Globaler Süden: Ende westlicher Dominanz als ökonomische Notwendigkeit
In der Konfrontation der großen Blöcke könnte der Globale Süden zum dritten Pol der Weltpolitik heranreifen. Wird das der Westen akzeptieren können? Ein Kommentar., (Teil 2 und Schluss)
Die "regelbasierte Weltordnung" ist in Misskredit geraten – und das aus guten Gründen, wie im ersten Teil des Artikels gezeigt. Ihretwegen bemühen sich die Verantwortlichen um Alternativen – primär im Globalen Süden, aber nicht nur dort.
Jeffrey Sachs hat in einem Interview entscheidende Aspekte angesprochen, darunter hauptsächlich die Bedeutung der BRICS (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) und die Gründung von Entwicklungsbanken, die außerhalb der westlichen Einflusssphäre agieren (können).
Ferner bemühen sich die BRICS auch um alternative Zahlungssysteme, die ohne das US-dominierte SWIFT auskommen und ohne die Verwendung von US-Dollars. Ob es tatsächlich zu einer echten BRICS-Währung kommen wird, darf stark bezweifelt werden.
Mittelfristig werden sich die BRICS-Staaten aber sicherlich um einen internationalen Kreditgeber letzter Instanz bemühen, um den Internationalen Währungsfonds und den Washington Konsens überwinden zu können.
Ablösen der Dollar-Dominanz
Gleichzeitig schichten viele Länder derzeit ihre Währungsreserven um, weil sie in Zukunft nicht mehr so viel US-Dollars benötigen werden.
Aber auch wichtige Industrieländer diversifizieren ihre Handelsbeziehungen: Der französische Präsident ruft Europa dazu auf, seinen über US-Dollar abgewickelten Handel zu verringern. Und Südkorea zum Beispiel wird seinen Warenaustausch mit Indonesien künftig in lokalen Währungen tätigen.
Die wirtschaftlichen Realitäten entsprechen diesem Trend. China ist schon längst wichtigster Handelspartner für die meisten Länder im Süden und darüber hinaus größter bilateraler Akteur in der Entwicklungszusammenarbeit.
Ebenfalls gerne übersehen wird im Westen, dass Russland schon seit den Sowjetzeiten Beziehungen zum Globalen Süden unterhält, die antikoloniale Traditionen einschließen. Indien ist dabei, zur drittgrößten Volkswirtschaft der Welt aufzusteigen und die Wirtschaftskraft der BRICS-Länder übertrifft schon heute die der G7.
Der Globale Süden als dritter Pol
Doch nicht nur für den Globalen Süden geht es ums Überleben, Unabhängigkeit und künftigen Wohlstand. Moskau und letztlich auch Peking kämpfen ebenfalls um ihre selbstbestimmte Zukunft. Beide Länder benötigen solide Partnerschaften mit den Ländern im Süden wie die Luft zum Atmen.
Während Politik und Medien im Westen das nächste BRICS-Treffen daraufhin abklopfen werden, ob der russische Präsident Wladimir Putin nach Südafrika kommt, und ob er dann gegebenenfalls verhaftet wird oder wenigstens verhaftet werden müsste, stehen weltweit mittlerweile bereits 19 Staaten Schlange, um in den BRICS-Klub aufgenommen zu werden.
Bisher bekannt geworden sind Beitrittswünsche von Ägypten, Algerien, Argentinien, Bahrain, Indonesien, Iran, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, sowie von zwei weiteren ost- und einem westafrikanischen Land.
Werden diese Beitritte verwirklicht, würden die künftigen BRICS+ weit bedeutender als die G7. Sie könnten dann in direkten Wettbewerb mit den G20 treten und das von den G7 gegründete Forum überflüssig machen, in dem ursprünglich ohnehin nur Verschuldungsfragen bearbeitet werden sollen.
Das G7-Format könnte an Bedeutung verlieren
Überflüssig, nicht so sehr aus Gründen der Repräsentanz (Bevölkerung, Wirtschaftskraft), sondern vor allem, weil Schuldenfragen und -erlasse dann immer öfter ohne die G7, die Bretton-Woods Institutionen und den Paris-Club der privaten westlichen Gläubiger besprochen werden können.
Nachdem die USA ihren unipolaren Moment zwischen 1990 und 2020 mit Farbrevolutionen, erpresserischer Außen- und Wirtschaftspolitik, missglückten Militärinterventionen und einem verfehlten Krieg "gegen den Terror" vertändelt haben, steht nun schlussendlich doch das Ende der westlichen Vorherrschaft auf dem Spielplan.
In den nächsten Jahrzehnten ist eine politökonomische Neuordnung der Welt zu erwarten, die die Umwälzungen im Zuge der beiden Weltkriege sogar noch übertreffen könnte, dabei aber hoffentlich nicht so viele Opfer fordern wird.
Globaler Süden kann zum dritten Pol der Weltpolitik werden
Als dritter Pol zwischen den USA einerseits sowie Russland und China andererseits wird in dieser künftigen multipolaren Welt jedoch nicht Europa stehen. Es wird der Globale Süden sein, der versuchen wird, diese Antagonismen im Kalten Krieg 2.0 auszugleichen und zu seinem Vorteil zu nutzen.
"Viele Entwicklungsländer haben in den letzten Jahrzehnten beträchtliche wirtschaftliche Ressourcen und politische Anziehungskraft aufgebaut", schreibt die South China Morning Post. "Sie haben ihre eigenen Interessen zu verteidigen, Werte hochzuhalten und ihre eigene Geschichte zu erzählen. Sie wählen ihren Weg selbst und sprechen mit ihrer eigenen Stimme."
Es steht zu befürchten, dass der Westen auf absehbare Zeit nicht dazulernt. Man wird weder bereit sein, den eigenen Bedeutungsverlust zu akzeptieren und sich wirtschaftlich und politisch einzuordnen, noch wird man den Ländern im Globalen Süden freiwillig ihre spezifischen Entwicklungswege zugestehen.
Und solange das so bleibt, werden Russland und China – aber auch unabhängige, große Regionalmächte wie Indien und Brasilien – die wirtschaftlich und politisch wesentlich attraktivere Alternative für den Globalen Süden darstellen.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.