Giga-Factory: Tesla sucht Bürgernähe
Mit großem Tamtam und einem "Giga-Fest" soll Kritik an der neuen Fabrik in Brandenburg übertönt werden
Die fast fertig gebaute Tesla-Fabrik in Grünheide, Brandenburg, kommt nicht bei allen gut an. Nun versucht der Konzern, mit viel Tamtam sein Image zu verbessern. Anfang Oktober veranstaltet der US-Elektroautobauer auf dem Geländer seiner "Giga-Factory" ein "Giga-Fest" und als besonderer Hingucker wird auch Konzernchef Elon Musk anwesend sein.
Eingeladen sind bis zu 5.000 Bürger aus Brandenburg und Berlin. Geworben wird mit einem Blick hinter die Kulissen der - nach eigenen Angaben - fortschrittlichsten "Serienproduktionsstätte für Elektrofahrzeuge der Welt". Außerdem werde es "die Möglichkeit geben, die einzigartige Beschleunigung des neuesten Tesla Model Y zu erleben", heißt es auf der eigens für die Veranstaltung eingerichteten Webseite.
Im Handelsblatt wurde kürzlich darüber spekuliert, wieso Tesla plötzlich einen Schwenk in seiner Öffentlichkeitsarbeit vornimmt. Denn normalerweise agiere das Unternehmen eher zurückhaltend und Informationen würden vor allem von Elon Musk selbst über soziale Netzwerke gestreut; die Nähe zu den Bürgern stand zumindest bislang nicht weit oben in der Prioritätenliste. Tesla gehe nun wohl auf die Bürger zu, "auch um die letzten Kritiker von der Ansiedlung in Grünheide zu überzeugen".
Charmeoffensive gegen Umweltbedenken
In der Region ist man nämlich sauer: "Die Bevölkerung wird nicht mitgenommen", sagte kürzlich Thomas Wötzel, Gemeindevertreter in Grünheide, gegenüber der Märkischen Oderzeitung. Als Gemeindevertreter fühle man sich vorgeführt. Eigentlich ist Wötzel dem Bau der Fabrik offen gegenüber eingestellt. Er sagt, das Großprojekt habe deutlich mehr Chancen als Risiken; aber die Risiken sollten auch nicht ausgeblendet werden. Er bemängelt aber, dass es keinen moderierten Dialog mit der Gemeindeverwaltung gebe. Es werde auch keine "Stelle für einen Stadtplaner geschaffen und Geld bereitgestellt, um Infrastrukturmaßnahmen vorzubereiten".
Was Wötzel kritisiert, hat scheinbar Methode. Mehr als 800 Einwendungen gegen den erneuerten Bebauungsplan sind beim Brandenburger Landesamt für Umwelt (LfU) eingegangen - ernst genommen werden sie allerdings nicht. Noch bevor die Einwendungen in einer öffentlichen Anhörung erörtert wurden, hat sich die Behörde mit den 526 neuen Einwendungen auseinandergesetzt - und dem Konzern zwei neue vorläufige Baugenehmigungen erteilt. In den Bescheiden hieß es wortgleich, die geltend gemachten Bedenken ließen "nicht erkennen, dass dem Vorhaben erhebliche Genehmigungshindernisse entgegenstehen".
Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) gab sich jovial. Kürzlich erklärte er, er habe Verständnis für die Sorgen der Bevölkerung. "Ich hätte mir gewünscht, dass Tesla die Sorgen der Bevölkerung ernster nimmt", sagte er in einem Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Dem Konzern mangele es mitunter etwas an Empathie. Dass der Bau so polarisiere, liege an der restriktiven Kommunikationspolitik. Zum Anteil der Landesregierung am Unmut in der lokalen Bevölkerung sagte Steinbach dagegen nichts.
Steinbach schwieg auch darüber, dass die Landesregierung dem Konzern auch finanziell zur Seite steht. Dabei geht es weniger um die 120 Millionen Euro, die das Land für den Bau einer neuen Batteriezellfabrik zuschießen möchte. Vielmehr geht es um die Kosten für die Verkehrsinfrastruktur, die das Land zugunsten des Konzerns trägt. Die Fraktion Die Linke im Brandenburger Landtag hatte Anfang September ein entsprechendes Rechtsgutachten vorgestellt.
Tesla als einziger Profiteur
"Auf Wunsch von Tesla-Chef Elon Musk will die Brandenburger Landesregierung den Bahnhof Fangschleuse verlegen und großangelegt ausbauen", heißt es in einer Erklärung der Linken. Dieses Vorhaben koste rund 50 Millionen Euro - und wenn der Konzern nicht an den Kosten beteiligt werde, dann handle es sich um ein rechtswidriges Steuergeschenk. Christian Görke, Sprecher der Fraktion für Infrastruktur und Verkehr, erklärte, das Verlegen des Bahnhofs diene ausschließlich dem direkten Anschluss des Tesla-Werks an den Schienenverkehr. Damit sei der Konzern alleiniger Profiteur der Infrastrukturmaßnahme. "Es handelt sich somit um eine direkte Form der Wirtschaftsförderung", so Görke. Das sei ein klarer Verstoß gegen EU-Recht.
Erstellt wurde das Gutachten von Christoph Görisch, Professor für Öffentliches Recht an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW in Münster. Görisch führt in dem Gutachten aus, dass die Beihilfe bei der EU-Kommission hätte angemeldet werden müssen. Gegenüber Business Insider hatte das Brandenburger Verkehrsministerium bestätigt, sie nicht angemeldet zu haben.
Das Brandenburger Verkehrsministerium wiegelte allerdings ab. Man sehe die Übernahme der Kosten nicht als Beihilfe. "Unabhängig von der Ansiedlung von Tesla war und ist schon aufgrund des Einsatzes deutlich längerer Züge auf der Linie RE1 eine Erweiterung des bisherigen Bahnhofs Fangschleuse erforderlich", heißt es in der Antwort auf die Anfrage von Business Insider. Es würden jetzt lediglich die neuen Anforderungen für die Tesla-Ansiedlung berücksichtigt. Sollte die EU-Kommission allerdings dem Gutachten folgen, könnte es für das Land Brandenburg teuer werden. Es könnte eine Strafzahlung drohen; aber es könnte auch eine Ausgleichszahlung an andere Autobauer fällig werden, weil Tesla ein wettbewerbsverzerrender Vorteil verschafft wurde.