Gesellschaften, die die Grenzen des Wachstums nicht beachten, bekommen Corona

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Was wir brauchen ist eine "neue Aufklärung": eine Aufklärung der klassischen Aufklärung. Kommentar

"Die Grenzen des Wachstums" trafen 1972 einen Nerv der Zeit. Das Buch "Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit" wurde im Jahr des Erscheinens zehn Millionen Mal gekauft.

Bis heute sollen es 30 Millionen sein. Jetzt sind die tatsächlichen Grenzen des Wachstums weitgehend erreicht. Eine Gesellschaft, welche diese Grenzen nicht beachtet, bekommt Corona.

Gandhi hat vermutet, dass wir aus der Geschichte nur lernen, dass wir nichts lernen. Das können wir uns im Atomzeitalter und im Zeitalter der Klimaerhitzung aber gar nicht mehr leisten, es sei denn, wir wollen das Ende unserer Zivilisation selbst in die Hand nehmen. Wollen wir das wirklich? Oder schaffen wir noch die große Transformation? Wie gelingt uns eine menschengerechte Demokratie ebenso wie nachhaltiges Wirtschaften?

Kirchenvertreter betonen immer wieder, dass Corona "keine Strafe Gottes" sei, aber sehr wahrscheinlich die logische Folge unseres Tuns in den letzten 50 Jahren. Wenn zu viele Menschen ihren Mit-Geschöpfen, den Tieren und Pflanzen, zu wenig Raum lassen, dann erinnert uns die Natur an die Grenzen des Wachstums.

Das gut gemeinte Motto für eine bessere Zukunft kann nicht länger heißen "Der Mensch im Mittelpunkt", sondern: "Das Leben im Mittelpunkt". Und das bedeutet eine neue Interdependenz zwischen Mensch und Natur: Mehr Reifen statt ständig Wachsen. Entwicklung statt Wachstum.

Corona als Weckruf

Ich verstehe Corona als Weckruf, endlich die natürlichen "Grenzen des Wachstums" zu beachten. Wenn sich die EU jetzt einen "Green New Deal" verordnet, wenn die deutsche Bundesregierung und die US-Regierung Klimaneutralität bis 2050 und die chinesische Regierung dasselbe Ziel bis 2060 erreichen wollen, dann zeigt das zunächst einmal, dass Grenzen generell und endlich anerkannt werden. Immerhin der Anfang eines Abschieds von der alten Grenzenlosigkeit.

Zumindest theoretisch. Natürlich sind diese neuen "Grenzen des Wachstums" noch lange nicht hinreichend für eine nachhaltige Wirtschaft. Aber doch eine Richtungsänderung. Es gibt immer Alternativen.

Politik, Wissenschaft und Journalismus müssen den Menschen die Wahrheit und die Wirklichkeit zumuten: also sagen, was ist und was sein kann. Auch über die Grenzen des Wachstums. Wir leben noch immer im Öl-Rausch, der nach der Prognose des Club of Rome längst vorbei sein sollte.

Doch das ist auch noch 2022 unsere Lage:

• Die Gletscher schmelzen,
• die Wüsten breiten sich aus,
• die Sturmschäden nehmen zu,
• Weltweit brennen Wälder,
• Tier- und Pflanzenarten sterben schneller aus als je zuvor in den letzten 65 Millionen Jahren, • Methan wird freigesetzt.
• Wir führen einen dritten Weltkrieg gegen die Natur und damit gegen uns selbst. Denn wir sind ein Teil der Natur.
• 1,5 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser.
• Täglich verhungern etwa 20.000 Menschen.

Was lernen wir aus der Corona-Krise für die Rettung des Planeten und damit für den Frieden mit der Natur?

Um die Corona-Krise zu überwinden, haben 20 der 30 reichsten Länder der Welt Konjunkturprogramme aufgelegt. Sie sollten die Wirtschaft ankurbeln, Jobs schaffen, aber auch Klimaschutz bieten. Die angekündigten Hilfen belaufen sich auf 15 Billionen Dollar, das sind 15.000 Milliarden.

Doch bis zum 1. Februar 2021 ist der Löwenanteil der Gelder in Sektoren investiert, die der Umwelt und dem Klima eher schaden, nur 40 Prozent der investierten Summe ist als "grün" anzusehen. Das hat der "Green Stimulus Index" der Strategieberatung "Vivid Economics" errechnet. Nur die Ankündigungen der neuen US-Regierung und der "Green New Deal" der EU sieht der "Green Stimulus Index" als Hoffnungszeichen.

Diese Entwicklung zeigt, dass der Abschied vom alten ökonomischen Wachstums-Größenwahn nur gelingen wird, wenn Politik, Wirtschaft und Konsumentinnen eine ökologische Ethik lernen. Die Technik allein oder das herrschende Finanzsystem werden uns nicht retten.

Ein globales Energiesystem, das zu 100% mit sauberer, erneuerbarer Energie betrieben wird, ist nicht nur in den nächsten 10-15 Jahren möglich, es kann auch Geld sparen, Arbeitsplätze und Wohlstand schaffen, Leben retten und der Menschheit einen Vorsprung verschaffen, um einen außer Kontrolle geratenen Klimawandel zu verhindern. Es ist ökonomisch, sozial, geopolitisch und ökologisch unvernünftig, wenn wir die Zeit bis 2050 hinauszögern.

Der Finanzkapitalismus als Monsterwirtschaft

Die Welt wird heute von wenigen Milliardären beherrscht. Dieser Finanz-Kapitalismus ist zu einer Monsterwirtschaft entartet. Das von Wissenschaftlern so genannte "Anthropozän" ist in Wahrheit ein Kapitalozän.

Das 21. Jahrhundert könnte jedoch zu einem Jahrhundert der Genossenschaften, des Friedens, der erneuerbaren Energien und größerer Gerechtigkeit werden, bei dem das Gemeinwohl eine zentrale Rolle spielt. Eine typisch deutsche Idee aus dem 19. Jahrhundert (Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Herman Schulze-Delitzsch).

Weltweit sind bereits eine Milliarde Menschen in Genossenschaften organisiert. Es gibt immer Alternativen!

Alle Probleme, die von Menschen geschaffen wurden, sind auch von Menschen lösbar. Voraussetzung ist eine Versöhnung von Technik und Ethik. Das ist die neue Aufklärung: eine Aufklärung der klassischen Aufklärung. Sie erhält durch die Corona-Krise eine ganz neue und frische Dynamik.

Eine bessere Welt ist nicht nur möglich, sie ist im Entstehen

Wir brauchen dafür freilich eine Öko-Spiritualität. Unsere materiellen Ressourcen sind begrenzt, hier gelten die "Grenzen des Wachstums", aber die Ideen unseres Geistes sind es nicht. Um die "Grenzen des Wachstums" zu realisieren, brauchen wir Denker, die träumen und Träumer, die denken.

Eine Gesellschaft, welche die Orientierung verloren hat, braucht neue Vorbilder und einen neuen Sinn für Werte. Um die heutigen Krisen zu lösen, brauchen wir einen neuen moralischen Kompass.

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