Gespaltene Staaten von Amerika

US-Flagge, upside down Bild: pixnio.com

Historische Spaltung wird von beiden Lagern genutzt. Die zentrale Macht schwindet. Warum von einem neuen Bürgerkrieg gemunkelt wird.

Das "Texas Nationalist Movement" hat mehr als 139.000 Unterschriften an die Republikanische Partei des Bundesstaats Texas übermittelt, um eine Volksabstimmung im März auf den Weg zu bringen, die einen Austritt von Texas aus den Vereinigten Staaten fordert.

Befürworter argumentieren, dass dies gemäß der texanischen Verfassung möglich sei, jedoch ergab ein Urteil des Obersten Gerichtshofs der USA, dass Texas wie alle Staaten eine "unauflösliche Beziehung" zur Union eingegangen sei, als es 1845 aufgenommen wurde.

Daniel Miller, Präsident der Texas Nationalist Movement, behauptet jedoch in einem Video auf der Website seiner Organisation, dass ein Austritt rechtlich möglich sei, und stellt die Frage, ob die Gründerväter des Staates dies heute überhaupt gewollt hätten.

Die Vorstellung einer Teilung der Vereinigten Staaten entlang der Parteilinien erscheint surreal – und bleibt Teil der politischen Debatte in den USA. Vor allem im Süden, der Vereinigten Staaten haben die Sezessionisten Zulauf. Ihr Ideal: ein "rotes", von Republikanern regiertes Amerika gegen ein "blaues" Amerika der Demokraten. Es wären die geteilten Staaten von Amerika.

Was einst als abwegige Idee von politischen Außenseitern abgetan wurde, ist angesichts des aufgeheizten politischen Klimas zu einem ernsthaften Diskussionsthema geworden. Vor allem die Republikaner nutzen das Thema immer wieder zur Machtdemonstration. Politische Beobachter warnen, dass seit dem gescheiterten Angriff auf das Kapitol am 6. Januar 2021 in den USA nichts mehr undenkbar scheint.

Im März steht eine entscheidende Richtungsentscheidung an, wenn in Texas darüber abgestimmt wird, ob die Mehrheit der Bevölkerung für die Unabhängigkeit ihres Bundesstaats ist. Auch wenn das Ergebnis rechtlich nicht bindend ist, könnte ein Votum der Texaner für die Sezession im Jahr der Präsidentschaftswahlen ein brisantes Signal setzen und erheblichen politischen Schaden anrichten.

Die Republikaner verschärfen die Debatte. Die Abgeordnete Majoree Taylor Green fordert seit 2022 immer wieder, dass sich die konservativen Bundesstaaten gemeinsam von den als "woken" bezeichneten USA distanzieren sollten. Sie behauptet, dass sich seitdem immer mehr Bürgerinnen und Bürger ihrer Forderung anschließen, ohne jedoch konkrete Belege oder repräsentative Umfragen vorzulegen.

Historische Wurzeln

Die immer tiefere Spaltung hat historische Wurzeln: Ereignisse wie der Amerikanisch-Mexikanische Krieg (1846-1848) und der Bürgerkrieg (1861-1865) beeinflussen weiterhin das Verhältnis zwischen "progressiven" und "konservativen" Staaten. Daran knüpfen die heutigen Gegner Washingtons immer offener an.

In einem Jahr stehen in den USA die Präsidentschaftswahlen an. Die wahlberechtigte Bevölkerung wird entscheiden, welche der beiden großen Parteien in den vier Jahren darauf die Geschicke der Vereinigten Staaten lenken wird.

Ex-Präsident Donald Trump, der im November nächsten Jahres wohl erneut zur Wahl stehen wird, erkennt den Ausgang der letzten Präsidentschaftswahl nach wie vor nicht an.

Diese Delegitimierung war ein Grund für seine Anhänger, Anfang 2021 das Kapitol in Washington zu erstürmen, wofür sich der ehemalige Präsident derzeit vor Gericht verantworten muss.

Die Legitimität der Bundesregierung

Als Trump 2016 zum Präsidenten gewählt wurde, waren es noch seine politischen Gegner, die unter dem Hashtag #NotMyPresident die Legitimität von Trumps Präsidentschaft anzweifelten.

In Kalifornien bildete sich sogar eine Sezessionsbewegung, die die Unabhängigkeit des reichen Küstenstaates vom Rest des Landes forderte.

Dazu muss man verstehen: US-Amerikaner stellen die Legitimität der Bundesregierung gerne in Abrede und erklären ihre Unabhängigkeit von Washington – unabhängig davon, wer gerade regiert.

Dass die Forderung nach Abspaltung vom Rest des Landes eine regelmäßig wiederkehrende Reaktion auf unliebsame Entwicklungen auf föderaler Ebene ist, liegt in der Geschichte begründet.

So waren die frühen Jahre der Nation erst von einem Unabhängigkeitskrieg und kurz darauf von einem Sezessionskrieg geprägt.

Seitdem wird der "State of the Union", der Zusammenhalt der Staaten, mal stärker, mal schwächer infrage gestellt – und damit auch das Zusammengehörigkeitsgefühl der Bürger.

Derzeit rumort es in Texas. Einige Bewohner der südlichen Staaten, dessen Aufnahme in den Bund einst nur durch einen Krieg gegen Mexiko ermöglicht wurde, sehen in der "Annexion" des "Lone Star State" einen historischen Fehler.

Die Anhänger der Texit-Bewegung zeigen sich optimistischer denn je, ihr Ziel einer unabhängigen "Republik Texas" zu erreichen.

Unter ihren Unterstützern befinden sich sogar aktuelle und ehemalige Gesetzgeber, darunter Senator Bob Hall.

Sezessionisten in Texas

Vor kurzem gab das Texas Nationalist Movement bekannt, bereits mehr als die Hälfte der rund 100.000 für ein unverbindliches Sezessionsreferendum benötigten Unterschriften gesammelt zu haben.

Ein beachtlicher Erfolg, zumal es den Sezessionisten wahrscheinlich gelingen wird, die andere Hälfte bis zum Fristende am ersten Dezember zusammenzubekommen.

Schon in den 1990er-Jahren vertrat eine Gruppe mit dem Namen Republic Texas die Auffassung, dass der Staat nie rechtmäßig in die Vereinigten Staaten aufgenommen worden sei und daher immer noch eine eigene Nation bilde.

Die Bewegung erreichte ihren vorläufigen Höhepunkt 1997 in einer wochenlangen Auseinandersetzung zwischen der Polizei und einem der Sezessionisten-Anführer, der ein Ehepaar als Geiseln genommen hatte.

Zugegeben, die Aufnahme von Texas in den Staatenbund 1845 war schon damals ein Politikum. Die Eingliederung des Sklavenhalterstaates in die Union hatte nicht nur den Amerikanisch-Mexikanischen Krieg zur Folge, sondern verschärfte auch den Konflikt zwischen den Süd- und Nordstaaten. Dies trug dazu bei, dass der Konflikt elf Jahre später in einem Bürgerkrieg eskalierte.

Bis heute ist es das politische Erbe des Bürgerkriegs und der Sklaverei, das die USA in kulturell "progressive" und "konservative" Staaten teilt.

Dieser kulturpolitische Sezessionismus spielt den beiden Parteien in die Hände. Sie haben das Land weitgehend unter sich aufgeteilt. So können beide Lager darauf verzichten, echte soziale oder wirtschaftliche Alternativen anbieten zu müssen.

Mehr noch: Die Parteieliten können, sofern sie in der Opposition sind, immer auf die übermächtige Bundesregierung in Washington verweisen.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass in Zeiten außergewöhnlicher politischer Polarisierung selbst auf dem Kapitol Hill Rufe nach einer landesweiten Sezession von republikanisch regierten Staaten vernommen werden.

Die republikanische Abgeordnete Marjorie Taylor Greene aus Georgia forderte bereits im Februar eine "nationale Trennung".

Ihre Forderung stützt sich auf die Behauptung, ein neuer Bürgerkrieg könne nur durch eine Aufteilung der USA entlang der Trennung von "roten" und "blauen" Bundesstaaten vermieden werden.

Greene hat viele Anhänger unter den Rechten. In diesem Lager haben sich in den vergangenen Jahren fast 52 Prozent der Trump-Wähler für verschiedene Sezession-Szenarien ausgesprochen.

Auch 40 Prozent der Biden-Wähler gaben zu, mit der Idee einer "nationalen Trennung" zu sympathisieren.

Trotz allem bleibt eine solche Aufspaltung in den USA unter Kontrolle der Demokraten und Republikaner erst einmal unwahrscheinlich.

Experten sehen jedoch Anzeichen für einen "kontrollierten Sezessionismus". Diese Skala beginnt mit kleineren, gezielten Ausstiegen und reicht bis zu größeren Formen, in denen sich Gemeinschaften weigern, den Vorgaben der staatlichen oder bundesstaatlichen Behörden zu folgen.

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