Globale Entkopplung zwischen West und Ost: Zum ewigen Krieg

Seite 2: Erhebliche wirtschaftliche Folgen der Entkopplung

Dass sich die westliche Tendenz zur Entkoppelung und Entfremdung nicht längst auch gegen die Chinesen richtet, die es wieder wagen, uns scheel anzusehen, was nicht nur am diplomatischen Ungeschick und den Fauxpas von Frau Baerbock liegt, ist allein an der engen Verflechtung mit der dortigen Industrie und den bestehenden Abhängigkeiten zu erklären. Denn Inflation ist das eine, Unternehmensprofite das andere.

Die Politik bewegt sich hier in einem mehrfach fluiden Feld: Die Folgen der Entkoppelung sind offensichtlich und werden von einer heftigen Propaganda begleitet, die Widersprüche und Unklarheiten kaum zu überdecken vermag.

"Trotz Sanktionen – Russlands Wirtschaft stabiler als gedacht", meldete der öffentlich-rechtliche Deutschlandfunk Ende 2022, nur wenige Wochen, nachdem die ebenso gebührenfinanzierten Kollegen von tagesschau.de zu berichten wussten: "Handelsbeschränkungen wirken: EU-Sanktionen treffen russische Wirtschaft". (Das Adjektiv "hart" am Ende dieser Überschrift wurde von den ARD-Journalisten übrigens nachträglich gestrichen, es war wohl doch etwas zu explizit).

All dies kann nur zur Prognose von zwei Wellen als Folge der globalen Entkopplung zwischen Ost und West führen: einer Kostenwelle und einer folgenden Konfliktwelle, die uns wie ein Tsunami zu überrollen droht.

Schon jetzt zeigen sich die Folgen von Krieg und Sanktionen in den Inflationszahlen, vor allem bei Lebensmitteln. Die Leidtragenden sind stärker noch die Menschen in den Entwicklungs- und Schwellenländern. Bei uns kostet die Milch etwas mehr oder die Mehlregale in den Supermärkten sind immer wieder geplündert. In den Ländern des Südens gibt es keine Milch und kein Mehl mehr.

Dass wir von dieser Realität noch nicht in Gänze erfassen, zeigen aktuelle Umfragen, nach denen eine Mehrheit der Deutschen die Sanktionen gegen Russland unterstützt. Aber dieses Meinungsbild ist nicht in Stein gemeißelt, zumal die Spitze der Eskalationsskala noch lange nicht erreicht ist.

In den USA etwa geht man gegenüber China angesichts der unmittelbaren Konkurrenzsituation weiter – ohne Rücksicht auf Verluste. Nach dem ersten Jahr des Handelskrieges zwischen Washington und Beijing rechneten Analysten mit einem Rückgang des US-Bruttoinlandsprodukts um 0,3 Prozent und dem Verlust von 300.000 Arbeitsplätzen.

Der US-Thinktank Rhodium Group kam in einem Bericht für die US-Handelskammer zu dem Schluss, dass eine Ausweitung der von den USA verhängten Zölle auf chinesische Produkte in Höhe von 25 Prozent bis 2025 zu Verlusten von mehr als 190 Milliarden US-Dollar und bis 2030 zu potenziellen Verlusten von mehr als 250 Milliarden US-Dollar führen würde. In der verarbeitenden Industrie könnten sich die Verluste auf eine Billion US-Dollar belaufen:

Bei einer vollständigen Abkopplung der US-Wirtschaft würden sich die Verluste für US-Vermögenswerte in China auf schätzungsweise 25 bis 75 Milliarden US-Dollar pro Jahr belaufen. Und da ausländische Investitionen inländische Dividenden haben (…) könnten die Gesamtverluste für die US-Wirtschaft bis zu 550 Milliarden US-Dollar pro Jahr betragen.

Die globalen Kosten wären noch höher. Nach Angaben der Wirtschaftsanalyseabteilung der Rhodium Group würde eine 100-prozentige Erhöhung der Zölle auf alle chinesischen Waren und Dienstleistungen mit einem vollständigen Embargo für alle technologie- und sicherheitsrelevanten Sektoren das globale BIP in den nächsten zehn Jahren um 52,8 Billionen US-Dollar schrumpfen lassen. "Das ist so, als würde man Japan über ein Jahrzehnt hinweg aus der Weltwirtschaft ausschließen", fasst die Japan Times ein solches Szenario zusammen.

Alles das ist nur ein kleiner Einblick in das wirtschafts- und sozialpolitische Konfliktpotenzial der "Decoupling"-Strategien. Zumal dieser Trend nicht im luftleeren Raum stattfindet, sondern von einer politischen und diplomatischen Entkopplung flankiert wird. Dazu mehr im zweiten Teil morgen.

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