Gnadenloses Geschäft: Wie die Fleischlobby unsere Gesundheit verhökert
Antibiotika sind in der Massentierhaltung allgegenwärtig. Doch der übermäßige Einsatz führt zu Resistenzen. Wie gefährlich wird das für uns alle?
Grundsätzlich sollten Antibiotika nur sparsam und gezielt eingesetzt werden, um ihre Wirksamkeit möglichst lange zu erhalten. Zu häufige Antibiotika-Gaben erhöhen das Risiko der Bildung resistenter Bakterien, gegen die diese Antibiotika dann nicht mehr wirken.
Ein aktuelles wirtschaftliches Problem bei den Antibiotika besteht darin, dass sie meist sehr preiswert hergestellt werden können und daher die Margen so niedrig sind, dass sich die Forschung auf der Suche nach neuen Antibiotika kaum mehr rechnet. Ohne staatliche Förderung wird sich das auch nicht mehr ändern. Daher hat Deutschland für die Erforschung und Entwicklung neuer Antibiotika die Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie Dart 2030 aufgelegt.
Zwar ist der Einsatz von Antibiotika als Leistungsförderer oder Mastbeschleuniger in der EU seit vielen Jahren verboten, nicht aber die Antibiotika-Gabe in der Massentierhaltung zur Erhaltung der Tiergesundheit. Die Unterscheidung zwischen den beiden Anwendungszwecken wird jedoch immer schwieriger, wenn bereits die Erkrankung eines Huhns in einem Betrieb eine flächendeckende Gabe von Antibiotika auslösen kann. Die Mastbeschleunigung wäre dann ein Kollateralnutzen.
Antibiotika-Gaben in der industriellen Massentierhaltung zwingend erforderlich
85 von 100 Hähnchen erhalten während ihrer Mast Antibiotika, oft sogar mehrere Wirkstoffe. Weil die häufigen Antibiotika-Gaben zu immer mehr Resistenzen führen, werden in der industriellen Tierhaltung zunehmend auch sogenannte Reserveantibiotika eingesetzt.
Reserveantibiotika sollten eigentlich nur bei kranken Menschen zum Einsatz kommen, die an Infektionen mit resistenten Keimen leiden, gegen die herkömmliche Antibiotika nicht mehr wirken. Ohne wirksame Reserveantibiotika gilt die Stabilität des hiesigen Gesundheitssystems als bedroht und man kann in solchen Fällen eine erfolgreiche Behandlung dann nicht mehr realisieren.
2015 wurde deshalb eine Reduktionsstrategie für den Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung beschlossen. Welche Erfolge diese Strategie zeigt, ist bisher nicht abschätzbar. Hauptursachen für die deutlich überhöhten Antibiotika-Gaben in der Tierhaltung sind die schlechten Haltungsbedingungen, die auf maximalen Ertrag ausgelegte Hochleistungszucht sowie eine nicht artgerechte Fütterung.
In der intensiven agrarindustriellen Tiermast ist es durchaus üblich, dass auch bei gesunden Tieren Antibiotika angewendet werden. Das Ziel ist eine bessere Futterverwertung, also eine Steigerung der täglichen Gewichtszunahme. Das bedeutet, dass in kürzerer Zeit und mit weniger Futter das angestrebte Schlachtgewicht erreicht werden kann. Den Preis dafür bezahlen die Menschen, die an multiresistenten Keimen erkranken.
Hilfreich wäre ein verbesserter Tierschutz. Doch beim Tierschutz kommen die deutschen Bundesregierungen nicht voran. Zu stark ist die Bauern-Lobby und die Angst der Politik vor einem erneuten Traktoren-Korso in Berlin.
Wer möchte sich da darüber wundern, dass rund 30 Prozent des Hähnchenfleischs in Discountern mit gefährlichen Antibiotikaresistenzen kontaminiert sind und der Kontakt mit rohem Hähnchenfleisch daher grundsätzlich vermieden werden sollte, also besonders hohe Hygieneanforderungen gelten müssen.
In der agrarindustriellen Tiermast werden nicht nur Geflügel, sondern auch Schweine, Mastkälber und -Bullen mit Antibiotika behandelt. Die Immunabwehr dieser Tiere ist schon zu Beginn ihres kurzen Daseins massiv geschädigt. Zudem haben die Tiere unter den Haltungsbedingungen zu leiden. So werden etwa in der Junghühnermast bis zu 40.000 Broiler in riesigen Mastställen mit bis zu 26 Tieren pro Quadratmeter eingepfercht.
Der Antibiotikaeinsatz in der Tierzucht reduziert deren Wirkung in der Humanmedizin
Der Antibiotika-Verbrauch in Deutschland gilt als erschreckend hoch. Durchschnittlich werden hierzulande knapp 70 Milligramm Antibiotika je Kilogramm Tiergewicht eingesetzt. Seit mehr als zehn Jahren stagniert der Anteil der Reserveantibiotika bei rund 20 Prozent des Gesamtverbrauchs von Antibiotika in der Tierhaltung und sorgt damit für mehr Resistenzen gegen diese medizinische Reserve.
Es gibt fünf Wirkstoffklassen bei den Reserveantibiotika, die in der Humanmedizin als letztes Mittel eingesetzt werden können, wenn Keime gegen die üblichen Antibiotika bereits Resistenzen gebildet haben. Wenn dann über den Verzehr tierischer Produkte Keime mit Antibiotikaresistenzen in den menschlichen Körper gelangen, kann schon eine eigentlich einfach zu behandelnde bakterielle Infektion für Betroffene tödlich enden.
Zahlreiche Krankenhäuser, aber auch viele Hausärzte sind im Falle von Antibiotikaresistenzen sehr früh mit ihrem Latein am Ende und behandeln mit nicht wirksamen Mitteln gegen unbekannte Keime, wo ein einfacher Abstrich im Labor dann zielgerichtete Antibiotika zur Behandlung empfehlen könnte. In Europa sterben jährlich über 33.000 Menschen an Infektionen, weil Antibiotika bei ihnen nicht mehr wirken.