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Groko-Frauenpolitik: Probleme erkannt und nicht gebannt

Claudia Wangerin

Bild: H. Hach auf Pixabay (Public Domain)

Auch nach EinschĂ€tzung von Entwicklungsminister MĂŒller droht durch die Corona-Krise eine Zunahme von Ungleichheit und Gewalt. Sicher ist: Mit Rezepten der Regierungsparteien wird sie nicht gestoppt

Sogar ein CSU-Politiker hat am Montag vor dem Rollback gewarnt, das die Corona-Krise fĂŒr Frauen und MĂ€dchen bedeutet [1]. "Corona und seine Folgen werfen die Gleichberechtigung weltweit um Jahre zurĂŒck", erklĂ€rte Entwicklungsminister Gerd MĂŒller anlĂ€sslich des internationalen Frauentags an diesem 8. MĂ€rz. Die Pandemie verstĂ€rke die Ungleichheit ĂŒberall, betonte er.

"Die Folgen der Krise treffen vor allem die Ärmsten und die Frauen. Sie haben als erste ihre Jobs verloren. Die dramatische weltweite Hunger- und Wirtschaftskrise fĂŒhrt auch dazu, dass schĂ€tzungsweise 13 Millionen MĂ€dchen zu FrĂŒh- oder Zwangsheiraten gedrĂ€ngt werden", so der Minister. Durch die Lockdowns nehme außerdem hĂ€usliche und sexuelle Gewalt zu. "Das ist nicht hinnehmbar", betonte MĂŒller. "Jeder einzelne Fall ist einer zu viel!"

All das wirft die Frage auf, was die Große Koalition in den letzten Jahren getan hat, um den Betroffenen zu helfen - sei es hierzulande oder in der Außenwirtschafts- und Entwicklungspolitik.

Schutzeinrichtungen ĂŒberlastet

In Sachen Schutz vor hĂ€uslicher Gewalt hatten bereits lange vor den Corona-Lockdowns die Frauenhaus-Koordinierungsstellen verschiedener BundeslĂ€nder darauf aufmerksam gemacht, dass die Einrichtungen ĂŒberbelegt und unterfinanziert seien - beispielsweise in Berlin 2015 [2]. Im September 2017 wandte sich die bundesweite Frauenhauskoordinierung mit einem Appell an die Bundestagsfraktionen: Die Lage sei "dramatisch wie nie" [3] - faktisch gebe es in vielen Einrichtungen bereits einen Aufnahmestopp. Die Bundestagsparteien wurden aufgefordert, "sich fĂŒr einen Rechtsanspruch auf Schutz fĂŒr alle gewaltbetroffenen Frauen und ihre Kinder einzusetzen".

FlĂ€chendeckend Ă€nderte sich bis um ersten Corona-Lockdown wenig. Im April 2020 allerdings rief Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) die Regierungen der BundeslĂ€nder dazu auf, FrauenhĂ€user und Frauenberatungsstellen als systemrelevant einzustufen, zumal ein erhöhter Bedarf zu erwarten sei. Mancherorts wurde das Angebot daraufhin sogar zĂŒgig aufgestockt [4], aber keineswegs flĂ€chendeckend. Im Juni 2020 sprach sich Giffey fĂŒr einen individuellen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung fĂŒr weibliche wie mĂ€nnliche Gewaltopfer aus, der allerdings im aktuellen Koalitionsvertrag nicht vorgesehen ist.

Anfang dieses Jahres untersuchte das Recherchezentrum Correctiv in Kooperation mit diversen Lokalmedien und dem Portal Buzzfeed News die Auslastung der Schutzeinrichtungen fĂŒr Frauen und Kinder [5]. Die Ergebnisse waren ernĂŒchternd: Beispielsweise in Nordrhein-Westfalen (NRW) meldeten demnach neun der 70 FrauenhĂ€user, dass sie von November 2020 bis Ende Januar 2021 an keinem einzigen Tag neue Frauen und Kinder aufnehmen konnten.

Die ĂŒbrigen 61 Einrichtungen waren durchschnittlich etwa sechs Tagen pro Woche voll belegt. Die Vorgabe des Europarats, einen Frauenhausplatz pro 7.500 gemeldeter Einwohnerinnen und Einwohner bereitzuhalten, erfĂŒllten demnach nur Berlin und Bremen.

"Kein Lieferkettengesetz fĂŒr Frauen"

Doch wie sieht es in anderen Ressort aus? - Nach den Worten des Entwicklungsministers MĂŒller tut die Bundesregierung bereits viel, um AusbeutungsverhĂ€ltnisse, die weltweit nicht nur, aber auch und vor allem Frauen und MĂ€dchen betreffen, zu beenden: "Mit dem Lieferkettengesetz [6] schaffen wir jetzt die Grundlagen fĂŒr faire Arbeitsbedingungen in unseren Lieferketten - damit Frauen endlich stĂ€rker selbst ĂŒber ihr Leben bestimmen können", erklĂ€rte MĂŒller heute.

Der Deutsche Frauenrat verweist jedoch auf LĂŒcken in dem Gesetzentwurf [7]: Die UN-Frauenrechtskonvention CEDAW und die Konvention 190 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ĂŒber Gewalt und BelĂ€stigung in der Arbeitswelt fehlten in der AufzĂ€hlung von Regelwerken, gegen die Unternehmen und Zulieferer nicht verstoßen dĂŒrfen, ohne dass ihnen Sanktionen drohen. "Der aktuelle Entwurf ist kein Lieferkettengesetz fĂŒr Frauen! Im parlamentarischen Verfahren muss gleichstellungspolitisch nachgebessert werden", forderte vergangene Woche Lisi Maier, stellvertretende Vorsitzende des Frauenrats.

Außerdem soll das Lieferkettengesetz erst ab 2023 gelten - und auch erst einmal nur soziale und ökologische Mindeststandards fĂŒr Firmen mit mindestens 3.000 BeschĂ€ftigten festlegen - ab 2024 dann auch fĂŒr solche mit mindestens 1.000 BeschĂ€ftigten. Unter anderem deshalb macht sich auch die Gewerkschaft ver.di fĂŒr Nachbesserungen stark [8].

Helfen wĂŒrde das nicht nur Frauen, sondern auch zahlreichen MĂ€nnern und Jugendlichen, die von teils menschenunwĂŒrdigen Arbeitsbedingungen betroffen sind, aber zum Teil noch Jahre auf entsprechende Standards warten mĂŒssen, falls sie das GlĂŒck haben, nicht in kleineren Zulieferbetrieben zu arbeiten.


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https://www.heise.de/-5074991

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bmz.de/de/presse/aktuelleMeldungen/2021/maerz/210308_pm_10_Minister-Mueller-zum-Weltfrauentag-Coronakrise-wirft-Gleichberechtigung-weltweit-um-Jahre-zurueck/index.html
[2] https://www.berlin.de/aktuelles/berlin/4207999-958092-berliner-frauenhaeuser-ueberfuellt-und-u.html
[3] https://www.emma.de/artikel/aufnahmestopp-frauenhaeuser-schlagen-alarm-334827
[4] https://www.rbb24.de/politik/thema/2020/coronavirus/beitraege_neu/2020/04/giffey-kinderzuschlag-frauenhaeuser-haeusliche-gewalt.html
[5] https://correctiv.org/aktuelles/gesundheit/2021/02/10/ueberlastete-schutzorte-fuer-frauen-und-kinder/
[6] https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/lieferkettengesetz-1872010
[7] https://www.frauenrat.de/ein-lieferkettengesetz-fuer-frauen/
[8] https://www.verdi.de/themen/internationales/initiative-lieferkettengesetz