Greta-Beraterin: "Wir sind im Krieg. Kriminell ist, wer beim Klima nicht führt."
Seite 3: Klima-Krieg: Demokratie gibt es nicht ohne zivilen Ungehorsam
- Greta-Beraterin: "Wir sind im Krieg. Kriminell ist, wer beim Klima nicht führt."
- Die gesamte Klimabewegung muss erwachsen werden
- Klima-Krieg: Demokratie gibt es nicht ohne zivilen Ungehorsam
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Was sagen Sie Kritiker:innen der Klimabewegungen, die feststellen, dass die Bewegungen sich zu sehr auf akademische Zirkel ausrichten. In den USA versucht die Sunrise Bewegung, sich stärker an Durchschnittsbürger:innen zu wenden, um eine Massenbewegung zu initiieren. Was antworten Sie den Kritiker:innen?
Janine O'Keeffe: Ich habe die Massenbewegung schon gesehen. Hundert Millionen Menschen streiken in Indien. Es sind Landwirte. Das ist eine Massenbewegung. Schließen Sie sich ihnen an. Holen Sie sie in die Bewegungen herein. Informieren Sie sie über das Klima. Ich kann mir vorstellen, dass die streikenden Bauern Wasserprobleme haben. Da gibt es eine Verbindung zur Klimakrise.
Es stimmt: Das Klima wurde zu einer akademischen Angelegenheit gemacht. Verstehen Sie mich nicht falsch, der Leugnungsprozess war massiv. Das Muster der 60 Jahre dauernden Leugnung beim Rauchen wurde beim Klima wiederholt oder sogar perfektioniert, so dass wir jetzt nah am Abgrund stehen. Sieben der neun planetarischen Grenzen sind bereits überschritten. Für die anderen beiden gibt es noch nicht einmal Methoden der Messung. Es könnten also alle neun überschritten worden sein. Johan Rockström vom Potsdam-Institut sagt: "Alles Leben auf der Erde ist bedroht". Alles Leben. Nicht nur das menschliche Leben. Das ist ein ziemlicher Schocker.
Sie können sich auch den UN-Generalsekretär Antonio Gueterres anhören. Er sagt: "Beim Klima keine Führungsrolle zu übernehmen, ist kriminell". Jede Regierung, jede Industrie, jeder, der Macht hat, einschließlich der Erwachsenen, ist kriminell, wenn er in der Klimapolitik nicht vorangeht. Ob unsere Kinder uns persönlich vor Gericht bringen oder uns verleugnen werden, weiß ich nicht. Wenn wir in Sachen Klima nicht vorangehen, haben wir es verdient.
Schauen Sie nach Deutschland, der Fall Angela Merkel. Die Wind- und Solarindustrie, die in den frühen 2000er Jahren wuchs, wurde unter ihrer Führung durch eine rechte Politik zerstört. Viele der Unternehmen waren genossenschaftlich organisiert sowie recht klein und gemeinschaftsbasiert. Die Merkel-Regierungen haben sie reguliert, um Wind und Solar abzuwürgen. Jetzt sehen wir, wie Windkraft-Firmen ihre Produktion von Rostock nach Indien verlagern. Gut, Indien sollte auch die Fähigkeit erhalten, den Wind zu nutzen. Aber es gibt keinen vernünftigen Grund, warum die 600 Mitarbeiter:innen in Rostock den Betrieb nicht weiterführen können.
Ich weiß, dass es aus politischer Sicht mit der Welthandelsbehörde, den Handels- und Partnerschaftsabkommen, gute Gründe gibt, die besagen, dass man als Regierung nicht intervenieren darf. Aber die Wahrheit ist: Es ist Krieg. Wir befinden uns in einem Krieg gegen unsere Gesellschaft, Krieg gegen arme Menschen, Krieg gegen den globalen Süden und indigene Völker. Gegen indigene Völker wird seit hunderten Jahren Krieg geführt.
Wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass wir Verbrechen begehen. Die Uno sagt, dass es kriminell ist, wenn wir bei der Klimapolitik keine Führungsrolle einnehmen. Man muss aus diesen Abkommen also aussteigen. Wir müssen schlicht sagen: "Es tut uns leid. Solange das Klima nicht in Ordnung gebracht worden ist, werden wir diese Abkommen nicht einhalten."
Die Länder müssen ihre eigene Windindustrie aufbauen können. Die Menschen sollten befähigt werden, Wind- und Solarenergie selbst zu produzieren. Deutschland ist ein Land von Ingenieuren. Sie haben viele technologische Fähigkeiten, die Energiewende hinzubekommen. Das hat Deutschland schon früh im Bereich der Windenergie unter Beweis gestellt.
Sie haben den Preis für Solarenergie auf zehn Prozent, wenn nicht sogar auf zwei Prozent gesenkt. Sie haben hervorragende Arbeit geleistet. Vielleicht sollten wir den Dänen Anerkennung zollen, wenn es um die Windenergie geht. Aber auch in Deutschland gibt es an der Grenze zu Dänemark sehr viel Wind. Es geht darum, die Möglichkeiten von jedem zu nutzen und die Regierung dazu zu bringen, den Bürger:innen zu folgen, anstatt den wenigen fossilen Industrien, die weiterhin Geld verdienen wollen.
Seit Jahrzehnten sehen wir: Die Regierungen sind nicht in der Lage, das Klima zu schützen. Deshalb ist ziviler Ungehorsam so wichtig. Sei es ziviler Ungehorsam in Form von Streiks wie Fridays for Future, seien es Blockaden und Die-Ins wie Extinction Rebellion oder das Blockieren von Autobahnen wie bei Just Stop Oil, Letzte Generation, Restore the Wetlands oder Blockade Australia.
Wir wissen aus der Geschichte: Demokratie gibt es nicht ohne zivilen Ungehorsam. Ungehorsam war entscheidend für das Wahlrecht, die Gleichstellung der Frauen oder für die Durchsetzung von Bürgerrechten. Jetzt muss Ungehorsam die Natur, unsere Lebensgrundlage, bewahren helfen. Wir müssen auf jeden Fall den Ökozid verhindern und gegen ein System opponieren, das ihn anheizt.
Die Wahrheit ist: Wir können das Klima nicht abwählen. Wir können nicht mit der Physik verhandeln, nach dem Motto: "Übrigens, wir haben jetzt 50 Prozent der Stimmen, Klima, könntest Du machen, was wir wollen?" So funktioniert Wissenschaft nicht. Wissenschaft basiert auf Fakten. Und Tatsache ist, dass das Klima reagiert. Wir haben das Problem verursacht. Wir als Menschen müssen daher handeln. Das erfordert eine grundlegendere Reaktion, da das Klima so global ist und keine Grenzen kennt. Wir müssen unser Wirtschaftssystem, das heißt: Profit um des Profits willen, damit einer reicher sein kann als der andere, abändern.
Gasleitungen und Pipelines, die durch die Ukraine führen und fossile Brennstoffe aus Russland pumpen, finanzieren letztlich das russische Militär. Das Öl und das Gas, die durch die Rohre fließen, sind im Grunde das Blut der Ukrainer. Wir sollten den Ukrainern beistehen. Wir hätten auch dem Jemen, Syrien, Kenia und Afghanistan beistehen sollen.
Der deutsche Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber sagt, 98 Prozent unserer Kinder sitzen in einem Todes-Bus. 98 Prozent von ihnen werden früh sterben. Es sind nicht nur die Chinesen und die Schwarzen. Das ist nicht die Art, wie das Klima funktioniert.
Die Krise reicht bis ins Ahrtal. Hitze und Überschwemmungen werden auch in Europa zunehmen. Wie haben bereits jetzt Waldbrände in Brandenburg. Dazu kommt die extreme Hitze in Indien und Pakistan. Häuser und Wohnungen von sieben Millionen Menschen in Bangladesch sind dieses Jahr überschwemmt worden. Welches Land ist bereit, sieben Millionen Flüchtlinge sofort aufzunehmen? Keines. Das Klima ist also bereits weit jenseits unserer Möglichkeiten, die Dinge zu regeln. Wir können die Krise also nicht nachträglich reparieren. Wir müssen präventiv handeln, jetzt.