Globaler Artenschutz: Wie schaffen wir den Wandel?

Artenschutz? Nicht ganz billig. Blickkontakt mit einer Haselmaus: unbezahlbar. Aber auch Menschen brauchen intakte Ökosysteme. Foto: Danielle Schwarz / CC-BY-SA-3.0,2.5,2.0,1.0

Auf der UN-Artenschutzkonferenz Mitte Oktober in Kunming berieten fast 200 Staaten. Das Ergebnis sind unverbindliche Absichtserklärungen

In den Wäldern der chinesischen Provinz Yunnan leben 300 Asiatische Wildelefanten. Die vom Aussterben bedrohte Art ist in China geschützt. So wurden bis vor Kurzem nur 80 Tiere gezählt. Dass die Zahl der Elefanten allmählich wieder steigt, darauf sind die Wildhüter stolz. Allerdings brauchen mehr Tiere auch mehr Futter. Immerhin verdrückt ein ausgewachsener Elefant täglich 200 Kilogramm pflanzliche Masse. Weil im Naturreservat allmählich das Futter knapp wird, machen sich hungrige Elefanten über die Felder der nahegelegenen der Dörfer her.

Zwar kommt die Provinzregierung für die Ernteschäden auf, trotzdem stellen die Bauern mittlerweile auf andere Kulturen um - Tee, Gummi- und Obstbäume, denn die sind für Elefanten uninteressant. Um die Tiere aus den Dörfern herauszuhalten, werden zusätzlich an den Rändern der Siedlungen Bambus, Bambuspalmen, Bananen und Maulbeeren als Elefantenfutter angepflanzt.

Weil sie sich häufig von ihnen bedroht fühlen, greifen Elefanten oft Menschen an. Dabei gibt es mitunter Verletzte und sogar Tote. Nun soll ein Kamera-Warnsystem im gesamten Elefantengebiet die Dorfbewohner per Handy-Nachricht vor herannahenden Elefanten warnen. So fühlen sich die Menschen sicherer und gehen den Elefanten aus dem Weg.

Auf Dauer kann das aber keine Lösung sein, glaubt Zhou Jinfeng von der Stiftung China Biodiversity Conservation in Peking. Würde man alle vier Elefantenreservate, die bisher voneinander getrennt sind, miteinander verbinden, stünde den Tieren ein größerer Lebensraum zur Verfügung, so der Wissenschaftler. Dies würde auch den Menschen auf lange Sicht mehr Sicherheit geben.

Problematisch wird es immer dann, wenn Wildtiere den Menschen ins Gehege kommen. Gibt es hingegen genug Platz für alle, können Mensch und Tier friedlich nebeneinander her leben. Manchmal fühlen sich Menschen für Wildtiere verantwortlich. So wie in den 500 Kilometer weiter nördlich gelegenen Bergwäldern in Yunnan, wo die letzten 1.300 Westlichen Schwarzen Schopfgibbons leben. Diese Art hat in den letzten Jahrzehnten unter der Zerstörung ihrer Lebensräume und starker Bejagung gelitten und wird von der Weltnaturschutzunion (IUCN) als vom Aussterben bedroht eingestuft.

Die Menschen in den umliegenden Dörfern, die zur ethnischen Minderheit der Menghua gehören, glauben, von diesen Affen abzustammen und fühlen sich mit den Gibbons verbunden. Regelmäßig beobachten Wildhüter die Affen im Wald und achten darauf, dass weder Touristen, noch Jäger, noch Baumfäller dort eindringen.

China will in bedrohte Arten investieren

200 Millionen Euro sollen für den Schutz bedrohter Arten bereitgestellt, Naturschutzgebiete sollen weiter ausgebaut werden, kündigte Staatschef Xi Jinping auf der UN-Artenschutzkonferenz an, die im Oktober im chinesischen Kunming tagte. Rund 5.000 Teilnehmer aus fast 200 Vertragsstaaten der UN-Konvention zur biologischen Vielfalt berieten dort Mitte Oktober über ein neues Rahmenabkommen zum Artenschutz.

Bis 2030 soll das Artensterben gestoppt werden, hieß es. Dafür sollen weltweit jährlich 175 Milliarden Euro ausgegeben werden. China will ganz konkret 1,5 Milliarden Yuan - umgerechnet rund 200 Millionen Euro - in den Artenschutz in ärmeren Ländern investieren. Zudem soll ein entsprechender Fonds eingerichtet werden, der Entwicklungsländer gezielt im Artenschutz unterstützt.

Mit großen Solar- und Windenergieanlagen will das bevölkerungsreichste Land der Erde, das zurzeit auch der größte Produzent von Treibhausgasen ist, die Energiewende vorantreiben. Bisher deckt China Land rund 60 Prozent seines wachsenden Energiebedarfs aus fossilen Rohstoffen. Neben anderen Staaten soll auch Deutschland, das sich derzeit mit 800 Millionen Euro beteiligt, seine Hilfe auf mindestens zwei Milliarden Euro pro Jahr zu erhöhen, forderte Xi Jinping.

Luft- und Umweltverschmutzung aller Art kann sich China nicht mehr leisten, mahnt Zhou Jinfeng, der sich bei einer NGO für den Schutz von biologischer Vielfalt und grüner Entwicklung engagiert, im Gespräch mit der ARD. Und meint die Kohlendioxid-Emissionen, die bei der Produktion von Plastik entstehen, den Müll in den Deponien und Plastikreste in Flüssen, Seen und Meeren.

Das Artensterben soll bis 2030 gestoppt werden

Die Teilnehmerstaaten wollen die Artenvielfalt in all ihre Regierungsentscheidungen mit einbeziehen, damit sich die bedrohten Arten wieder erholen können. Um ein massenhaftes Artensterben zu verhindern, müssten die globalen Ausgaben für den Naturschutz verdreifacht werden, heißt es in einem UN-Bericht. Einige der reicheren Länder lehnen es jedoch ab, dafür einen neuen Fonds einzurichten. Dabei geht es gerade darum, dass reiche Länder die ärmeren im Süden finanziell unterstützen. Die Erklärung sei - in all ihrer Unverbindlichkeit - ein starkes Signal an die internationale Gemeinschaft, befand der chinesische Umweltminister Huang Runqiu. Leider wurden die Staaten nicht auf die Umsetzung konkreter Maßnahmen verpflichtet. Im Januar nun sollen weitere Verhandlungen folgen.

Land- und Seenutzung müssten geändert, der Schutz von Ökosystemen verbessert, der Klimawandel abgeschwächt, Umweltverschmutzung verringert und der Raubbau verhindert werden. Bei einem erneuten Treffen in Kunming vom 25. April bis 8. Mai 2022 soll die neue Strategie zum Schutz der biologischen Vielfalt mit konkreten Zielen verabschiedet werden.

In einem ersten Entwurf sollen bis zum Ende des Jahrzehnts mindestens 30 Prozent der Landfläche und der Meere weltweit unter Schutz gestellt werden. Der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft soll um zwei Drittel reduziert, die Verschwendung von Lebensmitteln und Ressourcen halbiert und die Umweltverschmutzung gestoppt werden. In Deutschland will sich Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) nun dafür einsetzen, umweltschädliche Subventionen auslaufen zu lassen. So gibt die Bundesregierung immer noch rund 67 Milliarden Euro für umwelt- und naturschädigende Subventionen pro Jahr aus, unter anderem in den Bereichen Landwirtschaft und Fischerei.

Die Erklärung von Kunming hätte den langsam voran schreitenden UN-Verhandlungen über die biologische Vielfalt einen großen Schub geben können, kritisiert die Umweltorganisation Greenpeace. Momentan seien bei den meisten umstrittenen Themen kaum Fortschritte zu erkennen. Der Ehrgeiz zur Umsetzung müsse sich noch vor der Frühjahrssitzung 2022 steigern. Auch die Rechte indigener Völker und lokaler Gemeinschaften sowie deren Schlüsselrolle bei der Erhaltung der Natur und der biologischen Vielfalt sollten dabei berücksichtigt werden.

Ist die Biodiversität in Gefahr, sei auch das Leben von Menschen gefährdet, erklärte Inger Andersen, Generalsekretärin des Umweltprogramms der Vereinten Nationen. "Denn wir müssen zwar Lebensmittel produzieren, wir müssen aber auch verstehen, dass Landwirtschaft den Verlust von Artenvielfalt vorantreibt", gab Andersen zu bedenken.

Klima- und Biodiversitätskrise sind zwei Seiten einer Medaille

Klimawandel und Artenvielfalt bedingen einander. Werden zum Beispiel Wälder zu sehr ausgelichtet, sind sie in Zeiten großer Dürren und Hitze nicht mehr in der Lage, die Temperaturen zu regulieren. Leider gehören Baumfällungen bis hin zu Kahlschlägen in Schutzgebieten immer noch zum Alltag. Obwohl Deutschland verpflichtet ist, zu kontrollieren, ob die Naturschutzgebiete eingehalten werden, werden systematisch Regeln missachtet - aus reiner Profitgier.

Dies führt zu Vertragsverletzungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof. Hohe Strafen sind die Folge. Würden Schutzgebiete tatsächlich ernst genommen, hätte zum Beispiel der Herrenwald/Dannenröder Wald nahe dem hessischen Stadtallendorf mitten in einem Fauna-Flora-Habitat- Schutzgebiet liegend, im Herbst 2020 nicht gerodet werden dürfen.

Deshalb sollten, gerade wenn es um den Bau einer Autobahn geht, Umweltverträglichkeitsprüfungen ernst genommen und von unabhängiger Stelle durchgeführt werden. Denn hier gilt eine Beachtungspflicht für die Belange des Gesundheitsschutzes. Das Allgemeinwohl ist einem bloßen Verkehrsbedarf übergeordnet.

Ein anderes Beispiel ist die Düngeverordnung, für die bisher das Landwirtschaftsministerium zuständig ist. Es sollte aber dem Umweltressort unterliegen, fordert Dr. Cornelia Ziehm. Viel zu hohe Tierbestände führen zu extrem hohen Nitratwerten in Gewässern. Dies beeinträchtigt die Vielfalt an Wildkräutern. Wenn bestimmte Arten fehlen, sterben Spezialisten unter den Insekten aus, die genau auf diese Arten angewiesen und wichtige Glieder in der Nahrungskette sind.

Wir brauchen einen Paradigmenwechsel

Es gibt einen Zusammenhang zwischen Artenverlust und Klimakrise. In einem Anfang November veröffentlichten Gutachten "Trendwende Umweltpolitik" fordert die Rechtsanwältin bessere Kontrollen über Naturschutzgebiete.

Ob Fauna-Flora-Habitat-, Nitrat- oder Vogelschutzrichtlinie - zwar gebe es verbindliche Vorgaben, doch diese würden nicht umgesetzt, klagt die Autorin. Die Politik zum Schutz der biologischen Vielfalt könne sich nicht gegen andere profitable Vorhaben durchsetzen. Die Durchsetzungsfähigkeit für mehr Umweltschutz müsse daher gestärkt werden. Konkret brauche es ein starkes Umweltressort, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Zudem muss es Kontrollmöglichkeiten für die Zivilgesellschaft über die Exekutive geben.

Wegen des menschengemachten riesigen Verlustes an Biodiversität tragen Ökosysteme immer weniger effektiv zu Klimaregulierung und Ernährungssicherung bei. Ohne eine veränderte Land- und Meeresnutzung kann auch die Klimakrise nicht bewältigt werden.

Der zwingende Handlungsbedarf zum Schutz der biologischen Vielfalt ist lange bekannt. Gleichwohl wurde und wird nicht getan, was getan werden müsste. Obwohl die Bedrohung der Biodiversität ein kritisches Ausmaß erreicht hat, wird der Schutz der biologischen Vielfalt aus kurzfristigen ökonomischen Erwägungen heraus regelmäßig hinten angestellt. Da reicht es eben nicht aus, hier und da an einigen Stellschrauben zu drehen. Es bedarf einer grundlegenden Kursänderung.

Noch haben wir die Chance, den Verlust der Biodiversität zu stoppen. Doch trotz zahlreicher Tagungen, Konferenzen und Verhandlungen scheinen wir nicht voranzukommen - weder in Sachen Klimaschutz, noch beim Schutz der Biodiversität. Daher darf es kein "Weiter so" geben. Nicht nur behördliche Zuständigkeiten müssen sich ändern. Ändern muss sich auch das Verhältnis von Nutzungs- und Gemeinwohlinteressen. Und soll sich wirklich etwas ändern, müssen wir auch an die Strukturen ran.

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