Gewinner und Verlierer des Ukraine-Kriegs

Seite 3: Die Profiteure des Tötens und die Stunde der Hardliner

Gewinner 1: Rüstungsindustrie

Ein großer Gewinner des Ukraine-Kriegs sind Waffenhersteller, die weltweit von den "Big Five" aus den USA dominiert werden: Lockheed Martin, Boeing, Northrop Grumman, Raytheon und General Dynamics.

Die meisten Waffen, die bisher in die Ukraine geliefert wurden, stammen aus Beständen in den Vereinigten Staaten und den Nato-Ländern. Die Genehmigung zum Aufbau noch größerer neuer Militär-Reserven wurde im Dezember vom Kongress erteilt, aber die daraus resultierenden Verträge haben sich noch nicht in den Umsatz- oder Gewinnrechnungen der Rüstungsunternehmen niedergeschlagen.

Da die Waffen für den Aufbau dieser Vorräte gerade erst von den Produktionsbändern laufen, spiegelt sich das Ausmaß der von der US-Rüstungsindustrie erwarteten Kriegsgewinne derzeit am besten in den 2022 gestiegenen Aktienkursen wider: Lockheed Martin, plus 37 Prozent; Northrop Grumman, plus 41 Prozent; Raytheon, plus 17 Prozent; und General Dynamics, plus 19 Prozent.

Bereits unmittelbar nach Kriegsbeginn vor einem Jahr stiegen auch in Deutschland die Aktienkurse der Waffenhersteller, u.a. von Rheinmetall und Hensoldt, stark an. In kurzer Zeit ging es für Rheinmetall um 93 Prozent hinauf. Analysten trauen Rheinmetall sogar einen Umsatzsprung auf 8,7 Milliarden Euro bis 2024 zu. Der Reingewinn soll sich mehr als verdoppeln.

Auch bei anderen Rüstungskonzernen wie Leonardo aus Italien, Thales Group in Frankreich oder Elbit Systems aus Israel gingen die Kurse steil nach oben. Der Grund für die enormen Aktiensprünge: Die jeweiligen Regierungen kündigten an, die Militärausgaben angesichts des russischen Ukraine-Kriegs stark anzuheben: 100 Milliarden Euro zusätzlich in Deutschland, 40 bis 60 Milliarden in Frankreich. EU-weit betrachtet könnten mehrere hundert Milliarden Euro in neue Ausrüstung und Waffen gesteckt werden.

Gewinner 2: Fossile Brennstoffindustrie

Die westlichen Sanktionen gegen Russland verringerten das weltweite Angebot an Erdöl und Erdgas, trieben aber auch die Preise in die Höhe. Russland profitierte dabei von den höheren Preisen, auch wenn sein Exportvolumen zurückging.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) berichtet, dass die russische Wirtschaft im Jahr 2022 nur um 2,2 Prozent geschrumpft ist, während der Fonds zuvor noch eine Schrumpfung von 8,5 Prozent prognostiziert hatte. Man geht davon aus, dass die russische Wirtschaft im Jahr 2023 sogar um 0,3 Prozent wachsen wird.

Andere Öl- und Gasproduzenten profitierten von den Auswirkungen der Sanktionen in Form von unerwarteten Gewinnen. Das Bruttoinlandsprodukt der Öl-Monarchie Saudi-Arabiens wuchs um 8,7 Prozent und damit am schnellsten von allen großen Volkswirtschaften, während westliche Ölkonzerne 200 Milliarden Dollar an Gewinnen einfuhren.

ExxonMobil generierte 56 Milliarden Dollar, ein neuer Rekord für ein Ölunternehmen. Shell fuhr 40 Milliarden Dollar ein. Chevron sowie Total steigerten ihre Profite auf jeweils 36 Milliarden Dollar. BP schaffte es "nur" auf 28 Milliarden Dollar, da es seine Aktivitäten in Russland einstellte. Der britische Konzern verdoppelte aber dennoch seine Gewinne gegenüber 2021.

Währenddessen ersetzten US-LNG-Lieferanten wie Cheniere oder Unternehmen wie Total, die den Gashandel in Europa betreiben, russisches Erdgas durch Fracking-Gas aus den Vereinigten Staaten. Das Fracking-Gas wird zu etwa viermal so hohen Preisen an Verbraucher:innen in der EU verkauft als US-Kund:innen dafür bezahlen müssen – mit fatalen Klimaauswirkungen.

Gewinner 3: Hardliner in Russland und Nato-Staaten

Liberale Pragmatiker wie der ehemaligen Premierminister Jewgeni Primakow, einem Protegé Gorbatschows, der die erste Nato-Erweiterung mit der damaligen Außenministerin Madeleine Albright ausgehandelt hatte, warnte schon früh, dass das Drängen der USA, Georgien und die Ukraine in die Nato aufzunehmen, die nationalistische und Hardliner-Stimmung in Russland anheizen werde.

Die Forderung nach einem Nato-Beitritt für die Ukraine habe "den 'Amerikahassern' in Russland geholfen, an die Macht zu kommen, und der Vision der Hardliner von einer 'Festung Russland' Legitimität verschafft", so ein russischer Analyst, der in diplomatischen Depeschen zitiert wird, die von dem US-Journalisten Branko Marcetic ausgewertet wurden.

Der Ukraine-Krieg hat den Falken in Russland weiteren Wind unter die Flügel geblasen. Innerhalb der Putin-Administration sind Hardliner wie Jewgeni Prigoschin zu treibenden Kräften hinter Wladimir Putins Kriegseskalation geworden. Prigoschin ist bekannt für seine Wagner-Söldnerfirma und die Rekrutierung von Gefängnisinsassen für den Kampf in der Ukraine, so Bloomberg.

Das US-Nachrichtenmagazin berichtet weiter, dass Prigoschins öffentliche Aufrufe zu "stalinistischen Repressionen" gegen Wirtschaftsmagnaten, die die Kriegsanstrengungen nicht ausreichend unterstützen, einige reiche Russen dazu veranlasst hätten, um ihre eigene Sicherheit und die ihrer Familien zu fürchten, heißt es.

Prigoschins offene Angriffe auf hochrangige Militärkommandeure – von denen einige in der Folge abgesetzt wurden – und den prominenten Putin-Verbündeten, dem Gouverneur von St. Petersburg, haben in der Bürokratie die Besorgnis über die mangelnde Bereitschaft oder Unfähigkeit des Kremls, die eigenen Leute zu verteidigen, verstärkt.

Auch in den USA und bei den Verbündeten in Europa sind mäßigende Stimmen im politischen Establishment und in den Leitmedien kaum noch zu hören oder werden an den Rand gedrängt.

Während die USA und die Nato in der Ukraine einen Stellvertreterkrieg gegen Russland führen, bereiten sich US-Militärstrateg:innen und Hardliner in Washington bereits längst auf einen Krieg gegen China vor, befürchtet Danny Haiphong von der Initiative No Cold War in seinem Beitrag für die US-amerikanische Nachrichtenplattform Geopolitical Economy.

Selbst in EU-Ländern wie Deutschland und Frankreich, wo bis kurz vor Kriegsausbruch noch eine Verhandlungslösung im Ukraine-Konflikt (Minsk II) favorisiert und ein Nato-Beitritt ablehnend betrachtet wurde, hat sich der Wind gedreht.

Die deutsche Regierung schickt nun, nach einigem Zögern von Bundeskanzler Olaf Scholz, Leopard-II-Kampfpanzer in die Ukraine, während Stimmen, die für eine diplomatische Entschärfung des Krieges plädieren (siehe "Manifest für den Frieden"), in der öffentlichen Debatte als "Putin-Versteher" diskreditiert werden, die die Ukraine ausverkaufen wollen.

Sich bisher neutral verhaltende Staaten wie Schweden und Finnland in Europa wollen währenddessen in die Nato aufgenommen werden. Auch dort wird die Rhetorik gegen Russland immer schärfer, während Diplomatie als Kapitulation vor dem Aggressor angesehen wird.

Die finnische Premierministerin Sanna Marin forderte die EU jüngst auf, härter gegen Russland vorzugehen. Das Land hatte Ende letzten Jahres Touristenvisa für russische Staatsbürger:innen ausgesetzt.