Grüne Energiewende mit französischem Atomstrom
Das Thema Atomkraft ist ein Wahlkampf-Schlager. Nicht ohne Grund: Während eigene Atommeiler vom Netz gingen, wird fleißig Atomstrom vom Nachbarn importiert.
Deutschland mag Atomstrom – zwar nicht den aus eigenen Kraftwerken, aber aus dem Ausland bezieht man ihn gern. Angesichts der hohen Energiepreise ist das Thema auch Gegenstand des Wahlkampfs.
Vorwürfe gegen Grünen-Minister im Untersuchungsausschuss
Eine Arena dafür bildet momentan der Untersuchungsausschuss des Bundestags zum Atomausstieg. Gerade die Grünen-Minister Robert Habeck und Steffi Lemke stehen im Kreuzfeuer: Ihnen wird vorgeworfen, den Weiterbetrieb von Kernkraftwerken nicht "ergebnisoffen" und "unvoreingenommen" geprüft zu haben.
Ein Beispiel dafür ist Christian Lindner (FDP), der mit den Grünen und Sozialdemokraten in einer Koalition war. Er behauptete laut Deutscher Presse-Agentur (dpa), dass die Bereitschaft zu undogmatischen Entscheidungen bei der Frage der Kernkraft an Grenzen gestoßen sei. Stattdessen hätten parteipolitische und taktische Erwägungen eine größere Rolle gespielt.
Diese Vorwürfe wiesen die Grünen von sich. Deren Obmann im Ausschuss, Konstantin von Notz, bezeichnete solche Aussagen als "unsubstantiiertes Geraune". Es seien damals alle zu Wort gekommen. "Die Fakten, die Akten, die Zeugenaussagen, die belegen eindeutig: Es ist ergebnisoffen damals geprüft worden, wie man durch diese Krise kommt", sagte er laut dpa.
Wie dem auch sei: Das Jahr 2024 war das erste vollständige Jahr, in dem die Atomenergie keine Rolle mehr bei der Stromerzeugung in Deutschland gespielt hat. Das erklärte die Bundesnetzagentur Anfang Januar. Schon im Jahr zuvor hatte sie nur noch 1,5 Prozent zur gesamten Stromproduktion beigetragen.
Deutschlands Abhängigkeit von Stromimporten
Alle Kraftwerke sowie Solar- und Windkraftanlagen in der Bundesrepublik zusammen erzeugten im vergangenen Jahr 431,7 TWh Strom. Das reichte allerdings bei Weitem nicht aus, um den Bedarf zu decken. Rund 67 TWh Strom mussten importiert werden, ein Anstieg im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 23 Prozent. Gleichzeitig sank der Stromexport auf 35,1 TWh.
Frankreich, das wie kaum ein anderes europäisches Land auf die Kernenergie setzt, ist laut Bundesnetzagentur zum größten Stromlieferanten Deutschlands geworden. Knapp 15,8 TWh wurden von dort importiert.
Es verwundert vor diesem Hintergrund nicht, dass die Kernenergie auch mit mehr als 28 Prozent den höchsten Anteil am importierten Strom hatte. Auf Platz 2 folgt Wasserkraft mit rund 17 Prozent und Windenergie mit einem Anteil von mehr als zwölf Prozent.
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Für den französischen Energiekonzern Electricité de France laufen die Geschäfte gut, wie ein aktueller Bericht von Bloomberg zeigt; gerade, wenn die Windkraft in Europa von einer Flaute betroffen ist.
Am Mittwoch produzierten demnach die französischen Atommeiler die größte Menge Atomstrom seit Februar 2019. Gleichzeitig produzierten die deutschen Windräder nur etwa ein Fünftel des Normalwerts. Die deutschen Strompreise stiegen daraufhin kurzzeitig auf 330 Euro pro Megawattstunde, heißt es im Bloomberg-Bericht.
Mögliche Preisspitzen und Volatilität im Strommarkt
Bis zum Wochenende könnten die Preise demnach auf einem hohen Niveau bleiben und zu neuen Spitzen führen. Gründe sind ein kälteres Wetter und schwache Winde, wie Wetterdienste unlängst vorhergesagt hatten.
Diese Volatilitäten könnten die politische Debatte um ein Revival der Kernkraft in Deutschland anfachen, zumindest bis zur Bundestagswahl. Dass die Chancen für neue Atommeiler in der Bundesrepublik nicht gut stehen, darauf hatte Telepolis schon mehrfach hingewiesen. (Etwa hier und hier.)