Griechenland: Das Theater geht weiter

Seite 2: Theater 2: "Lass Dich überraschen", Finanzministerium auf griechisch

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Das "Sparpaket" ist ein bis 2015 vorausplanender Staatsetatplan. Er beinhaltet umfangreiche Kürzungen von Sozialausgaben, den planmäßigen Ausverkauf von griechischem staatseigenem Tafelsilber, Kopfsteuern, erfindungsreiche neue Verbrauchssteuern für nahezu alle Güter des täglichen Bedarfs und weitere nach Volksmeinung "fiese räuberische Tricks". Die genauen Details des Programms, das pro Jahr mindestens 5,5 Milliarden und bis zu 6,3 Milliarden Euro Mehreinnahmen für den griechischen Staat generieren soll, ändern sich täglich.

Mal soll der Steuerfreibetrag von bisher 12.000 Euro auf 6.000 Euro sinken. Dann sind es wieder 8000 Euro. Der neue Finanzminister Evangelos Venizelos (Griechenland: Rochade kurz vor dem Schachmatt) befindet sich in Verhandlungsmarathons mit den Vertretern des Internationalen Währungsfonds (IWF), der europäischen Zentralbank (EZB) und der Europäischen Union (EU). Gemäß ersten Berichten der üblichen "wohlinformierten Kreise" erweist sich Venizelos im Vergleich zu seinem "Ja und Amen" sagenden Vorgänger Giorgos Papaconstantinou als ein härterer Verhandlungspartner. Trotzdem lassen die bisher verkündeten Einzelheiten des Programms die Griechen vor Horror erschauern. Aktuell, Stand Donnerstag am frühen Abend gilt nach ministerieller Verkündung unter anderem:

  1. Empfänger von Einkommen ab 8.000 Euro zahlen eine als Sonderabgabe eingeführte Steuer von 10%. Ab 12.000 setzt die bisher übliche Besteuerung ein. Ausnahmen gelten für unter dreißigjährige Arbeitslose sowie für Rentner nach dem 65. Lebensjahr.
  2. Für Einkommen ab 12.000 Euro wird ein Soli in Höhe von einem Prozent fällig. Ab 20.000 Euro beträgt dieser Soli 2 %. Von 50.000 Euro bis 100.000 Euro sind es 3 %. Was über 100.000 Euro hinaus geht, wird zusätzlich zur normalen Besteuerung mit weiteren 4 % belastet.
  3. Freiberufler zahlen unabhängig vom Einkommen eine Kopfsteuer von 300 Euro pro Jahr.
  4. Neu ist die Sondersteuer für politische Funktionäre, Bürgermeister, Abgeordnete und Minister. Diese müssen vom Verwaltungsrat aufwärts zusätzlich zum allgemeinen Soli 5 % ihres Einkommens als Politiksoli abgeben. Venizelos betonte, dass dieser Kostenpunkt nicht wirklich nennenswerte Einnahmen generieren könnte. Er befand jedoch, dass solch eine symbolische Belastung "eine ethische Pflicht des Staates ist".
  5. Schnitzel, Gyros, und Hackfleischklößchen oder gar Restaurantbesuche zählen zum Luxus und fallen unter die Mehrwertsteuer von 23%.
  6. Das Heizöl wird statt für alle nur für Unternehmen auf das Niveau von Dieselkraftstoff angehoben. Griechische Arbeitnehmer dürften demnächst nicht nur aus Angst um ihre Zukunft zittern.
  7. Aber auch das "Bürgerheizöl" wird teurer. Statt wie bisher 20 Euro Steuer pro Tonne werden nun 60 Euro pro Tonne erhoben. Für Einkommensschwache sollte es laut dem Exfinanzminister Papaconstantinou eine Art Rückerstattung geben. Venizelos musste jedoch eingestehen, dass dies verwaltungstechnisch noch nicht möglich ist. Er schätzte, "dass wir es bis zum Ende der Legislaturperiode schaffen".
  8. Für Immobilien soll nun doch keine Kopfsteuer für alle eingeführt werden. Erst ab 200.000 Euro Immobilienwert gilt der Hausbesitzersoli.
  9. Verbrauchsteuern für Trinkwasser und weitere nichtalkoholische Getränke in der Höhe von 10 Eurocent pro Liter werden eingeführt.
  10. Der Verkauf griechischen Tafelsilbers wird fortgesetzt. Bedenkt man, dass die deutsche Telekom vor kurzem für die Restanteile des Telekomriesen OTE statt 26 Euro wie im Herbst 2008 nun nur knapp über acht Euro pro Aktie zahlen musste, dann ist vielleicht die Aufregung im Land verständlicher.

Darüber hinaus gelten zahlreiche weitere Belastungen, die einem Mitteleuropäer irreal erscheinen würden. "Ein verheiratetes Paar mit einem monatlichen Gesamteinkommen von 1.500 Euro wird durch die gesamte Steuerwirkung im Jahr mit 2.300 Euro belastet", errechnete der Finanzjournalist Giorgos Aftias noch am Abend. Er fügte hinzu, dass nach ministerieller Einschätzung als Arbeitsloser gilt, wer 2010 keinen Job hatte. Wer sich in der Zwischenzeit zum Heer der 800.000 offiziell erfassten Arbeitslosen (Quote 16,1 %) gesellt hat, darf demnach zahlen.

Venizelos hatte nach seinem Amtsantritt vor Wochenfrist verkündet, dass er den bisherigen Steuerfreibetrag von 12.000 Euro beibehalten würde. Das schaffte er nicht. Dennoch lobte Venizelos sein eigenes Programm im Vergleich zu den Plänen seines Vorgängers als sozial ausgewogener. Er schloss jedoch weitere Maßnahmen nicht aus.

Gerade dieser Satz sorgt unter der Bevölkerung für erneute Aufregung. In ersten Reaktionen bemerkte eine Athener Passantin:

Papaconstantinou sagte immer, er würde keine neuen Maßnahmen einführen. Eine Woche später bekamen wir als Schocktherapie neue Steuererhöhungen. Was soll man nun erwarten, wenn der Minister selbst neue Belastungen nicht ausschließt?

Ein weiterer Passant zeigte in seine Hosentaschen, "Da ist nichts drin!" "Weißt Du, was die haben können?", fragte er und zeigte auf seine Geschlechtsorgane. Er fügte aber hinzu: "Immerhin scheint Venizelos anders als die Witzfigur Papaconstantinou wirklich verhandelt zu haben."

Tatsächlich soll es noch Menschen geben, die sich fragen, warum ob solcher Finanzpolitik keine Investoren ins Land kommen wollen.