Goofy for President!
"Final Fantasy Tactics Advance" ist komplexer als es zunächst scheint
So ganz scheint sich Nintendo von dem Image, Videospiele vor allem für Kinder herauszugeben, nicht befreien zu wollen. Die Niedlichoptik von "Final Fantasy Tactics Advance" für den Gameboy Advance (GBA) versteckt die spielerische Komplexität.
Mit einer bereits mehr als fünfzehn Jahre andauernden Historie gehört Squares (inzwischen Square Enix) Final Fantasy Serie zu den Klassikern des doch immer noch recht jungen Videospiel-Genres. Final Fantasy Tactics Advance (FFTA) für den Gameboy Advance (GBA) markiert das Ende von Squares Nintendo-freier Epoche - 1997 wandte sich Square von dem einen japanischen Konsolenriesen ab, dem anderen zu und brachte "Final Fantasy VII" nach langer (S)NES-Exklusiv-Tradition ausschließlich für Sonys Playstation und den PC.
Viele Videospieler werden mit der Final-Fantasy-Reihe in Berührung gekommen sein, einige mögen den Playstation-Titel "Final Fantasy Tactics" gespielt haben, den Vorgänger des jüngsten GBA-Sprosses der Serie. Der Name sagt es bereits: Die Fantasywelt dient in FFTA nicht wie in den anderen Final-Fantasy-Spielen als Hintergrund für ein episches Rollenspiel (RPG), sondern vielmehr als Schauplatz für taktische Kämpfe. Die Rahmenhandlung dient schlicht dazu, die einzelnen Gefechte miteinander zu verknüpfen.
Rollenspielelemente hinsichtlich der Charakterentwicklung bleiben dem Spieler zu Genüge erhalten, episch jedoch begrenzt sich das Spiel auf ein Minimum: Die Story, die wie die Grafik offenkundig auf ein jüngeres Publikum zielt, dient dazu, die Kämpfe miteinander zu verknüpfen, dem Taktieren eine dünne Hülle und dem Spieler Erklärungen zum Spiel zu geben. Eine Gruppe Kinder wünscht sich in die Welt ihres "magischen" Final-Fantasy-Buchs, und fatalerweise erfüllt das Schicksal diesen Wunsch. Der Spieler übernimmt die Rolle von Marche, der sich - anders als einige seiner Freunde, auf die er im Spielverlauf mehrfach trifft - nach der realen Welt zurück sehnt. Dazu wird er Anführer eines "Clans", einer Gruppe von Kreaturen, die er von Kampf zu Kampf führt.
Der erwachsene Spieler muss die erste Viertelstunde des kindlichen Geschehens über sich ergehen lassen und dabei der Versuchung widerstehen, das Spielmodul als Kinderspiel abgestempelt in die Ecke zu werfen. Trotz der Rahmenhandlung entfaltet sich vor dem Spieler nach und nach ein komplexes Strategiespiel, das seine spielerische Tiefe mit der Zeit immer weiter offenbart. FFTA ist übrigens keine einfache Portierung des Playstation-Titels "Final Fantasy Tactics", sondern Square hat das Spiel komplett neu entwickelt und dabei nicht, wie Grafik und Story vermuten lassen, vereinfacht, sondern um neue Aspekte - allen voran ein Gesetz-System - erweitert.
Gut und gern neunzig Prozent der Spielzeit verbringen Marche und seine Clan-Mitglieder auf isometrischen, in quadratische Felder unterteilten Kampfflächen. Die Kämpfe, an denen sich bis zu sechs Clan-Mitglieder beteiligen, sind rundenbasiert und enden üblicherweise mit dem Besiegen aller Gegner - gewohnte Taktikkost soweit. Die Besonderheit von FFTA gegenüber Spielen wie "Advance Wars" (vgl Spaßiger Kleinkrieg) ist wie in 3Dos Heroes of Might And Magic (HoMM) Serie die Verflechtung des rundenbasierten Taktik- mit dem Rollenspiel-Genre. Jede erfolgreiche Aktion im Kampf - neben Attacken auch Heilzauber oder Anwendung von Gegenständen - wird mit Erfahrungspunkten belohnt, mit denen die Charaktere stufenweise aufsteigen. Für die langfristige Strategie ist es unerlässlich, schwächere Clan-Mitglieder auf Missionen in sicheren Positionen mitzunehmen, um für jede Gefechtssituation eine ausgewogene Gruppe parat zu haben.
RPG-Elemente wie die Fertigkeiten und das Job-System sind, wie man es von einem Square-Titel erwartet, mehr als schlichtes Beiwerk. Je nach Rasse dürfen die Charaktere unterschiedliche Jobs vom Soldaten über Bogenschützen und Diebe zu Magiern annehmen. Höhere Jobs erfordern zunächst genügend Fertigkeiten in den unteren Klassen, wobei mehrere Job-Wechsel nicht nur möglich, sondern für manche Jobs unausweichlich sind: Um beispielsweise Illusionist zu werden, muss der Charakter zuvor Fertigkeiten des Weißmagiers und Schwarzmagiers beherrschen. Das Ability-System ist Veteranen der Final Fantasy Serie bekannt: Gegenstände wie Waffen und Rüstungen beinhalten Fertigkeiten, die sie mit der Zeit auf ihre Besitzer übertragen. Hat ein Charakter eine Fertigkeit einmal gemeistert, kann er sie ohne den jeweiligen Gegenstand einsetzen und auch nach einem Jobwechsel auf die Abilities aus einem anderen Beruf zurückgreifen. So darf der oben beschriebene Illusionist entweder seine weiße oder seine schwarze Magie in Kämpfe mitnehmen.
Außerhalb des Kampfgeschehens ist der Spieler damit beschäftigt, den Charakteren die passenden Gegenstände zuzuordnen, um ihnen ausgewogenen Fertigkeiten zu verleihen - spätestens bei der Entwicklung der Charaktere wird klar, dass Optik und Story FFTAs einziges kindliches Element bleiben. Die Gesamtstrategie ist komplexer als die Taktik innerhalb der Kämpfe. Der Einsatz der immer gleichen Figuren - möglichst noch in einem Job hochgetrimmt - bringt den Spieler bald in Bedrängnis. Ein festes, starkes Sixpack als Gruppe wie in typischen RPGs ist in FFTA zu wenig, da stets Charaktere auf Einzelmissionen unterwegs sind, deren Erfolg wiederum in erster Linie von der Stärke des jeweiligen Charakters abhängt. Auch erhalten die Figuren auf höheren Levels im Kampf gegen schwächere Gegner weniger Erfahrungspunkte als Recken der unteren Stufen.
Dass die Balance stimmen muss, versteht sich von selbst: Das stärkste Kämpfer-Team ist gegen nur magisch verwundbare Monster so machtlos wie sechs schwarze Läufer gegen einen König auf weiß. Einen weiteren Dreh bringt das Gesetz-System von FFTA: Alle Kampfszenarien - zumindest während der ersten 20 Spielstunden - haben bestimmte Regeln, die von einem Richter überwacht werden. So gibt es beispielsweise Gefechte, in denen die Verwendung von weißer Magie oder der Einsatz von Schwertern untersagt ist - Zuwiderhandlungen werden mit gelben oder roten Karten geahndet, ein Verweis führt geradewegs in den Kerker. Zu Spielbeginn ist an jedes Kampffeld exakt eine Regel gebunden, die simple Strategie liegt hier schlicht im Vermeiden von ungünstigen Konditionen, da die Gesetze mit der Zeit wechseln. An Komplexität gewinnt die Gesetzgebung nach der Einführung des zweiten Gesetzes, der stärkeren Verallgemeinerung (statt Schwertern ist beispielsweise plötzlich jedweder Waffen-Angriff verboten) und insbesondere der erweiterten Kampffunktion "Gesetzeskarten", mit denen der Spieler bestehende Gesetze annulliert oder neue hinzufügt.
Mit der Zeit zieht FFTA die Komplexitätsschraube langsam an: Was zunächst als einfache, rundenbasierte Taktik beginnt, entwickelt sich zum komplexen Strategieszenario. Das Handbuch benötigt der Spieler dabei eigentlich nur, um sich in die katastrophale Menu-Steuerung einzuarbeiten, die "Spielregeln" erklären die Charaktere dem Spieler als Bestandteil der Story, angefangen mit einem einfachen Tutorial über die grundlegende Steuerung der Figuren in Form einer Schneeballschlacht. Nach und nach erklären einem die verschiedenen Figuren den Einsatz und die Entwicklung von Fertigkeiten oder die Auswirkung der Gesetze. Auch über den mysteriösen Ort Jakht Dorsa, an dem kein Richter über die Gesetze wacht, was die Charaktere allerdings mit einem hohen Preis bezahlen, weil sie dort tatsächlich endgültig sterben können.
"Final Fantasy Tactics Advance" ist wie ein Disney-Schachspiel mit Goofy als König: Die Putzelgrafik ist arg gewöhnungsbedürftig, was der spielerischen Tiefe zum Glück wenig Abbruch tut. Dank der sich steigernden Komplexität bleibt der Spielanreiz auch über lange Zeit erhalten. Nach der Rückkehr zum Gameboy, dürfen sich auch GameCube-Besitzer auf Squares Rückkehr freuen, allerdings wird das in Deutschland für 2004 angekündigte Final Fantasy Chronicles eine Portierung von zwei Klassikern der Serie: "Final Fantasy IV" und "Chrono Trigger". Am 28. Oktober startete in den USA mit dem Online-RPG Final Fantasy XI erstmals seit FF VII eine PC-Version der Serie.