Griechenland: Verheerende Waldbrände bedrohen auch die Hauptstadt

Kryoneri - Drosopigi. Credit: EUROKINISSI/Vasilis Rebanis

Dem Land stehen dramatische Tage bevor

Griechenland steht eine dramatische Nacht bevor. Die Wetterlage begünstigt in der Nacht von Donnerstag auf Freitag eine weitere Ausbreitung des Feuers. Im gesamten Süden des Landes brennt es. Die seit mehreren Tagen andauernde Hitzewelle hat in den Wäldern für so viel Trockenheit gesorgt, dass sich die Brände, knapp 180 an der Zahl, seit dem 3. August auch ohne starke Winde rasant ausgebreitet haben.

Winde begünstigen eine Ausbreitung von Feuer. Es rächt sich, dass das Land auf Vorgabe der Kreditgebertroika die Feuerwehr regelrecht kaputtgespart hat. Einige hundert Feuerwehrleute kämpfen seit Tagen mit den Bränden. Die personelle Unterbesetzung wurde nicht besser, als aufgrund des Erlasses der Impfpflicht bereits Feuerwehrleute vom Dienst abgezogen wurden.

Premierminister Kyriakos Mitsotakis wandte sich am Donnerstagabend in einer emotionalen Ansprache ans Volk. Der Regierungschef betonte, dass die Rettung von Menschenleben oberste Priorität habe, erst danach seien Vermögenswerte und Infrastruktur an der Reihe. Er räumte ein, dass es unter den gegebenen Umständen nicht möglich sei, all dies zu schützen. "Häuser können wieder aufgebaut werden, Wälder können wieder wachsen", meinte er.

Kryoneri - Drosopigi. Credit: EUROKINISSI/Vasilis Rebanis

Kurze Zeit später gab es eine Pressekonferenz des für den Katastrophenschutz zuständigen ministeriellen Staatssekretärs im Bürgerschutzministerium, Nikos Hardalias. Dieser zählte minutenlang die Feuer auf, die er nicht löschen konnte. Allein in den letzten vierundzwanzig Stunden brachen 99 Feuer aus, 57 brennen immer noch.

Ab sofort gilt im gesamten Land bis zum Ende der Brandgefahr ein Verbot, Wälder, Stadtparks und Naturschutzgebiete zu betreten. Jegliche Tätigkeit, die ein Feuer auslösen könnte ist verboten. Hardalias erwähnte als Beispiel auch das Schweißen. Für jede Übertretung ist im ersten Fall ein Bußgeld von 1.000 Euro vorgesehen. Im Wiederholungsfall sind es 10.000 Euro.

Zumindest im Schutz von menschlichem Leben war die Regierung bisher erfolgreich. Dafür wurde die Technik des Cell Broadcast eingesetzt. Jedes im entsprechenden, vom Feuer bedrohten Dorf und in der nächsten Umgebung angemeldete Mobiltelefon erhielt eine Nachricht. Reihenweise werden und wurden Dörfer, Kleinstädte und Siedlungen evakuiert. Im Großraum Attika, wo das Feuer in den Vororten wütet, gibt es sogar Evakuierungen einzelner Straßenabschnitte.

Ilia. Credit: EUROKINISSI/Antonis Nikolopoulos

Evakuiert werden nun auch Flüchtlingslager wie das von Ritsona nahe Chalkida und Malakassa nahe Athen. Diesbezüglich gab es am 3. August eine Verstimmung, als sich die Regierung weigerte, das vom Rauch überdeckte Abschiebegefängnis Amygdaleza zu evakuieren.

Der Norden der Insel Euböa ist nahezu komplett vom Feuer betroffen. Die aus einem Ort Evakuierten werden zum Teil wenige Stunden später erneut evakuiert, weil das Feuer auch am Fluchtort angekommen ist. Die Hauptverkehrsader des Landes, die Autobahn von Athen nach Thessaloniki wurde am Donnerstagabend vom Feuer erfasst. Der Zugverkehr im Land wurde unterbrochen, weil auch die Schienenstrecken vom Feuer erfasst wurden.

Das Land ist in mehrere Teile, zwischen denen kein Verkehr mehr möglich ist, geteilt. Fahrer werden von der Polizei zur Umkehr gezwungen. Anders als in vielen vorherigen Brandkatastrophen schließt die Polizei aktuell auch Fotoreporter und Kamerateams vom Zugang zu Brandgebieten aus.

Alle befürchten, dass die Wetterlage, die 2018 zu mehr als 100 Toten auf in Mati (Attika) sorgte, und die ab Donnerstagabend erneut vorherrscht, in Kombination mit den sehr ausgetrockneten Wäldern zu extrem gefährlichen Situationen führen wird. Bislang sind zahlreiche Ortschaften in den betroffenen Gebieten verbrannt. Einzig im Norden des Landes, wo ab Freitag Regen erwartet wird, ist eine Entlastung der Lage in Aussicht.

Κryoneri. EUROKINISSI/Tatiana Bolari

Bedroht sind, ausgerechnet gleichzeitig mit den aktuellen olympischen Spielen in Tokio die antiken Anlagen in Olympia. Auch auf dem Peloponnes brennt es. Das Gebiet dort war von den Bränden 2007 besonders stark betroffen. Damals gab es zahlreiche Todesopfer. Zypern, Israel, Frankreich, Schweden, Schweiz und Rumänien schickten und schicken Flugzeuge und Einsatzkräfte.

Κryoneri. Credit: EUROKINISSI/Tatiana Bolari

Cell Broadcast rettet Leben

Die Cell Broadcast Meldungen werden mit Kennung der zentralen Notfallnummer 112 versandt. Diese informiert gleichzeitig über soziale Netzwerke, wie Twitter, über die Evakuierungen. Dies dient auch dazu, Verwandte und Bekannte von Betroffenen über die Lage zu informieren.

Weil sich vor allem ältere Dorfbewohner oft weigern, ihr vom Feuer bedrohtes Haus zu verlassen, sind derartige Warnungen auch über das Internet hilfreich. Nicht selten üben die Verwandten dann aus der Entfernung auch Druck aus, um widerspenstige Menschen zur Evakuierung zu bewegen.

Zusätzlich wurden alle Griechen über den eigentlich für die CoVid-Pandemie gedachten Informationsdienst der Regierung bei Viber über die Lage informiert. Es gab eine Erinnerung an die notwendigen Maßnahmen, welche Bürger in der Krise ergreifen müssen.

Screenshot Wassilis Aswestopoulos

In Athen betrifft dies auch den Schutz vor Ruß- und Staubpartikeln. Die gesamte Hauptstadt liegt unter einer Rauchwolke, wobei die Feinstaubbelastung teilweise den fünfundzwanzigfachen Wert des zulässigen Grenzwerts überstieg.

Krankenhäuser rund um die Hauptstadt wurden in den außerplanmäßigen Notdienst gestellt. Wehrpflichtige werden ins Feuer geschickt, weil die vorhandenen Einsatzkräfte nicht ausreichen. Diesbezüglich verbat sich Mitsotakis bei seiner Ansprache jegliche Kritik. Dafür sei später Zeit, meinte er. Tatsächlich sind die Griechen außer sich vor Wut.

Sie fühlen sich allein gelassen. In Live-Schaltungen im Fernsehen fielen von Bürgern Aussprüche wie "Mitsotakis fick Dich Du Wichser", sowie weitere noch weniger druckreife Flüche. Derartige Ausdrücke im Fernsehen sind eigentlich verboten. Der Zorn und die Verzweiflung der Menschen, die all ihre Habe und zum Teil auch ihre Arbeitsplätze ans Feuer verloren haben, findet Mitsotakis verständlich. Er verspricht aber zugige Entschädigungen für Häuser, Betriebsstätten und Felder.

Die vom Feuer betroffenen Bürger bemängeln das Fehlen von Feuerwehreinsatzkräften und von Löschflugzeugen. Tatsächlich hat die Regierung Millionen Euro in die Ausstattung der Polizei und Milliarden in Rüstungsprogramme gesteckt, die Brandbekämpfung aber nicht verstärkt.

Die Regierung setzt in der Brandbekämpfung Prioritäten, um mit der vorhandenen Brandbekämpfungskapazität so viel wie ihr möglich zu löschen. Als am 3. August das Feuer bei Varybobi nahe Athen ausbrach, wurden dorthin viele Feuerwehrleute abgeordnet.

Die gleichzeitig brennende Insel Euböa blieb ihrem Schicksal überlassen. Die Feuerfronten auf Euböa liegen teilweise in Gebieten ohne Straßenanbindung. Hier wäre Löschung aus der Luft von Nöten. Es fehlt aber an Fluggerät.