Giorgia Meloni: Italiens gefÀhrlichste Frau oder Verteidigerin der Tradition?
Bild: Alexandros Michailidis /shutterstock.com
Eingeengter Diskurs von rechts: In Italien fĂŒrchten kritische Journalisten die verstĂ€rkte Kontrolle der Medien durch die Regierungschefin. Ein Kommentar.
Wie gefĂ€hrlich ist Giorgia Meloni? Die Sympathie der italienischen Premierministerin fĂŒr den ungarischen MinisterprĂ€sidenten Orban, fĂŒr die rechtsextreme spanische Partei Vox und ihre Duldung des typischen römischen GruĂes bei einigen rechten Demonstrationen geben Anlass zu Unbehagen.
Im August 2022, kurz vor ihrer Wahl zur Regierungschefin, ging die englischen Wochenzeitung The Spectator [1] der Frage nach: "Ist Giorgia Meloni die gefÀhrlichste Frau Europas?"
Dem Magazin gegenĂŒber â konfrontiert damit, dass die Partei Fratelli dâItalia, die sie mitbegrĂŒndet hat, als "unbestrittene Erben Mussolinis" gelten â, erklĂ€rte sie:
Als wir die Fratelli dâItalia gegrĂŒndet haben, haben wir sie als Mitte-Rechts-Bewegung gegrĂŒndet, die ihren Kopf hochhĂ€lt. Wenn ich etwas bin, erklĂ€re ich es. Ich verstecke mich nie. Wenn ich Faschist wĂ€re, wĂŒrde ich sagen, dass ich Faschist bin. Stattdessen habe ich nie von Faschismus gesprochen, weil ich kein Faschist bin.
Giorgia Meloni, Spectator [2]
Tatsache ist, dass Melonis politischer Aufstieg in Europa wirklich beispiellos verlaufen ist: Vor zehn Jahren, bei den Europawahlen 2014, lag sie bei 3,67 Prozent der Stimmen. Bei den Europawahlen 2024, erreichte sie mit 28,8 Prozent den höchsten Prozentsatz aller Parteien.
Die Untersuchung von Fanpage.it
Fanpage.it, ein italienisches Online-Magazin, hat Mitte Juni enthĂŒllt, was sich hinter den Kulissen der Partei Fratelli d'Italia abspielt. Einer Journalistin gelang es dabei zu filmen, was sich bei den Treffen der Jugendbewegung abspielt. Man sieht unter anderem, wie die jungen Leute den Duce preisen und den römischen GruĂ mit dem lauten Ruf: "Sieg Heil" zelebrieren, also eine Feier zu Ehren des Faschismus. Meloni kommentierte das so:
Wir haben uns gefragt: Warum ist das in 75 Jahren republikanischer Geschichte nie passiert? Warum hat Fanpage das nur mit Fratelli dâItalia gemacht? Ich schĂ€me mich nicht fĂŒr die Tatsachen. Sie verdienen es, kommentiert zu werden, da gibt es keine Zweideutigkeit meinerseits. Aber warum ist in 75 Jahren niemand auf die Idee gekommen, sich in eine politische Partei zu infiltrieren und ihre Sitzungen heimlich zu filmen? Ist das erlaubt? Meine Frage richtet sich an die politischen Parteien, den PrĂ€sidenten der Republik.
Georgia Meloni
Die italienische MinisterprĂ€sidentin bestĂ€tigte, dass sie von diesen VorfĂ€llen in der Jugend ihrer Partei nichts gewusst habe und bekrĂ€ftigte, dass faschistische und antisemitische ĂuĂerungen weder Teil der Fratelli d'Italia seien, noch im Einklang der politischen Linie der Partei stĂŒnden.
Eine Frau des Volkes
Giorgia Meloni hat von Anfang an betont, dass sie eine Frau aus dem Volk ist, eine Mutter wie viele andere Frauen, eine Christin, und sie möchte Giorgia genannt werden. Ihre Botschaft lautete immer: "Ich bin eine von euch".
Eine trĂŒgerische Haltung, und genau das ist die Gefahr. WĂ€hrend die Partei Fratelli d'Italia in Italien als Mitte-Rechts-Partei gilt, wird sie im Ausland als rechtsextreme Partei wahrgenommen.
Man schaue sich nur das Symbol der Partei an: Die Flamme mit der Trikolore [3] hat ihre Wurzeln im Faschismus. Viele Parteimitglieder, darunter Abgeordnete, RegionalrÀte und viele andere Mitwirkende, lehnen die faschistische Periode nicht ab, sondern scheinen fast stolz darauf zu sein, diesen Ursprung zu haben.
Das Symbol der Partei erinnert an den Movimento Sociale Italiano (MSI), eine neofaschistische Partei aus den 1970er/80er Jahren. Giorgia Meloni hat versucht, sich von diesen Wurzeln zu distanzieren und ihre Partei als konservative und patriotische Bewegung darzustellen, aber die Vergangenheit der Partei und einige ihrer politischen Positionen geben Anlass zur Sorge bei denjenigen, die eine RĂŒckkehr autoritĂ€rer oder extremistischer Ideologien befĂŒrchten.
Die Bedenken beziehen sich vor allem auf die Haltung der Partei zur Einwanderung und zur Sicherheit. Das Problem der Einwanderung ist sicherlich nicht einfach zu lösen, aber Meloni hat eine harte Linie verfolgt, indem sie die SchlieĂung der Grenzen befĂŒrwortet hat, was als Gefahr fĂŒr die Menschenrechte und den sozialen Zusammenhalt angesehen werden kann.
Es wird befĂŒrchtet, dass ihre VorschlĂ€ge zu institutionellen Reformen zu einer Machtkonzentration und damit zu einem Abbau der demokratischen Kontrolle fĂŒhren könnten. Giorgia Meloni hat sich als konservativ erwiesen, insbesondere in der Frage der Abtreibung. Ihr ausgeprĂ€gter Nationalismus und ihre antieuropĂ€ische Rhetorik könnten die Spaltung Italiens verstĂ€rken und es international isolieren, so die Sorge ihrer Kritiker.
Ihre AnhĂ€nger sehen in Meloni dagegen eine FĂŒhrungspersönlichkeit, die die traditionellen italienischen Werte, die nationale SouverĂ€nitĂ€t und die kulturelle IdentitĂ€t verteidigt und dem entgegenwirkt, was sie als globalistische Tendenz und ĂŒbermĂ€Ăige Offenheit gegenĂŒber Ă€uĂeren EinflĂŒssen empfinden.
Die Kontrolle ĂŒber die Medien
Ob Giorgia Meloni gefÀhrlich ist oder nicht, nur eine Frage der Perspektive?
Einerseits gibt es diejenigen, die in ihr eine Bedrohung fĂŒr die Demokratie und die BĂŒrgerrechte sehen, und andererseits diejenigen, die in ihr eine notwendige Verteidigerin der italienischen Tradition und SouverĂ€nitĂ€t sehen.
Tatsache ist, dass die Sorge um die Pressefreiheit in Italien unter Meloni zunimmt. WĂ€hrend die Warnungen von EU-Institutionen und Aufsichtsgremien ĂŒber den Zustand der italienischen Medienlandschaft zunehmen, hat die italienische Premierministerin ein Machtwort gesprochen und darauf bestanden, dass es kein Problem mit der Pressefreiheit gibt.
Vielmehr behauptet sie, dass es die Journalisten sind, die die Wahrheit manipulieren. Dass es eine hartes Durchgreifen gegen die Medien gebe, sei lediglich eine Behauptung. Das sehen kritische Journalisten anders.
Unter Melonis FĂŒhrung wurden mehrere FĂ€lle bekannt, in denen Journalisten öffentlich unter Druck gesetzt oder eingeschĂŒchtert wurden. "Das Verklagen von kritischen Stimmen war in Italien lange nicht so in Mode wie derzeit", so das ZDF [4].
Dies schafft ein Klima der Angst und Selbstzensur unter Journalisten.
Kritiker werfen Meloni zudem vor, die UnabhĂ€ngigkeit des staatlichen Rundfunks (RAI) zu untergraben. Es wurde bemĂ€ngelt, dass die Regierung zunehmend Einfluss auf die Inhalte ausĂŒbt und regierungskritische Stimmen marginalisiert [5] werden.
Es gibt Beispiele von investigativen Journalisten, die aufgrund ihrer Recherchen ĂŒber die Verbindungen zwischen Melonis Partei und rechtsextremen Gruppen unter Druck gesetzt wurden. Diese Journalisten berichten von gezielten Diffamierungskampagnen und Drohungen.
URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-9834133
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.spectator.co.uk/article/is-giorgia-meloni-the-most-dangerous-woman-in-europe/
[2] https://www.spectator.co.uk/article/is-giorgia-meloni-the-most-dangerous-woman-in-europe/
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Fratelli_d%E2%80%99Italia_(Partei)_logo.svg
[4] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/italien-meloni-rai-pressefreiheit-100.html
[5] https://www.deutschlandfunk.de/rai-italien-pressefreiheit-meloni-100.html
Copyright © 2024 Heise Medien