Gewalt gegen Lehrkräfte: Ein Tabu-Thema

Bild: Alegri, Romania/CC BY-3.0

Sechs von 100 Lehrern wurde laut einer Umfrage schon einmal Opfer eines körperlichen Übergriffs

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Das Thema Gewalt von Schülern gegenüber Lehrern ist in Deutschland mit einem Tabu belegt. Davon gehen zumindest 57 Prozent der befragten Lehrer an einer vor kurzem durchgeführten repräsentativen Umfrage aus.

45 Prozent der Umfrageteilnehmer sind der Ansicht, dass sich die Schulverwaltung ihrer jeweiligen Gemeinde stärker engagieren müsste. Und auch die Politik nehmen die Befragten in die Pflicht: 58 Prozent erwarten, dass sich die politische Ebene stärker mit dem Problem auseinandersetzen müsste. Zugleich gehen 72 Prozent der Befragten davon aus, dass "die Leitung an ihrer Schule sich des Themas ausreichend annimmt".

Insgesamt befragte das Meinungsforschungsinsitut Forsa fast 2000 Lehrer und Lehrerinnen bundesweit, um zu erfahren, wie Lehrer das Thema Gewalt in Schulen wahrnehmen. Die Umfrage, die vom Lehrerverband Bildung und Erziehung (VBE) in Auftrag gegeben wurde, liefert Daten, die aufhorchen lassen. 59 Prozent der Befragten gehen davon aus, "dass Gewalt an Schulen in den letzten fünf Jahren zugenommen hat, lediglich 4 Prozent glauben, dass Gewalt an Schulen eher abgenommen hat." 36 Prozent der befragten Lehrer gaben an, keine größeren Veränderungen beobachtet zu haben.

Allerdings gibt es Unterschiede im Hinblick auf die jeweiligen Schulformen. Lehrer von Förder- bzw. Sonderschulen gehen laut der Umfrage "am häufigsten... von einer Zunahme der Gewalt aus, vergleichsweise am seltensten hingegen die Lehrer an Gymnasien".

Doch wie sieht die Gewalt gegen Lehrer aus? Die Umfrage unterscheidet zwischen physischer und psychischer Gewalt. Von den befragten Lehrern gaben 21 Prozent an, dass es in den letzten fünf Jahren Fälle körperlicher Gewalt gegen Lehrkräfte an ihrer Schule gab. Sechs Prozent der Lehrer gaben an, dass sie selbst Erfahrungen mit körperlicher Gewalt an ihrer Schule gemacht haben, also selbst angegriffen wurden. Aus der Umfrage geht auch hervor, dass die Angriffe meistens (97 Prozent) von Schülern ausgegangen sind.

Desweiteren wird deutlich: 91 Prozent der Lehrer, die körperlich angegriffen wurden, haben etwas dagegen unternommen, allerdings wurde nur selten (9 Prozent) Anzeige erstattet. "Als Gründe", so heißt es in der Umfrage, "werden hier vor allem angegeben, dass der Täter noch nicht strafmündig war, dass man aus Rücksicht auf den Schüler davon abgesehen hat oder weil ohnehin schulinterne Maßnahmen eingeleitet wurden."

Ähnlich sieht die Reaktion der betroffenen Lehrer auch bei Fällen psychischer Gewalt aus. 86 Prozent der Befragten gaben an, den Vorfall gemeldet zu haben. In 7 Prozent der Fälle wurde Anzeige erstattet. Insgesamt gaben 55 Prozent der Lehrer an, dass sie Fälle von psychischer Gewalt kennen, die gegen Lehrkräfte an ihrer Schule ausgeübt worden sei. 23 Prozent sagten, "dass sie selbst an ihrer Schule schon einmal Ziel von Beschimpfungen, Diffamierungen, Mobbing, Drohungen oder Belästigungen waren".

Der VBE-Bundesvorsitzende Udo Beckmann sagte zu der Studie: "Viel zu oft wird das Problem kleingeredet. Außer professionellen Kampfsportlern ist mir keine Personengruppe bekannt, zu deren Job es gehört, sich psychisch und physisch angreifen zu lassen."