Griechenland: Das Theater geht weiter

Seite 9: Theater 8: Inszenierte Katharsis, Fußballskandale

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Zum Drama gehört als abschließender Akt die reinigende Katharsis. Missetäter müssen für ihr Tun büßen. Das Volk des Syntagmaplatzes (Platz der Verfassung), der besser Demonstrationsplatz genannt werden sollte, fordert den Kopf der Politiker. Diese bemühen sich redlich, alternative Opfer aus dem Hut zu zaubern. Der auch für Sport und Tourismus zuständige Kulturminister Pavlos Geroulanos triumphierte heute im Parlament: "Da ist das verlorene Geld! In den Schiebungen, Gaunereien und verlorenen Wetten! Wir haben es gefunden."

Geroulanos hatte gerade verkündet, dass der Polizei mit Hilfe der Antiterroreinheit ein großer Fang gelungen war. Fußballwettbetrüger waren nach umfangreichen Rasterfahndungen aufgeflogen. Insgesamt 85 Personen wurden festgenommen, 11 wurden verhaftet. Es handelt sich um Funktionäre, Spieler, Manager und Wettbüroleiter. Darunter befindet sich Achileas Beos, Präsident und Eigner des Fußballvereins Olympiakos Volos. Eines Vereins, der in der kommenden Saison in der Euroleague spielen soll.

Ebenso wie Beos steht auch der frühere Präsident von AEK Athen und jetzige Eigner des Erstligavereins Kavala FC, Makis Psomiadis, unter dringendem Tatverdacht. Sein Sohn ist in Haft. Dem Volk werden weitere illustre Namen präsentiert. Auch ein Basketballnationalspieler wurde in den Fall verwickelt. Er soll bei Psomiadis Dopingmittel bestellt haben und fiel der Rasterfahndung zum Opfer. Die fünfunddreißigjährige Staatsanwältin Popi Papandreou hatte die Festnahmen eingeleitet. Verwandt mit dem Premier ist sie nicht. Aber trotzdem dient ihr Name nun für Wortspiele. "Es gibt doch noch ehrliche Papandreou", meinte ein Demonstrant heute auf dem Syntagmaplatz.

Es scheint zu spät zu sein für solche Bauernopfer. Außer den Sportfanatikern interessiert kaum jemanden die Verhaftung einiger Reicher und die Aufdeckung von deren Machenschaften. Seit langem hatte die UEFA 41 Spiele mit Beteiligung griechischer Vereine als "mit Sicherheit verschoben" gewertet. Schon vor Monaten hatte der illustre und umstrittene Strafverteidiger Alexis Kougias (Ein Rechtsanwalt sieht rot – oder rosa?) Telefonmitschnitte als Beweise präsentiert. Nichts geschah. Kougias ist selbst auch Fußballfunktionär.

"Den Syntagmaplatz", das gemäß dem Linkenpolitiker Alexis Tsipras "neue Unterhaus", lassen solche Enthüllungen kalt. Die Menschen dort fordern jetzt erst recht statt der teilweisen Katharsis einen Hollywood reifen Showdown. Die amtierenden Politiker sollen mit Helikoptern aus dem Land flüchten. Ansonsten würde man sie liebend gern aufhängen.

Diese Inszenierung könnte wegen der "special effects" allerdings für die europäischen Zuschauer noch teuerer werden als eine sinnvolle Beendigung des gesamten Mehrakters. Denn so lange niemand sich wirklich um einen auf Produktion und Arbeitsplatzschaffung basierenden Aufschwung Griechenlands sorgt, wird das griechische Reality-Theater noch lange Schlagzeilen liefern. Es sei denn, man könnte aus dem virtuellen Nichts reales Geld herbeizaubern. Das wiederum wäre eine besonders fortsetzungswürdige Erfindung. Das Perpetuum Mobile als Realplot.