern daher zu mehr Achtsamkeit: "Halten Sie Ausschau nach Dingen, die unfair erscheinen. Ihre Kinder werden Ihnen mitteilen, wenn sie etwas für unfair halten. Hören Sie ihnen zu, wenn sie das äußern." Dann gelte es zu prüfen, ob dem Kind möglicherweise die Perspektive und das Verständnis fehlen – oder ob tatsächlich Anpassungen in der Erziehung nötig sind.
Gleichzeitig warnt der Experte vor Überreaktionen und Schuldgefühlen bei den Eltern. Manchmal seien sie derart darauf bedacht, alle Kinder gleichzubehandeln, dass individuelle Bedürfnisse zu kurz kämen.
Die Lösung liege in einem Mittelweg: "Die einfachen Antworten sind vielleicht die besten. Seien Sie geduldig mit sich selbst und mit Ihren Kindern. Verbringen Sie Zeit miteinander – mit Dingen, die Sie gerne tun und die Ihre Kinder gerne tun. Arbeiten Sie zusammen, dienen Sie anderen gemeinsam. Beziehungen benötigen Zeit, und gemeinsame Zeit mit einer Vielzahl von Aktivitäten wird viele positive Auswirkungen haben."
Keine Panik also, aber genau hinschauen
Die Studienergebnisse sind also kein Grund zur Panik für Familien. Sie sollten Eltern aber Anlass geben, die Beziehungsdynamik mit ihren Kindern bewusster wahrzunehmen. Ungleichbehandlung lässt sich nicht immer vermeiden – entscheidend ist, sensibel dafür zu bleiben und immer wieder gegenzusteuern.
Letztlich zählt für jedes Kind das Gefühl, geliebt und wertgeschätzt zu werden. Gelingt dies, profitieren nicht nur die Einzelnen, sondern die ganze Familie. Psychologische Forschung wie die aktuelle Studie kann dabei wertvolle Denkanstöße geben.