Goldfieber im Amazonas: Wirtschaft kriselt, Goldpreis steigt, Regenwald stirbt
Illegaler Goldabbau in Amazonas. Bild: PARALAXIS.COM/ Shutterstock.com
Im Amazonas tobt ein gnadenloser Goldrausch. Tausende illegale Schürfer verwüsten den Regenwald. Und nun mischen auch noch die Drogenkartelle mit.
Der illegale Goldabbau im Amazonasgebiet hat in den vergangenen Jahren massiv zugenommen. Getrieben von hohen Goldpreisen und schwacher staatlicher Kontrolle schürfen Zehntausende sogenannte "Garimpeiros" nach dem Edelmetall – und hinterlassen dabei verheerende Schäden an der Umwelt.
Besonders alarmierend: Immer öfter mischen auch Drogenkartelle im lukrativen Geschäft mit. Genauer gesagt: Einem Geschäft, das durch die Destabilisierung der Energiemärkte, Inflation und Unsicherheit im Handel noch lukrativer geworden ist.
Die Folge ist ein regelrechter Boom des illegalen Goldabbaus. Schätzungen zufolge stammen heute 20 bis 25 Prozent des weltweit geförderten Goldes aus dem weitgehend unregulierten Kleinbergbau, dem sogenannten "Garimpo". Allein in Brasilien werden jährlich mehr als 20 Tonnen Gold illegal abgebaut – mit einem Marktwert von rund 1,7 Milliarden US-Dollar.
Die Folgen für die Umwelt sind verheerend: Riesige Flächen Regenwald werden abgeholzt, Flüsse umgegraben und mit hochgiftigem Quecksilber verseucht. Das beim Goldwaschen eingesetzte Schwermetall gelangt in die Nahrungskette und vergiftet die lokale Bevölkerung.
Mit einem Anteil von fast 30 Prozent ist der Garimpo inzwischen die größte Quelle globaler Quecksilberemissionen – noch vor Kohlekraftwerken.
Eine besonders beunruhigende Entwicklung: Immer häufiger beteiligen sich auch Drogenkartelle am illegalen Goldgeschäft im Amazonas. Das organisierte Verbrechen nutzt den Goldhandel nicht nur zur Geldwäsche von Drogengeldern.
Durch die Kontrolle von Minen generieren die Banden zusätzliche Einnahmen und festigen ihre Macht in der Region. "Die kriminellen Organisationen haben einen neuen Markt für sich entdeckt", sagt Staatsanwalt Andre Luiz Porreca Ferreira Cunha. "Sie erschaffen Parallelstaaten mitten im Amazonas. Das ist erschreckend."
Rivalisierende Drogenbanden
Wie skrupellos die Narco-Goldgräber vorgehen, zeigt der Fall von Benildo Rodrigues. Der Pilot wollte mehr als 45 Kilo illegal geschürftes Gold im Wert von über vier Millionen US-Dollar außer Landes schaffen. Bei der Zwischenlandung in Manaus, der Hauptstadt des Bundesstaates Amazonas, wurde er jedoch von Bandenmitgliedern angegriffen und angeschossen. Die Polizei geht davon aus, dass rivalisierende Drogenkartelle hinter dem Überfall stecken.
Behörden überfordert
Lange Zeit haben die brasilianischen Behörden dem illegalen Goldabbau tatenlos zugesehen. Unter dem rechtsgerichteten Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro, selbst ein Unterstützer der Goldgräber, wurde kaum gegen die Umweltzerstörung vorgegangen. Zuständige Stellen wie die nationale Bergbaubehörde ANM sind personell wie technisch schlecht aufgestellt. Von den eigentlich vorgesehenen 895 Fachstellen für Bodenschätze sind gerade einmal 295 besetzt.
Erst unter Bolsonaros Nachfolger Lula da Silva gibt es zaghafte Versuche, den Garimpo einzudämmen – mit militärischen Razzien gegen Goldgräber-Camps oder dem Versenken von Abbau-Equipment. Doch oft weichen die Wildcatter einfach in noch abgelegenere Regionen aus – und geraten dort unter den Einfluss der Drogenkartelle. Gerade die harte Gangart der Regierung treibe viele Garimpeiros in die Illegalität, kritisieren Beobachter wie der Anwalt Claudio Atilio Mortari.
Düstere Aussichten
Experten sehen den Amazonas an einem gefährlichen Kipppunkt. Sollten Drogenhandel und organisierte Kriminalität in der Region weiter zunehmen, könnte die Lage außer Kontrolle geraten – so wie in einigen Regionen Nordmexikos, wo ganze Landstriche unter der Herrschaft von Kartellen stehen.
"Die Angst ist, dass die Verbindung zwischen Narcos und Garimpeiros wächst und sich in etwas Gewalttätigeres verwandelt – dass es völlig außer Kontrolle gerät", sagt João Paulo Berté, ein Polizeichef im Bundesstaat Mato Grosso.
Ab wann ist der Schaden irreparabel?
Es braucht dringend eine alternative wirtschaftliche Perspektive für die Zehntausenden Goldgräber und eine konsequente Bekämpfung der Drogenkartelle, fordern Beobachter. Andernfalls könnte der Regenwald noch viel mehr Schaden nehmen – mit katastrophalen Folgen für die indigene Bevölkerung, das Weltklima und die globale Artenvielfalt.