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Großes Tamtam um das Bundeskriminalamt

Eine Regierungskommission empfiehlt, die quasi-geheimdienstlichen Kompetenzen des BKA zu stutzen. Das Amt lädt nun zum Tag der offenen Tür mit "einsatznahen Vorführungen"

Die Luft wird dünn für's Bundeskriminalamt (BKA). Vor zwei Wochen wurde der Bericht einer Regierungskommission veröffentlicht, wonach der Wiesbadener Behörde zahlreiche Überschneidungen mit der Arbeit deutscher Geheimdienste attestiert werden. Die starke Annäherung vollziehe sich aber von beiden Seiten: Nachrichtendienste übernehmen polizeilich-präventive Aufgaben, während sich die Arbeit von Polizeibehörden "stark in das Vorfeld polizeilicher Gefahrenabwehr" verlagert.

Luftbild des Bundeskriminalamts Wiesbaden. Bild [1]: Wo st 01/CC-BY-SA-3.0 [2]

Bei der Vorstellung des in weiten Teilen kritischen Berichts [3] hatten der Innenminister und die Justizministerin noch fröhliche Einigkeit zur Schau gestellt [4]. Der Text ist auf der Startseite des Bundesjustizministeriums (BMJ) verlinkt. Auf der Webseite des Bundesinnenministeriums (BMI) ist er demgegenüber erst nach umständlicher Suche verfügbar.

Hier zeigt sich der Konflikt der beiden Ministerien, denn genau genommen hat die Kommission kein gemeinsames Papier verabschiedet. Das BMI und das BMJ durften jeweils drei Vertreter des sechsköpfigen Gremiums benennen, die meist eine konträre Haltung einnehmen. Beinahe allen aufgezeigten Defiziten einer Mehrheit der Mitglieder wird seitens der ebenfalls teilnehmenden früheren Generalbundesanwältin Monika Harms widersprochen.

Harms wurde vom Bundesgerichtshof mehrfach für ihre damaligen Ermittlungsmethoden gerügt [5]. In der Kommission erhielt sie Unterstützung vom Ministerialdirektor Stefan Kaller [6], der beim Innenministerium als Polizeireferent angestellt ist.

"Generalklausel" und "polizeiliches Wahrscheinlichkeitsurteil"

Die Regierungskommission hatte zahlreiche Gesetze untersucht, die dem BKA zu immer mehr Kompetenzen [7] verhalfen. Kritisiert wird insbesondere die "präventivpolizeiliche Terrorismusabwehr". Gemeint ist die Verfolgung von Straftaten, deren Begehung noch nicht in Sicht ist. In Begrifflichkeiten des BKA-Gesetzes ist die Rede von sogenannten "Vorfeldtatbeständen". Eine umfangreiche Gesetzesänderung gab dem BKA 2009 neue Befugnisse im Bereich verdeckter Ermittlungsmaßnahmen. Hierzu gehören etwa die Telekommunikationsüberwachung, Wohnraumüberwachung ("Großer Lauschangriff") oder der Einsatz staatlicher Schadsoftware ("Online-Durchsuchung").

Im BKA-Gesetz findet sich eine sogenannte "Generalklausel" zur "Verhütung terroristischer Straftaten". Deren Ausführungsbestimmungen sind aber vage: So darf das Amt tätig werden, sofern "Tatsachen die Annahme rechtfertigen", dass jemand eine Straftat begehen "will". Dies wird von der Kommission kritisiert, denn das BKA muss begründen, dass eine Straftat tatsächlich begangen "wird".

Kompliziert wird die Frage, da eine Überwachung der Telekommunikation nur dann richterlich genehmigt werden darf, wenn eine Person eine Straftat tatsächlich vorbereitet. Das BKA darf hierzu ein sogenanntes "polizeiliches Wahrscheinlichkeitsurteil" fällen, das sich aber allzuoft an den Interessen der Ermittler orientiert. Nicht berücksichtigt wird, ob die Betroffenen überhaupt in der Lage sind, ihre Phantasien in die Tat umzusetzen.

Erst recht bedenklich wird die Entwicklung durch die Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz oder dem Bundesnachrichtendienst. Die Behörden arbeiten in informellen Zirkeln zusammen oder führen gemeinsame Dateien. Diese sind zwar "projektbezogen", haben sich aber immer mehr verstetigt. Hierzu gehört das "Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum" (GTAZ ) in Berlin-Treptow. Es handelt sich dabei um eine Einrichtung aller Sicherheitsbehörden in Deutschland: BKA, Bundesamt für Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst, Zollkriminalamt, Militärischer Abschirmdienst, 16 Landeskriminalämter und Landesämter für Verfassungsschutz, Bundespolizei, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie Generalbundesanwaltschaft.

Zusammenarbeit von Polizei und Diensten generiert neue Informationen

Polizei und Dienste arbeiten im GTAZ zwar räumlich getrennt, treffen sich aber zur "täglichen Lagebesprechung" und in der Caféteria. Weitere Arbeitsgruppen befördern das Zusammenwachsen. Die Behörden treffen sich zur "Gefährdungsbewertung", zum "Operativen Informationsaustausch" oder zur "Fallauswertung". Längerfristige Zusammenarbeitsformen widmen sich "Strukturanalysen" oder "Statusrechtliche n Begleitmaßnahmen", um sogar Einfluss auf Bestimmungen des Ausländer- und Asylrechts zu nehmen. An der Arbeitsgruppe "Transnationale Aspekte des islamistischen Terrorismus" nehmen auch ausländische Geheimdienste teil.

Dem GTAZ liegt keine eigene Gesetzgebung zugrunde. Dies wird von Teilen der Kommission kritisiert, darunter Burkhard Hirsch: Laut dem Juristen und FDP-Politiker sollte die Bildung derartiger Zentren "so intern und so inoffiziell bleiben wie irgend möglich". Ein Besuch der Kommission beim GTAZ habe gezeigt, dass sich die dortige Arbeit nicht wie behauptet auf Informationsweitergabe beschränkt. Stattdessen würden beteiligte Behörden ihre analytischen Fähigkeiten nutzen, "um aus den genutzten Daten Informationen zu erzeugen, über die keine der Behörden vor der Analyse verfügt hat".

Diese Kritik berührt das Phänomen des sogenannten "Data Mining", also der Ausforschung und automatisierten Verarbeitung digitaler Information. Die Technologie soll helfen, aus unstrukturierten Daten bislang unentdeckte Hinweise zu gewinnen. Dadurch werden allerdings neue Informationen generiert, was in Errichtungsanordnungen von Datenbanken eigentlich geregelt werden müsste. Dennoch gab das BKA entsprechende Kenntnisse bereits an Diktaturen in Tunesien und Ägypten weiter [8], Kurse fanden [9] auch in Kroatien und der Türkei statt.

Das BKA und die Geheimdienste nutzen Anwendungen der Firmen rola Security Solutions oder IBM ("Big Data" auch beim BKA [10]). Einige Hersteller versprechen, mit ihren Anwendungen sogar Prognosen für zukünftige Ereignisse erstellen zu können. Das BKA hat sich von IBM in Freiburg bereits eine entsprechende Software präsentieren [11] lassen.

Der größte Teil des Staatsschutzes arbeitet zu "Früherkennung"

Aber auch ohne digitale Hilfsmittel ist der quasi-geheimdienstliche Apparat im BKA stetig gewachsen. Rund ein Zehntel aller Mitarbeiter arbeiten in der Abteilung "Polizeilicher Staatsschutz". Der größte Teil ist in die Abteilungen "Analyse-/Auswertungs- bzw. Früherkennungsaufgaben im Bereich der Politisch motivierten Kriminalität" abgeordnet. Hierzu nutzt das BKA auch informelle Kanäle zum Datentausch, darunter die "Police Working Group on Terrorism" (PWGT), ein Relikt aus den 70er Jahren das eigentlich zur Bekämpfung bewaffneter linker Gruppeneingerichtet [12]. Obwohl die Arbeit der PWGT mittlerweile durch die EU-Polizeiagentur EUROPOL übernommen wird, hält das Bundesinnenministerium an dem dubiosen Netzwerk fest.

Ziel der internationalen "Früherkennung" [13] ist es laut BKA, "bereits schwache Signale möglicher Kriminalitätsentwicklungen aufzufangen". Ein Unterschied zur geheimdienstlichen Tätigkeit gegen unliebsame, politische Umtriebe ist also kaum mehr erkennbar und wird mittlerweile auch von Ex-Mitarbeitern kritisiert [14].

Teile der Regierungskommission fordern nun, das BKA wie die Geheimdienste dem Parlamentarischen Kontrollgremium [15] (PKGr) zu unterstellen. Dadurch soll vor allem die "Bekämpfung des internationalen Terrorismus" kontrolliert werden, wozu das BKA seine Kompetenzen immer mehr überschreitet und zugrunde liegende Bestimmungen in seinem Sinne auslegt. Deshalb müsse die Zuständigkeit des BKA auf "schwerste Terrorgefahren" beschränkt werden.

Die drei vom Justizministerium benannten Mitglieder schlagen sogar vor, die Befugnisse des Kontrollgremiums zu erweitern. Denn die dort versammelten Parlamentarier müssen bislang über alle erhaltenen Informationen Stillschweigen wahren, was eine ernsthafte Kontrolle von Polizei und Diensten ad absurdum führt. Nun sollten die Abgeordneten zwar weiterhin zur Geheimhaltung verpflichtet bleiben, in ernsthaften Angelegenheiten aber ihre Fraktionsvorsitzenden informieren dürfen. Dies wird aber vom Bundesinnenministerium und seinen Vertretern in der Regierungskommission vehement abgelehnt.

Angezweifelt wird auch, ob die weitgehenden Maßnahmen weiterhin vom Amtsgericht Wiesbaden erlaubt werden dürfen. Vier Mitglieder der Kommission sind der Auffassung, dass bei Grundrechtseingriffen wie Wohnraumüberwachung, "Online-Untersuchung " oder auch der Entscheidung zur Nicht-Benachrichtigung Betroffener ein Landgericht bemüht werden müsste. In anderen Fällen sollte die Zuständigkeit für ermittlungsrichterliche Anordnungen sogar auf den Bundesgerichtshof übergehen.

Screenshot des Veranstaltungsplakats. Bild: BKA

"Laserschießstand" für die Großen, Phantomzeichnungen für die Kleinen

Das BKA ficht die Debatte um seine Existenzberechtigung nicht an, bislang gibt es keine offizielle Stellungnahme zur Kritik der Regierungskommission. Stattdessen bläst das Amt nun zur Gegenoffensive.

Für den kommenden Samstag lädt der Noch-Präsident Jörg Ziercke zum Tag der offenen Tür [16] und einem "Blick hinter die Kulissen". Vorgestellt werden "Maßnahmen zur Bekämpfung von Menschenhandel, Drogenschmuggel, Waffenhandel, Falschgeld, Cybercrime". Ein "Laserschießstand" lädt zum Mitmachen ein. Erwachsene können Spuren in digitalen Bildern und Audioaufzeichnungen suchen, während Kinder an Phantomzeichnungen basteln. Zahlreiche "einsatznahe Vorführungen" sollen den Besuch abrunden.

Auch die umstrittenen Methoden zur "Verhinderung von Terroranschlägen" [17] sollen der Bevölkerung schmackhaft gemacht werden. Die Abteilung Staatsschutz [18] wirbt mit "Ausstellungen zum Thema Politisch-Motivierte Kriminalität", das umstrittene "Gemeinsame Extremismus- und Terrorabwehrzentrum" (GETZ) wird ebenfalls präsentiert. Ein weiterer Fokus liegt auf der Darstellung der internationalen Strukturen, in denen sich das BKA organisiert. Hierzu zählen die die EU-Polizeiagentur EUROPOL oder die internationale Polizeiorganisation Interpol.

Es ist kaum zu erwarten, dass das BKA am Tag der offenen Tür von sich aus seine quasi-geheimdienstlichen Tätigkeiten problematisiert. Es bleibt also Bürgerrechtsgruppen oder netzpolitisch Interessierten überlassen, am Samstag etwa die Kritik der Regierungskommission sichtbar zu machen.

Dies ginge auch auf digitalem Wege: Im Rahmen einer ähnlichen Veranstaltung hatten Aktivisten vor drei Jahren dazu aufgerufen, das Amt mit einer "Online-Durchsuchung" zu behelligen (Fortschritt durch Technik beim BKA [19]).


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https://www.heise.de/-3400518

Links in diesem Artikel:
[1] http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bka-wiesbaden-w1.jpg
[2] http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de
[3] http://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/pdfs/Bericht_RegKom_Sicherheitsgesetzgebung.pdf;jsessionid=37CDAFDC13EC39A86CB191E817EF08AF.1_cid297?__blob=publicationFile
[4] http://www.bmj.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/2013/20130823_Vorstellung_des_Abschlussberichts_der_Regierungskommission.html;jsessionid=37CDAFDC13EC39A86CB191E817EF08AF.1_cid297?nn=3433226
[5] http://www.taz.de/!10538/
[6] http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Videos/DE/01-Sicherheit/dossier911/kaller.html;jsessionid=18F438C0AFADC4A37EFAB46DDE8B8F8B.2_cid373
[7] http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/2011/08/nine_eleven_teil2.html;jsessionid=18F438C0AFADC4A37EFAB46DDE8B8F8B.2_cid373
[8] https://netzpolitik.org/2013/bundeskriminalamt-schulte-tunesien-und-agypten-kurz-vor-dem-arabischen-fruhling-in-techniken-zur-internetuberwachung/
[9] http://netzpolitik.org/2013/bundeskriminalamt-fuhrte-in-kroatien-und-turkei-schulungen-zur-ortung-von-mobiltelefonen-durch/
[10] https://www.heise.de/tp/features/Big-Data-auch-beim-BKA-3395816.html
[11] https://netzpolitik.org/2013/bundeskriminalamt-zum-schnupperkurs-fur-polizeiliche-vorhersagesoftware-bei-ibm-in-freiburg/
[12] http://netzpolitik.org/2013/wiesbadener-marchenstunde-wie-das-bka-manche-speicherung-in-seinen-polizeidatenbanken-begrundet/
[13] http://www.bka.de/nn_204682/DE/DasBKA/Organisation/IK/organisationIK__node.html?__nnn=true
[14] http://www.taz.de/!53890/
[15] http://www.bundestag.de/bundestag/gremien/pkgr/index.jsp
[16] http://www.bka.de/DE/DasBKA/Veranstaltungen/TofTue/toftue.html
[17] http://www.bka.de/nn_226628/DE/DasBKA/Veranstaltungen/TofTue/Programm/programm__node.html?__nnn=true
[18] http://www.bka.de/nn_242668/DE/DasBKA/Organisation/ST/organisationST__node.html?__nnn=true
[19] https://www.heise.de/tp/features/Fortschritt-durch-Technik-beim-BKA-3386793.html