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Girlies Werk und Teufels Beitrag

Bild: © Sony Pictures

Charlies Angels - Heldinnen der Erlebnisgesellschaft: Das furiose Kino-Remake der TV-Serie "Drei Engel für Charlie"

"Women can do anything", damit verkündet Sabina, die von Kristen Stewart (in ihrem ersten Mainstream-Blockbuster seit "Snow White and the Huntsman") gespielte erste der drei "Engel für Charlie", gleich im ersten Dialogsatz die wesentliche Botschaft dieses Films. Man muss sie offenbar trotzdem immer noch eigens betonen.

Auch über die Zielgruppe soll schnell Klarheit herrschen: Zum Auftakt zeigen dokumentarische Bilder junge Mädchen im Grundschul- und Teenageralter, die alle möglichen mehr oder weniger coolen, glamourösen, aber auch "typisch männlichen" Dinge - ob Skateboardfahren oder Arbeit im chemischen Labor - tun und so weibliches "Empowerment" ganz konkret verkörpern.

Charlie's Angels (0 Bilder) [1]

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Das macht einerseits klar, dass dieser Film inhaltliche Anliegen hat, zugleich, dass er diese aber fest ins Korsett der Mainstream-Unterhaltung einschnürt und sich damit primär an Jugendliche und junge Erwachsene richten will - "Charlies Angels"-Nostalgiker im Publikum kommen hinzu.

Spiegel eines feministisch informierten Zeitgeists

Zu Beginn eines Unterhaltungsfilms ist das alles trotzdem womöglich etwas zu viel des (pädagogisch) Guten und zugleich gar nicht nötig. Denn "Charlies Angels" waren immer ein Paradebeispiel für Mainstream-Feminismus. Als die gleichnamige Fernsehserie im Herbst 1976 auf dem US-Sender ABC Premiere hatte, diente sie ihrem Produzenten Aaron Spelling, einem Pionier der US-Serienunterhaltung (u.a. mit "Starsky & Hutch", "Denver Clan", "Beverly Hills, 90210"), nicht zuletzt dazu, seinen skeptischen Studio-Bossen zu beweisen, dass auch Serien mit ausschließlich weiblichen Hauptfiguren beim Publikum erfolgreich sein können.

Tatsächlich akzeptierte man hier erstmals Frauen, die wie vor ihnen nur Männer als Privatdetektivinnen, für eine nie näher umrissene Agentur delikate Aufträge übernehmen, auf Verbrecherjagd gehen und dabei keineswegs nur mit den "Waffen einer Frau" "ihren Mann stehen", sondern Männern auch mit Intelligenz und technischem Know-How ebenso wie mit Schusswaffen und Handkantenschlägen mindestens auf Augenhöhe Paroli bieten. Dabei waren "Charlies Angels" dezidierte Teamplayer und wurden mit alldem zum Vorreiter wie Spiegel eines liberalen und feministisch informierten Zeitgeists.

Giggelnder, gut gelaunter "Girlismus", beflissene Diversity

In den beiden von "McG" (Joseph McGinty Nichol) inszenierten Kinoversionen eine Generation später (2000 und 2003) schlug sich einerseits der konservative Rollback mit seinem traditionelleren Frauenbild und neoliberaler Individualisierung, andererseits die Entwicklung der vergangenen 30 Jahre nieder.

Die Engel waren individualistisch, ihre Tätigkeit selbstverständlich geworden.Jahrtausendwende-"Zeitgeist" war vor allem eine comic-hafte Übertreibung und der Hedonismus im Alltäglichen, ein giggelnder, gut gelaunter "Girlismus": Frauen agierten betont gleichberechtigt, aber sie wurden noch immer anders gezeigt. Sie wollten vor allem Spaß im Hier und Jetzt - Heldinnen der Erlebnisgesellschaft.

Zwischen neopuritanischer Pflichterfüllung und Befriedigung des Voyeurismus

Der neue Film, den mit Elisabeth Banks erstmals eine Frau inszenierte, ist im Vergleich zu seinen Vorgängern ernsthafter, weniger leichtfertig, politisch korrekter und darum bemüht, alle potentiellen Fettnäpfchen auszulassen. Zwei der drei "Engel" haben keine weiße Hautfarbe, eine ist offensichtlich bisexuell - im Gesamtbild auch der Nebenfiguren dominiert eine etwas beflissene Figuren-Diversity.

Auch wollte man in Hollywood offensichtlich auf Sexszenen und allzuviele zweideutige Anspielungen verzichten, mehr als ein Flirt ist nicht drin - ansonsten herrscht neopuritanische Pflichterfüllung: Arbeit und innerweltliche Askese dominieren das Leben der Engel. In den früheren Filmen hätte zumindest eine der drei Engel beim Pferderennen eine Wette platziert, eine andere sich von den anwesenden alten Millionären ablenken lassen. Und bei der Begegnung mit dem hübschen Computernerd wäre es auch kaum bei feurigen Blicken geblieben.

Damit beraubt sich die Franchise einiger ihrer zentralen Reize. Denn die liegen nicht in der Spannung der Handlung oder Furcht ums Wohl der Heldinnen, sondern wie bei "James Bond" im Äußerlichen, in Schauwerten und der Befriedigung des Voyeurismus des Publikums. Diese könnte auch im Austragen des Geschlechterkampfes liegen.

Der ist hier allerdings auf ein Minimum reduziert, weil alle männlichen Figuren entweder Verbrecher und damit allzu eindeutige Antagonisten sind oder Zuträger und dienstbare Geister, die damit Traditionen umdrehen, nie aber als Ebenbürtige ernst zu nehmen sind.

Stattdessen setzt "Charlies Angels" auf Action und Humor. Das funktioniert beides gut. Denn Tempo ist alles im Actionfilm, und hier reißt es einen von der ersten bis zur letzten Sekunde an mit: Bei der Festnahme von Gangstern in einem Hochhausappartment in Rio, auf einer Verfolgungsjagd durch Hamburg, in einer Fabrik im Kampf gegen Maschinen und eine Handvoll gedungener Mörder, auf einer Party im 1970er Retro-Stil...

Die eleganteste Szene ist dabei dem Einbrecher-Heist-Genre entlehnt: In identischen Kostümen und mit den selben wasserstoffblonden Perücken verwirren die drei Heldinnen die Sicherheitsbeamten in einer Konzernzentrale, während sie eine wertvolle Beute entwenden.

Dass das alles in der Hamburger Elbphilharmonie gedreht wurde, macht es für deutsche Zuschauer nur zusätzlich attraktiv - die Architektur des vielstöckigen Konzertgebäudes mit seinen vielen Treppen und Innenperspektiven entfaltet die "Elphie" kaleidoskopisch, als sei es ein Bild von M.C.Escher.

Winken mit dem feministischen Zaunpfahl

Die Handlung ist demgegenüber zu vernachlässigen und tatsächlich kaum mehr als ein Vorwand: Angetrieben wird sie durch einen offenkundigen "McGuffin" namens "Calisto", ein faustgroßes, leuchtend grünes Gerät, bei dem es sich um eine Art Energiequelle handelt, die auch als Kommunikationsgerät funktioniert.

Die superschlaue Ingenieurin Elena (Naomi Scott) hat dort eine gravierende Sicherheitslücke entdeckt: Das Gerät kann nämlich auch zur Massenvernichtungswaffe umprogrammiert werden und darf daher nicht in die falschen Hände geraten. Die Gefahr ist ihren Vorgesetzten zwar wohlbekannt, die verfolgen aber ihre eigene Agenda.

Bild: © Sony Pictures

Darum wird Elena zur Whistleblowerin und ist im Gegenzug nun selbst hochgefährdet. Hier nun kommen die Engel ins Spiel: Zunächst Stewarts Sabina und die von Ella Balinska gespielte Jane, zusammen mit Regisseurin Banks in der Rolle einer der unzähligen "Bosleys". Aus der Figur der Serie ist in der nun global agierenden Agentur eine Art Offiziersrang geworden.

Alle drei retten und beschützen zunächst Elena, die nun aber von Minute zu Minute aktiver wird und in die Rolle des dritten Engels hineinwächst - dieser Emanzipationsprozess und das Abstreifen anfänglicher Naivität macht sie zur stärksten Identifikationsfigur; zugleich ist ihre Selbstbefreiung noch ein allerletzter Wink mit dem feministischen Zaunpfahl.

Nicht alles funktioniert in diesem Reboot, aber insgesamt gelingt Banks ein frischer Zugriff auf den Stoff, der zeigt, wie man aus der "Charlies Angels"-Franchise noch Funken schlagen könnte. Gemessen an vergleichbaren Filmen liefert "Charlies Angels" das, was man erhoffen darf: Gute, filmisch virtuose Kino-Unterhaltung - Geschwindigkeit, Tricks, Körper-Kino, das sich keinen Augenblick wirklich ernst nimmt, ohne das umgekehrt die Ironie alles dominiert oder zu pseudointellektuellem Klamauk gerinnt.

Dies ist eines der seltenen zeitgenössischen Beispiele für jenen fast schon ausgestorbenen Typus Film, der gleichzeitig spannend ist und trotzdem viel Witz hat. In den besten Momenten ihres Films findet Regisseurin, Autorin und (Nebenrollen-Darstellerin) Elisabeth Banks eine neue Übersetzung für das ein wenig ausgeleierte Schlagwort von der "Girl Power".


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