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Griechenland: Banken gerettet - immer mehr Flüchtlinge ertrinken

Bild: W. Aswestopoulos

Regierung hofft, von der EU im Gegenzug für die Beherbergung der Flüchtlinge einen drastischen Schuldennachlass oder zumindest eine Lockerung der Sparauflagen zu erhalten

Per Eilverfahren, wie bisher bei jedem seit den Wahlen im Januar erlassenen Gesetz, peitschte die Regierung von Alexis Tsipras eine erneute Rettung der griechischen Banken [1] durch das Parlament. Dieses Mal stimmten alle Parteien bis auf die Kommunisten und die Goldene Morgenröte zu.

Die Debatte im Parlament war trotzdem Aufsehen erregend. Am Freitag gab es dagegen im Parlament eine Diskussion mit dem Premier über die Flüchtlingsfrage. Hier sind die Fronten zwischen den Parteien äußerst verhärtet. Beide Themen hängen insofern zusammen, weil sich die Regierung erhofft, von der übrigen EU im Gegenzug für die Beherbergung der Flüchtlinge einen drastischen Schuldennachlass oder zumindest eine Lockerung der Sparauflagen zu erhalten.

Die Banken - ein Milliardengrab!

Die griechischen Geldhäuser brauchen mal wieder Liquidität, diesmal sollen es 14,4 Milliarden Euro sein. Seit der weltweiten Finanzkrise erhalten die so genannten systemischen Banken des Landes immer wieder staatliche Finanzhilfen, sei es in Form von direkter Liquidität oder über Bankgarantien, für welche der griechische Steuerzahler gerade stehen muss.

Direkt als reales Geld flossen [2] bis Ende 2014 stolze 41,2 Milliarden Euro aus dem Staatssäckel in die Kassen der Banken. So lautet die offizielle Lesart. Dem Magazin Unfollow zufolge beläuft [3] sich der Gesamtbetrag bis zum Frühjahr 2011 auf 211,5 Milliarden Euro. Davon waren bis zum November 2013 gemäß dem damaligen stellvertretenden Finanzminister Christos Staikouras:

Die Journalisten von Unfollow recherchierten im Staatsanzeiger Griechenlands und fanden zudem folgende Daten:

  1. Mit dem Gesetz 3723/2008 (Staatsanzeiger 250 vom 9.12.2008) wurde die Finanzierung der Banken zur Bewältigung der weltweiten Finanzkrise auf die Gesamtsumme von 28 Milliarden Euro taxiert. Die damalige Regierung von Kostas Karamanlis gewährte 23,5 Milliarden Euro Bankgarantien und 4,5 Milliarden Euro liquide Mittel aus der Staatskasse. Von den 4,5 Milliarden erhielten die Alpha Bank 940 Millionen Euro, die Eurobank 950 Millionen Euro, die National Bank of Greece 1,35 Millionen Euro und die Piräus Bank 750 Millionen Euro. Der damals noch eigenständigen Postbank wurden 225 Millionen Euro gezahlt, die Attika Bank bekam 100 Millionen Euro, die Proton Bank 80 Millionen Euro, die FBBank 50 Millionen Euro und die Panhellenische Bank schließlich 28,3 Millionen Euro. Die Proton Bank wurde 2013 im Zuge eines Betrugsskandals, bei dem bekannt wurde, dass die Bankführung hunderte Millionen Euro in die eigene Tasche hinterzog, mit Staatsmitteln liquidiert und der Eurobank einverleibt. Die Eurobank erhielt zusätzlich auch die genauso staatlich sanierte Postbank. Die Panhellenische Bank wurde nach einer wirtschaftlichen Schieflage ebenfalls staatlich saniert und der Piräus Bank übergeben. Die FBBank, auch als First Business Bank bekannt, ging in den Besitz der National Bank of Greece über.
  2. Mit dem Memorandumsgesetz 3845/2010, das ein Teil des ersten griechischen Rettungsplans war, wurden den Banken weitere 15 Milliarden zur Rekapitalisierung verschafft. Dies bewerkstelligte der Staat in Form von Bankgarantien, welche bei der EZB eingelöst wurden.
  3. Über das Gesetz 3864/2010 (Staatsanzeiger 119, 21.7.2010) gab es noch einmal 10 Milliarden Euro Garantien.
  4. Das Gesetz 3872/2010 lieferte weitere 25 Milliarden Euro Bankgarantien für die Geldhäuser.
  5. Am 9. Dezember 2011 verabschiedete das Parlament den Gesetzentwurf 3965/2011 und gewährte zusätzliche 30 Milliarden Euro Garantien.
  6. Vorher, am 14. September 2011, hatte ein ministerieller Beschluss bereits dreißig Milliarden Euro an Garantien gewährt. Dieser Ministerentscheid wurde mit dem Gesetz 4031/2011 ratifiziert, wobei es jedoch statt der dreißig Milliarden Euro nun insgesamt 60 Milliarden Euro an Garantien gab.
  7. Mit einem Akt der Legislative gab es im Juni 2012 zum Ausgleich für die Schäden des Schuldenschnitts von 2012 erneut 18 Milliarden Euro für die Banken. Dieses Geld wurde dann zu den griechischen Staatsschulden addiert, womit der Effekt des Schuldenschnitts gemindert wurde.
  8. Über das Gesetz 4046/2012, welches das zweite Rettungspaket für Griechenland einläutete, wurde der griechische Staat zu einer zusätzlichen Kreditaufnahme zugunsten der Banken verpflichtet. Die Rekapitalisierung der Banken wurde 2013 vollzogen und kostete den Fiskus 25,522 Milliarden Euro. Davon entfielen auf die Alpha Bank 4,021 Milliarden Euro, auf die Eurobank 5,839 Milliarden Euro, die National Bank of Greece bekam 8,677 Milliarden Euro und die Piräus Bank musste 6,985 Milliarden Euro erhalten.

Den bisher erhaltenen Zuwendungen von 211, 5 Milliarden Euro sollen nun bis zu 15 weitere Milliarden Euro folgen. Der griechische Staat hofft darauf, dass sich auch Privatanleger an der erneuten Rekapitalisierung beteiligen. Jedoch wird die jetzige Summe bereits wieder angezweifelt. Der frühere Vizepremier und Finanzminister Evangelos Venizelos von der PASOK lieferte während der Parlamentsdebatte zur Rekapitalisierung Dokumente, welche einen Kapitalbedarf von bis zu 25 Milliarden Euro belegen [4].

Zur Einordnung der Relationen: Die Höhe der griechischen Staatsschulden beträgt aktuell knapp 317 Milliarden Euro, das BIP des Landes liegt bei 174 Milliarden Euro. Die Kontoeinlagen [5] bei den griechischen Banken bewegen sich in der Größenordnung von 121 Milliarden Euro . Sie sind damit auf dem niedrigsten Stand seit 12 Jahren. Ein weiterer großer Kapitalabfluss ist wegen der geltenden Kapitalverkehrskontrollen kaum zu erwarten. Knapp 52 Prozent, also ungefähr 107 Milliarden Euro der gesamten Bankkredite im Land, gelten als faul [6]. Sie können von den Kreditnehmern seit mindestens drei Monaten nicht mehr bedient werden.

Für potentielle Privatinvestoren dürfte zudem der Börsenwert der griechischen Banken interessant sein. Alle zusammen sind an der Börse momentan knapp 4,9 Milliarden Euro wert.

Der Börsenwert der systemischen griechischen Banken beträgt lediglich 4.885 Milliarden Euro

Regierung will paralleles Bankensystem aufbauen

Bei der Debatte um die Bankenrettung waren sich die Oppositionsparteien Nea Dimokratia, PASOK, die Union der Zentristen und To Potami einig, dass die systemischen Banken im Sinn der Rettung des Vaterlands unbedingt am Leben zu erhalten seien. Daher wurde das von Finanzminister Tsakalotos eingereichte Gesetzesvorhaben unterstützt. Es hagelte jedoch auch massiv Kritik am Regierungsstil Alexis Tsipras und an dessen Finanzpolitik.

Seitens der Nea Dimokratia warf der noch amtierende Parteichef Vangelis Meimarakis der Regierung vor, diese habe mit ihren eklatanten Schwächen in der Wirtschaftspolitik und vor allem wegen Yanis Varoufakis den Milliardenschaden bei den Banken verursacht. Auf das als urbane Legende kolportierte Zitat vom Tag der Bankenschließung, als Varoufakis seiner Frau auf Englisch gesagt haben soll, "Darling, I've just closed the banks" setzte Meimarakis noch einmal drauf und meinte "Darling, zahl nun bitte. Aber nein, die Zahlung übernimmt ja der Steuerzahler."

Bild: W. Aswestopoulos

Das auch von den anderen Vertretern der Opposition geübte - neudeutsch allgemein als Bashing klassifizierte Verhalten brachte Finanzminister Euklid Tsakalotos in Rage. Er ergriff das Wort und verteidigte seinen persönlichen Freund, der mittlerweile selbst gegen SYRIZA wettert. "Man könnte Varoufakis vielleicht auch noch die zwei Niederlagen der griechischen Fußballnationalmannschaft gegen die Vertretung der Färöer Inseln anlasten", giftete Tsakalotos.

Vizepremier Giannis Dragasakis übernahm dagegen den Part, die Wirtschaftspolitik zu verteidigen. Er verwies darauf, dass die griechischen Finanzinstitute auch bei den Stresstest nach der letzten Rekapitalisierung und noch unter Antonis Samaras im Herbst 2014 kläglich scheiterten (Samaras feiert das Scheitern der griechischen Banken!).

Zudem erklärte Dragasakis öffentlich, dass seine Regierung ein neues Bankensystem parallel zu den von den Kreditgebern kontrollierten systemischen Banken aufbauen möchte. Dieses Parallelsystem, welches im Kern aus der Attika Bank und den kleineren genossenschaftlichen Banken des Landes bestehen soll, würde dann als Gerüst für das parallele System [11] dienen. Dragasakis nannte [12] zudem die Gelder für die Banken als notwendig, sie seien aber nicht ausreichend. Die Opposition wittert eine Verschwörung und beschuldigte Dragasakis zu "Varoufaken".

Die weiteren Risiken für die Banken

Die Troika pocht bei den faul gewordenen Krediten auf eine rasche Pfändung aller vorhandenen Sicherheiten bei den Kreditnehmern. Zu diesem und für die Zwecke der Vermögensbesteuerung sollen die Griechen künftig sogar den Inhalt ihrer Bankschließfächer deklarieren müssen. Zudem müssen sie bis Ende des Jahres insgesamt 13,5 Milliarden Euro an Steuern aufbringen. In den ersten Monaten des Jahres schaffte es der Fiskus gerademal 3,3 Milliarden Euro Steuern pro Monat einzutreiben. Die erhöhte Steuerbelastung dürfte die Zahlungsmoral gegenüber den Bankdarlehen weiter mindern, zumal immer noch wegen der Kapitalverkehrskontrollen eine Grenze von 420 Euro Abhebungen pro Person und Woche gelten.

Die von der Troika geforderte Pfändung würde bei den Immobilienkrediten achtzig Prozent der problematischen Kreditnehmer betreffen [13], beim Gegenvorschlag der Regierung wären es nur knapp zwanzig Prozent. Gegen Pfändungen spricht sich vor allem die Bankenwelt aus. Die Banker fürchten, dass eine massenhafte Pfändung von Immobilien zum von der Troika geforderten Marktwertpreis und nicht zum viel höheren Buchwert der Kredite den Immobilienmarkt vollkommen ins Bodenlose rutschen lassen würde. Zudem müssten die Banken dann auch noch den Unterhalt der aller Voraussicht nach allesamt nahezu unverkäuflichen Immobilien übernehmen.

Für die Verschwörungstheoretiker im Land steckt dahinter Methode. Sie behaupten steif und fest, dass die gepfändeten Immobilien dann für die Beherbergung der Flüchtlinge dienen würden. Nach dem Motto "Griechen raus, Flüchtlinge rein" fangen die rechtsnationalistischen Rattenfänger ihre Anhängerschaft.

Derweil ertrinken [14] täglich immer mehr Flüchtlinge vor den griechischen Inseln. Fast jeden Tag gibt es Berichte [15] von mehr als einem Dutzend Toten. Der Flüchtlingsstrom selbst reißt dagegen nicht ab. Es werden sogar immer mehr. Von Samstag bis Sonntag passierten [16] ungefähr 7000 die Grenze von Griechenland in die EJR Mazedonien. In den Sommermonaten, als die Bootspassage noch sicherer war, waren es in der Regel weniger als 5000 pro Tag.


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https://www.heise.de/-3376403

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.greekmoney.gr/index.php/permalink/106155.html
[2] http://epohi.gr/portal/politiki/19959-41-2-dis-kostise-i-anakefalaiopoiisi-os-to-2014
[3] http://unfollow.com.gr/web-only/12903-skaibanks
[4] http://www.real.gr/DefaultArthro.aspx?page=arthro&id=458860&catID=14
[5] http://www.politisonline.com/%CE%BC%CE%B5%CE%B9%CF%8E%CE%BD%CE%BF%CE%BD%CF%84%CE%B1%CE%B9-%CE%BF%CE%B9-%CE%BA%CE%B1%CF%84%CE%B1%CE%B8%CE%AD%CF%83%CE%B5%CE%B9%CF%82-%CF%84%CF%89%CE%BD-%CE%BD%CE%BF%CE%B9%CE%BA%CE%BF%CE%BA%CF%85/
[6] http://www.iefimerida.gr/news/233581/sta-107-dis-eyro-ta-kokkina-daneia-apoteloyn-52-ton-synolikon-daneion
[7] http://finance.in.gr/stock.aspx?id=159
[8] http://finance.in.gr/stock.aspx?id=115
[9] http://finance.in.gr/stock.aspx?id=98
[10] http://finance.in.gr/stock.aspx?id=130
[11] http://www.thetoc.gr/politiki/article/salos-apo-dilwsi-dragasaki-gia-parallilo-trapeziko-sustima
[12] http://www.topontiki.gr/article/147927/vomva-dragasaki-na-yparxei-ena-parallilo-trapeziko-systima-sti-hora-poy-na-min
[13] http://www.thetoc.gr/oikonomia/article/dramatiki-entasi-gia-prwti-katoikia-kai-kokkina-daneia
[14] http://www.efsyn.gr/arthro/enteka-prosfyges-pnigikan-molis-20-metra-apo-tin-akti
[15] http://news.in.gr/greece/article/?aid=1500036256
[16] http://www.iefimerida.gr/news/233643/perissoteroi-apo-7000-prosfyges-perasan-apo-ti-thessaloniki-stin-pgdm-teleytaio-24oro