Glyphosat: Von "wahrscheinlich krebserregend" zu "keine kritischen Problembereiche"
In Produktnamen wie Herbolex und Roundup steckt Glyphosat. Bild: Parkywiki / CC BY-SA 4.0
EuropĂ€ische Behörde fĂŒr Lebensmittelsicherheit gibt vorerst grĂŒnes Licht fĂŒr verlĂ€ngerte Zulassung des Herbizids. Dem Hersteller gefĂ€llt das. Warum es keine echte Entwarnung ist.
Als "wahrscheinlich krebserregend" war das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat vor acht Jahren von der WHO eingestuft worden. Krebskranke, die mit dem Herbizid in Kontakt gekommen waren, hatten teils erfolgreich gegen den Hersteller Bayer (ehemals Monsanto) prozessiert und in den USA mehrere Millionen Dollar Schadenersatz erstritten [1].
In letzter Zeit gewann der Agrar- und Pharmakonzern allerdings auch wieder Glyphosat-Prozesse. Allerdings nicht, weil der von den KlĂ€gern vermutete Zusammenhang gerichtlich widerlegt wurde. Stattdessen wurden neuerliche ĂberprĂŒfungen verlangt [2].
Am 15. Dezember dieses Jahres sollte die Zulassung des Herbizids in der EU enden. Eigentlich! In der Debatte um eine ZulassungsverlĂ€ngerung sieht die EuropĂ€ische Behörde fĂŒr Lebensmittelsicherheit (Efsa) laut einer am Donnerstag veröffentlichten EinschĂ€tzung "keine kritischen Problembereiche" [3], aber DatenlĂŒcken und offene Fragen.
Als "kritisch" gilt ein Problembereich nach Lesart der Behörde, wenn alle vorgeschlagenen Verwendungen von Glyphosat "betroffen" sind und beispielsweise schÀdliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier haben könnten.
Zu den noch nicht abschlieĂend geklĂ€rten Aspekten gehörten allerdings laut einer Efsa-Mitteilung vom Donnerstag auch ernĂ€hrungsbedingte Risiken fĂŒr Verbraucher â neben der Bewertung von Risiken fĂŒr Wasserpflanzen und möglichen Folgen fĂŒr den Artenschutz. Hierzu lieĂen die aktuell verfĂŒgbaren Informationen keine eindeutigen SchlĂŒsse zu, rĂ€umt die Behörde mit Sitz im italienischen Parma ein.
Nach EinschĂ€tzung der Efsa sind die Risiken aber zumindest nicht so groĂ, dass eine weitere Zulassung jetzt untersagt werden mĂŒsste. EU-Kommission und Mitgliedstaaten sollten aber nicht abschlieĂend geklĂ€rte und offene Fragen "in der nĂ€chsten Phase des Verfahrens zur Erneuerung der Genehmigung berĂŒcksichtigen", teilt die Efsa am Donnerstag mit.
Insgesamt seien 23 vorgeschlagene Verwendungen untersucht worden. Mit Blick auf die UmweltschĂ€dlichkeit von Glyphosat wurde zwar bei 12 der 23 vorgeschlagenen Verwendungen "ein hohes langfristiges Risiko fĂŒr SĂ€ugetiere ermittelt" â um dies als "kritisches Problem" zu betrachten, das einer Zulassung im Weg steht, mĂŒssten nach Angaben der Behörde aber bei allen 23 vorgeschlagenen Verwendungen schĂ€dliche Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen oder Tieren ermittelt werden.
Bayer spricht von "abschlieĂender wissenschaftlicher Schlussfolgerung"
Wohl auch aufgrund solcher Definitionen wirft das Umweltinstitut MĂŒnchen wirft der Efsa Einseitigkeit vor â sie stĂŒtze sich auf von der Industrie finanzierten Studien, die Glyphosat Harmlosigkeit bescheinigen.
Der Glyphosat-Hersteller Bayer begrĂŒĂt erwartungsgemÀà die Ergebnisse der Efsa, bezeichnet sie aber â anders als die Behörde selbst â als "abschlieĂend": "Diese abschlieĂende wissenschaftliche Schlussfolgerung legt den Grundstein fĂŒr die erfolgreiche Wiederzulassung von Glyphosat in der EU", hieĂ es am Donnerstag von Seiten des Konzerns.
Laut Guilhem de Seze, Leiter der zustÀndigen Efsa-Abteilung [4], ist die Risikobewertung das Ergebnis der Arbeit von Dutzenden Wissenschaftlern und der EU-Mitgliedstaaten in einem dreijÀhrigen Verfahren.
Im MĂ€rz 2015 hatte die Internationale Agentur fĂŒr Krebsforschung (IARC), eine Unterorganisation der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Glyphosat als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft.
"Die neue EinschĂ€tzung der EuropĂ€ischen Behörde fĂŒr Lebensmittelsicherheit zu Glyphosat widerspricht der Bewertung durch die Weltgesundheitsorganisation und zahlreichen wissenschaftlichen Studien", betonte daher am Donnerstag der BundesgeschĂ€ftsfĂŒhrer der Deutschen Umwelthilfe, JĂŒrgen Resch.
Glyphosat ist noch bis zum 15. Dezember EU-weit zugelassen. Unter BerĂŒcksichtigung der Efsa-Ergebnisse will die EU-Kommission einen Vorschlag zur weiteren Genehmigung entwickeln. Ăber eine Wiederzulassung entscheiden dann allerdings die Agrarministerinnen und Agrarminister der EU-Staaten.
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Ăzdemir (GrĂŒne) hat sich bereits klar dagegen positioniert [5].
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[1] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/strafe-monsanto-103.html
[2] https://www.zdf.de/nachrichten/wirtschaft/bayer-glyphosat-prozess-usa-100.htmlfe
[3] https://www.efsa.europa.eu/de/news/glyphosate-no-critical-areas-concern-data-gaps-identified
[4] https://www.efsa.europa.eu/en/staffdirectory/staff/guilhemdeseze_bio
[5] https://www.topagrar.com/management-und-politik/news/oezdemir-will-weder-neue-gentechnik-noch-glyphosat-nach-2023-13425202.html
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