Griechenland: Geschichtsrevisionistische Fiesta auf Kreta
Fallschirmjägervereinigung mit Verbindung zur Nato und zur Ukraine wollte Überfall der deutschen Nazi-Truppen auf die Insel positiv gedenken. "Wir werden ihre Tapferkeit nie vergessen"
Auf Kreta wollte eine Fallschirmjägervereinigung, die European Paratroopers Association, der Premiere der "first strategic airborne operation in history", ersten strategischen Luftlandeoperation der Geschichte, gedenken. Sie wollten ihre gefallenen "airborne brothers" ehren.
Zum Event hatten sie ein Plakat veröffentlicht, auf dem sie explizit schrieben, dass "80 Jahre vergingen seit die Elite-Truppen des Dritten Reichs absprangen und die Insel Kreta eroberten. Wir werden ihre Tapferkeit nie vergessen".
Es ist nicht das erste Mal, dass die Vereinigung in Griechenland mit Feierstunden aktiv wird. Im vergangenen September, am 21. des Monats, marschierten sie von Lamia nach Sparta, um der Schlacht der Spartaner gegen die Perser in der Antike zu gedenken.
Auch nach der Absage des Events auf Kreta wird der Sparta-Marsch für 2021, wo er am 18. September stattfinden soll, beworben. Interessierte können gegen sich gegen einen Geldbeitrag registrieren, bekommen jedoch im Fall der Absage keine Erstattung.
Das antike Sparta, die Spartaner und die aufopfernde Schlacht der 300 unter ihrem König Leonidas bei den Thermopylen, das ist ein Thema, dessen sich auch Rechtsradikale angenommen haben.
"European Paratroopers": Nato-Lieferant mit Trainingsevents in der Ukraine
Interessant an der in Italien mit Hauptquartieren und in der Slowakei mit einem Trainingslager registrierten Vereinigung ist, dass sie in ihrem Präsidium auch Griechen hat. Zwischenzeitlich waren auch ein aktiver griechischer Polizeioffizier sowie ein weiterer Grieche als Mitglied des Präsidiums eingetragen. Ihre Namen verschwanden jedoch auf der Internetpräsenz, nachdem die Affäre um Kreta bekannt wurde.
Die Vereinigung rühmt sich, als offizieller Lieferant der NATO eingetragen zu sein. Eine Tatsachenbehauptung, welche sich auf der Internetpräsenz der NATO verifizieren lässt. Aktuell hat die Vereinigung mehrere Trainingsevents für Fallschirmspringer in der Ukraine im Programm.
Absage aufgrund starker Gegenreaktionen
Das umstrittene Gedenken auf Kreta wurde, nachdem es Anfang der vergangenen Woche in Griechenland bekannt wurde, aufgrund starker Gegenreaktionen abgesagt. Die Wirkung der Bekanntgabe der umstrittenen Veranstaltung sorgte aus vielerlei Gründen für Aufregung. Sie wurde als Provokation empfunden.
Alle Jahre wieder, so auch dieses Jahr, erinnern sich griechische Politiker Anfang April an die deutsche Besatzungszeit. Verbunden wird dies meist mit einer rhetorischen Forderung nach Reparationen, denen aber mit der gleichen Regelmäßigkeit keinerlei Konsequenzen folgen.
Jubiläumsjahr 2021: Nationale Instinkte und Misstöne
Dieses Jahr jährte sich am 6. April zum achtzigsten Mal der Beginn der Invasion Griechenlands durch die nationalsozialistisch geführten Truppen der Wehrmacht. Diese marschierten um 5 Uhr 15 am 6. April 1941 ins vom Diktator Ioannis Metaxas faschistisch regierte Griechenland ein, auch, um dem ebenfalls faschistischen italienischen Diktator Benito Mussolini zu Hilfe zu eilen. Mussolini hatte Griechenland am 28. Oktober 1940 überfallen, war jedoch militärisch so unter Druck geraten, dass seine Truppen von den Griechen in die Flucht geschlagen wurden und ihrerseits die griechischen Grenzen überschritten hatten.
Es war ein runder Jahrestag, der mitten ins Jubiläumsjahr der zweihundert Jahre seit Beginn des griechischen Aufstands gegen das Osmanische Reich fiel. Warum auch das wichtig ist?
Weil die rechtskonservative Regierung in Athen, gestützt auf eine Reihe nationalkonservativer Abgeordneter, im Jubiläumsjahr besonderen Wert auf nationales Gedenken legt. Allabendlich folgt der Hauptnachrichtensendung der staatlichen ERT ein mehrminütiger Spot, in denen die Zeit des Aufstands gegen die Osmanen thematisiert wird. Eine der ersten Amtshandlungen der Regierung war es, die ERT direkt der Regierung zu unterstellen. Nichts von dem, was der Sender ausstrahlt, widerspricht der offiziellen Regierungslinie.
Die betont nationalen Töne wecken bei Nationalisten Instinkte. Und diese kann die Regierung als Mitglied der Nato und der Europäischen Union mitten in einer immer noch nicht überwundenen Staatspleite und mitten in einer extrem belastenden dritten Welle der Pandemie keineswegs befriedigen.
Auf diplomatischem Niveau sind verbale Hahnenkämpfe, wie vor kurzem in Istanbul beim Besuch des griechischen Außenministers Nikos Dendias möglich. Greifbare Konsequenzen haben diese Aktionen jedoch nicht.
Griechisch-Türkische Streitereien über die fossilen Energievorkommen in der Ägäis sowie die Flüchtlinge werden auch unter der Regierung Mitsotakis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit Kompromissen beigelegt.
Die Neurechten
Umso schärfer wird Mitsotakis nun von der rechtspopulistischen und rechtsradikalen Presse bedrängt. Die Zeitung Dimokratia ist eindeutig dem neurechten Spektrum zuzuordnen. Sie kritisiert Mitsotakis, den sie gern lächerlich macht, bei jedem Anlass und durchaus mit populistischen Mitteln. So veröffentlichte sie am Donnerstag eine Titelseite, die zeigt, dass Mitsotakis Tennis spielte und am gleichen Tag in Griechenland Rekordtodes- und - fallzahlen der Covid-19-Pandemie gemeldet wurden.
Die Zeitung, der Militarismus und rechte- bis extrem rechte Gesinnungen sympathisch, linke Ideologie jedoch ein Gräuel sind, gehörte zu den Medien, die am vergangenen Dienstag auf dem Titelblatt über die geplante und offenbar genehmigte Gedenkveranstaltung der Fallschirmspringervereinigung berichteten. Die Dimokratia ist eine Zeitung, die gern dem faschistischen Diktator Metaxas huldigt.
Das, was in der gesamten Aufregung über die Veranstaltung, von der noch nicht bekannt ist, wer sie eigentlich genehmigt hatte, zunächst verloren ging, ist die Tatsache, dass es keine Premiere gewesen wäre.
Helmut Kohl und Mitsotakis Senior beim 50-jährigen Gedenken auf Kreta
Beim fünfzigsten Gedenken an die Schlacht um Kreta trafen sich am 26. Mai 1991 an den Gräbern der Gefallenen der damalige Premier Konstantinos Mitsotakis, der Cousin der Königin des Vereinigten Königreichs, der Duke of Kent, Prinz Edward und der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl.
Was seinerzeit eventuell eine Neuauflage des historischen Fotos von Francois Mitterand und Helmut Kohl in Verdun hätte werden sollen, endete in einem kleinen Eklat.
Mitsotakis Senior, der Vater des heutigen Premiers und Helmut Kohl stritten sich auf Deutsch, berichtet die damalige Zeitzeugin und heutige Parlamentarierin der Nea Dimokratia Sofia Voultepsi. Es ging um den Namensstreit Griechenlands mit der Nachbarrepublik Nordmazedonien. Statt eines ruhigen Gruppenfotos sahen die damaligen Beobachter einen hinfort eilenden Mitsotakis und einen Kohl, der hinter ihm "Kostas, Kostas" rief.
Der Namensstreit ging letztendlich zuungunsten der Maximalforderungen der Griechen aus. Sowohl Mitsotakis Senior als auch der aktuelle Regierungschef hatten zunächst mit pompösen Tönen ausgeschlossen, dass Nordmazedonien den Namensbestandteil Mazedonien im Namen tragen dürfe. Auch solche Details bestimmen im aktuellen Hype um Nationalismus in Griechenland die Gespräche. Zu allem Überfluss ist Mitsotakis Kreter.
Die Absage der Veranstaltung hat allem Anschein nach weniger mit einer politischen Intervention der Regierung, sondern vielmehr mit den Kretern und den mit der umstrittenen Veranstaltung verbundenen Sicherheitsbedenken zu tun.
Kreter: 1941 die Invasoren mit Mistgabeln, Knüppeln, Steinen empfangen
Die Kreterinnen und Kreter, Kinder und auch Geistliche hatten 1941 die Invasoren mit Mistgabeln, Knüppeln, Steinen und auch mit bloßen Händen empfangen und eine nicht unerhebliche Zahl der Elitesoldaten erschlagen. Auf der Insel gab es nicht wenige Stimmen, die öffentlich mehr oder weniger scherzhaft ankündigten, den feiernden Fallschirmspringern am Originalschauplatz der Luftlandung bei Maleme eine originalgetreue Wiederholung des Empfangs von 1941 zu bereiten.
Ein pikantes historisches Detail ist, dass die Kreter nahezu unbewaffnet waren, weil sie vom Diktator Metaxas aufgrund ihrer gegen den Faschisten gerichteten Haltung und einem gescheiterten Aufstand von 28. Juli 1938 entwaffnet wurden. Es war der einzige bewaffnete Aufstand gegen den Diktator. Die eigentlich wehrfähigen Kreter befanden sich zum Zeitpunkt der Invasion auf dem Festland, sie durften nicht auf ihre Insel zurückkehren.
Die deutschen Truppen, denen auch nach Kriegsende von den Briten zur "Aufrechterhaltung der Ordnung" die Waffen gelassen wurden, damit sie gemeinsam mit den Briten gegen griechische kommunistische Partisanen vorgehen konnten, wurden erst im Juli 1945 abgezogen. Auf einer Insel wie Kreta, wo die Zivilbevölkerung durch Massaker der Besatzer zahlreiche Opfer zu beklagen hatte, ein derartiges Gedenken veranstalten zu wollen, war keine gute Idee.