Greta-Beraterin: "Wir sind im Krieg. Kriminell ist, wer beim Klima nicht führt."

Seite 2: Die gesamte Klimabewegung muss erwachsen werden

Sie haben sich an der Organisation der weltweiten Klimastreiks beteiligt und haben Greta Thunberg und Fridays for Future von Anfang an beraten. Klimastreiks und Aktionen zivilen Ungehorsams finden immer noch statt. Ich war in Glasgow, da gab es große Demonstrationen. Vor der Wahl in Deutschland haben 600.000 Menschen für den Umstieg auf erneuerbare Energien demonstriert. Greta Thunberg hat hier in Berlin vor dem Reichstag gesprochen. Aber es ist immer noch ein harter Kampf und die Mobilisierung wird immer schwieriger. In den USA diskutieren Sie darüber, wie man die Menschen erreichen kann, die täglich darum kämpfen, über die Runden zu kommen. Was sind Ihrer Meinung nach die strategischen Herausforderungen in der Klimabewegung und insbesondere bei Fridays for Future?

Janine O'Keeffe: Fridays for Future basiert, ähnlich wie Extinction Rebellion, auf lokalen Gruppen, die selbst entscheiden, was sie tun wollen. Seien es Schulgruppen oder Erwachsenengruppen. Sie ergreifen von sich aus die Initiative und organisieren ihre Aktionen selbst. Es gibt zentrale Gruppen, die einige Entscheidungen treffen. Aber ihre Entscheidungen sind ziemlich allgemein gehalten.

Ich arbeite nicht nur mit Fridays for Future zusammen. Ich arbeite mit vielen Klimabewegungen zusammen. Vor Fridays for Future war ich bei einer Gruppe namens Klimaparlament in Stockholm / Schweden und bei Climate Action, ebenfalls eine schwedische Gruppe. Jetzt bin ich bei einer Gruppe namens Klima-Bündnis, einer neuen Partei in Schweden.

Stellen Sie sich vor, Sie hätten eine Klaviatur, auf der eine Taste Fridays for Future heißt, weitere andere heißen Extinction Rebellion, Letzte Generation, Restore the Wetlands, Sunrise Movement in den USA und so weiter. Einige Tasten spielen Sie nicht sehr oft, andere sind Ihnen vertrauter. Man versucht, mit allen so gut wie möglich zusammenzuarbeiten. Aber wir spielen alle unsere eigene Melodie.

Es geht darum, den Menschen zu helfen, zu verstehen, dass sie eine Vielzahl von Möglichkeiten haben und dass sie viele dieser Möglichkeiten nutzen können – gleichzeitig oder einzeln, um ihren Einfluss zu steigern. Das ist für mich ein strategischer Schritt, um sich nicht als Teil einer isolierten Gruppe in Konkurrenz zu anderen zu sehen, während man sich gegenseitig kritisiert.

Die Wahrheit ist: Jeder experimentiert. Die Frage ist: Zu wie vielen Gruppen will ich gehören? Wir sind eine Gemeinschaft. Ich kann durch das Zusammenwirken Integrität und Selbstbewusstsein als Aktivist:in erlangen. Ich kann respektvolle Beziehungen aufbauen. Dadurch finde ich zu meiner eigenen Tastatur. Wir alle spielen so viel wie möglich, so viele Tasten wie möglich, und wir sind im Einklang und schließen uns anderen an.

Manchmal gibt es eine Aktion, mit der man sich nicht ganz wohl fühlt. Das bedeutet, dass man sich von dieser Taste zurückzieht. Aber vielleicht benutzt man sie nächste Woche. Das ist ein wichtiger Schritt, den jeder Einzelne tun muss.

Janine O'Keeffe blockiert im Juli zusammen mit Scientist Rebellion eine Straße in Deutschland.

Generell denke ich, dass die gesamte Klimabewegung erwachsen werden muss. Sie muss akzeptieren, dass der Feind hunderte, wenn nicht tausende Male größer ist. Wir sind eine Bewegung seit "Silent Spring" (ein Buch der US-amerikanischen Biologin Rachel Carson aus dem Jahr 1962, das Umweltbewegungen inspirierte, Telepolis). Unsere Regierungen haben uns aber nicht zugehört. Selbst Fridays for Future und den Massenbewegungen hören sie nicht zu.

Sie haben vorhin gesagt, dass die Proteste Wahlen und Entscheidungen beeinflusst hätten. Aber wie viele Entscheidungen der Regierungen haben einen wirklichen Effekt bewirkt? Bei den meisten Politiken geht es um Anpassungsmaßnahmen gegen die Erderhitzung, die Reduzierung der Treibhausgase wird, wenn überhaupt, kaum angegangen.

Viele Regierungen haben den Klimanotstand ausgerufen. Aber sie reden nicht in der gleichen Weise darüber wie bei Covid. Die Klimakrise ist aber weit mehr schwerwiegender als die Pandemie. Wie viele Staaten betreiben ernsthafte Notfallwarnsysteme? Sehen Sie sich das Ahrtal an, das im letzten Sommer überschwemmt wurde. Die Meteorologen hatten vier Tage Vorlauf. Wie viel von dem Wissen ist bei den Menschen angekommen?

Ich war gerade im Ahrtal. Als die Messergebnisse vor der Flut außerhalb des Normalen lagen, sagte die Gruppe, die sich die Messungen ansah: "Oh, das Gerät ist kaputt". Die Wahrheit ist: Es ist die Ausrüstung einer Regierung, die die Wahrheit nicht akzeptiert und deutlich ausspricht, um die Menschen auf die Krise vorzubereiten, die wir derzeit erleben und die wir seit ein oder zwei Jahrzehnten erleben. Und das ist erst der Anfang.