Grüne Propaganda oder kindgerechte Warnung? Dieses Buch spaltet Deutschland
Seite 2: Grüne Endzeitsehnsucht oder notwendige Warnung?
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Im Märchen siegt immer das Gute, nicht ohne Grund, wie der Psychoanalytiker Bruno Bettelheim in seinem Klassiker "Kinder brauchen Märchen" herausgearbeitet hat. Hier, im Buch vom Weltuntergang, ist das Ende ein von Menschen gesäuberter Planet.
Grüne Endzeitsehnsucht, in der "Bellas älterer Nachwuchs" den älteren Tieren beim Jagen hilft und Katzen und Affen gerne die alten Ruinen bewohnen? Oder eine schockierende Warnung, das Ruder noch einmal herumzureißen? Es ist nicht das einzige Bild, das eine absolute Dystopie darstellt.
In einem der Zukunftsbilder ist der Ozonschild völlig zerstört, ein Sonnenstrahl kann töten. In einem anderen wird die Luft dünn, in der Mitte des Buches wird ein Zeitalter der Dürre heraufbeschworen:
Etwa die Hälfte der Menschheit ist verdurstet, ebenso ein Großteil der Tiere. Afrika ist unbewohnt. Flüchtlinge werden an den Grenzen gewaltsam an der Einreise gehindert.
Ist das etwas für Kinderaugen und -ohren? Als Kundenempfehlung wird acht Jahre angegeben.
Helle Empörung bei Kundenbewertungen
Wer die Kundenbewertungen und Rezensionen auf Amazon liest, bekommt weniger einen adäquaten Eindruck von dem, was das Buch bietet, als von der hysterischen Stimmung, in der sich die Republik befindet. "Das ist kein Kinderbuch, sondern reine grüne Propaganda", ist noch der freundlichste Kommentar.
"Was für ein schreckliches Buch! Völlig ungeeignet für Kinder und Erwachsene. Wer solche Bücher für Kinder schreibt, hat nichts Gutes im Sinn", fasst ein User den Tenor der vielen kritischen Stimmen zusammen.
An vorderster Front agitiert die rechtsextreme Szene um das Compact-Magazin gegen das Buch: "Habecks Frau bereitet Kinder auf den Weltuntergang vor". Ihr Buch gebe "Aufschluss über die gefährliche Ideologie der Grünen, die dabei ist, Deutschland zu zerstören". Ein ganzer Kübel frauenfeindlicher Verurteilungen ergießt sich über Andrea Paluch.
Breite Front der Grünen-Basher
Nicht nur im Grünen-Bashing trifft sich die ideologische Rechte mit einer breiten Verweigerungshaltung eines eher konservativen Milieus. Tatsächlich legt das Kinderbuch den Finger in die Wunde des Verweigerungsdenkens eines breiten, nicht nur rechtsradikalen Milieus, das verheerende Entwicklungen in der Welt einfach nicht wahrhaben will.
Klimawandel? Gibt es nicht. Die Coronapandemie? Eine Erfindung der WHO. Man will weiterhin fossile Brennstoffe und Tiere als Nahrung nutzen, ein Tempolimit würde die Freiheit einschränken, so wie die Maskenpflicht für manche schon eine "Maskendiktatur" heraufbeschwört. Sie wollen das Alte bewahren und verkünden, dass alles so bleiben soll, wie es mal war.
Dabei merkt dieses Milieu in seiner Beschwörung des zu beschützenden Kindes gar nicht, dass es selbst Angstfantasien bedient. Der jugendlich-agile Compact-Moderator Paul Klemm gibt zumindest offen zu, dass ihm im Wimmelbuch schlicht die falschen Weltuntergangsszenarien präsentiert werden.
Auch Rechte wollen Weltuntergänge – nur eben andere
Er hätte gerne etwas von Oswald Spenglers "Untergang des Abendlandes" oder vom Aussterben der Deutschen gehört. Auch ein Compact-Zuschauer kommentiert folgerichtig: "Wo ist in dem Buch das Kapitel, in dem marodierende Horden, die aus anderen Kontinenten zu uns gekommen sind, außerhalb der stark gesicherten Häuser plündern und vergewaltigen?! Das wäre in der Tat ein realistisches Szenario."
Andrea Paluchs Kinderbuch zeichnet in der Tat schreckliche Welten, aber es folgt nicht der "schwarzen Pädagogik", und in ihren utopischen Zeichnungen sind rassistische Sicherheitsimperative verbannt.
Es mag Zweideutigkeiten in Bild und Text geben: In ihrer Darstellung der Virus-Pandemie wird deutlich, dass Maßnahmen wie abgesperrte Spielplätze und polizeiliche Bußgelder in den Bereich des Unerwünschten gehören. Vielleicht für die Autorinnen notwendig, aber keinesfalls wünschenswert.
Vieles bleibt den Eltern überlassen
Hier herrscht allerdings auch ein apologetischer Ton vor: "Franziska muss viel im Krankenhaus arbeiten". Beim Vorlesen bleibt es bei diesen Stellen leider den Eltern überlassen, zu ergänzen: Für viel zu wenig Lohn bei zunehmender Arbeitshetze, für ein bisschen Applaus.
"Oma Christa", heißt es auf dieser Seite, gehört zur Risikogruppe und "hat deshalb Ausgangssperre". "Sie fühlt sich eingesperrt und ist oft traurig." Vielleicht ergibt sich hier beim Vorlesen eine Diskussion mit den Kindern, ob es dann nicht besser wäre, wenn Oma Christa sich einfach nicht mehr an Lockdowns und Ausgangsverbote hält und mit ihren Enkeln die Absperrbänder von den Spielplätzen reißt.
Immerhin endet der Text damit, dass Einsperren und Kontaktverbote keine Lösung sein können: "Wissenschaftler haben herausgefunden, dass das Virus von wilden Tieren auf den Menschen übergesprungen ist. Um eine weitere Pandemie zu verhindern, müssen die natürlichen Lebensräume geschützt werden, damit Tiere und Menschen Abstand halten können".
Am Ende zeigt sich doch noch neugrüne Ideologie
Im Sinne des marxistischen Epidemiologen und Biologen Rob Wallace sollte die Coronapandemie zu einem kritischen Nachdenken über die kapitalistische Agrarindustrie und den Raubbau an der Natur führen. Dazu könnte "Die besten Weltuntergänge" zumindest animieren.
Allerdings ist das großformatige Bilderbuch insofern neugrüne Ideologie, als es von jeder erkennbaren Kapitalismuskritik unberührt ist. So wird ein buntes Kinderparadies mit "Glitzer- und Schleimspendern" gezeichnet. In dieser rosaroten Puppenwelt, in der man sich auch nicht mehr die Zähne putzen muss, gibt es dann auch "keine Armut, kein Geld und keine Grenzen".
Die Utopie einer klassenlosen und herrschaftsfreien Gesellschaft wird so ins Lächerlich-Kindliche gezogen, auch eine Form von Adultismus.
Reminiszenz an Ton Steine Scherben
Aber auf den Seiten 21 und 22, gleich nach dem schrecklichen Bild der Pandemie, erscheint eine Welt ohne Grenzen, mit Weltbürgerräten auf der Basis von Losverfahren, mit kollektiver Nutzung von Boden, Wasser und Luft. Und der Text beginnt wie der Anfang eines Songs von Ton Steine Scherben: "Es gibt keine Grenzen und keine Länder mehr."
Insofern ist das Buch von Paluch und von Sperber, das als Welt- und Zukunftserkundungsbuch für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren gut geeignet ist, nicht nur ein Einspruch gegen rechtes und konservatives Denken, das immer schon antiutopisch war und bestimmte Realitäten negiert, sondern könnte auch die Politik der heutigen Grünen mit ihrem Ja zu Militärhaushalten und Abschottung gegen Migranten herausfordern.
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