Grüner Wasserstoff: Große Lücken zwischen Ambition und Wirklichkeit

Symbolbild für grünen Wasserstoff

Über 60 Länder wollen Wasserstoff fördern. Doch weniger als zehn Prozent der geplanten Projekte wurden umgesetzt, zeigt eine Studie. Warum die Realität ernüchternd ist.

Grüner Wasserstoff gilt als Hoffnungsträger für eine klimaneutrale Zukunft – und es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht ein neues Projekt in den Medien angekündigt wird. Inzwischen haben über 60 Länder in den vergangenen Jahren Strategien entwickelt, wie der Markthochlauf, insbesondere im Industriesektor, gelingen könnte. Doch zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft eine große Lücke, wie eine neue Studie zeigt.

Nur sieben Prozent der Projekte rechtzeitig fertig

Die im Fachmagazin Nature Energy veröffentlichte Analyse offenbart: 2023 wurden weniger als zehn Prozent der angekündigten Projekte zur Produktion von grünem Wasserstoff tatsächlich realisiert. Die Forscher Adrian Odenweller und Falko Ueckerdt vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) haben dafür 1.232 global angekündigte Wasserstoffprojekte unter die Lupe genommen.

"In den vergangenen drei Jahren haben sich die globalen Projektankündigungen für grünen Wasserstoff fast verdreifacht", sagt Studienleiter Adrian Odenweller. "Allerdings sind in diesem Zeitraum nur sieben Prozent der ursprünglich für 2023 angekündigten Produktionskapazität auch rechtzeitig fertiggestellt worden."

Hohe Kosten und fehlende Zahlungsbereitschaft bremsen Ausbau

Der Hauptgrund für die ernüchternde Bilanz: Grüner Wasserstoff ist ein teures Gut, für das es bisher wenig Zahlungsbereitschaft gibt. Die Probleme des Markthochlaufs lassen sich laut der Studie auf gestiegene Kosten, fehlende Nachfrage und Unsicherheiten über zukünftige Förderung und Regulatorik zurückführen.

Die Forscher haben für jedes der 1.232 Projekte die Wettbewerbslücke zwischen dem grünen Wasserstoff und seinem fossilen Pendant berechnet. Das Ergebnis: "Es wären enorme zusätzliche Fördermaßnahmen in Höhe von etwa einer Billion US-Dollar erforderlich, um alle angekündigten Wasserstoffprojekte bis 2030 zu realisieren", erklärt Co-Autor Falko Ueckerdt. "Grüner Wasserstoff wird aufgrund fehlender Wettbewerbsfähigkeit auch in Zukunft Schwierigkeiten haben, die hohen Erwartungen zu erfüllen."

Gezielte Förderung und Quoten sollen Nachfrage ankurbeln

Dauerhafte Subventionen seien allerdings keine Lösung, betonen die Wissenschaftler. Stattdessen raten sie, grünen Wasserstoff über nachfrageseitige Instrumente wie verbindliche Quoten gezielt in schwer zu elektrifizierende Sektoren wie Luftfahrt, Stahl oder Chemie zu lenken.

So müssen nach einer EU-Regelung beispielsweise ab 2030 etwa 1,2 Prozent aller Flugzeugtreibstoffe synthetische Kraftstoffe auf Basis von Wasserstoff beigemischt werden. Bis 2050 soll diese Quote auf 35 Prozent steigen. Solche Vorgaben könnten die Zahlungsbereitschaft für grünen Wasserstoff erhöhen.

Umsetzungslücke trotz ausreichender Projektpipeline

Die Studie quantifiziert drei zentrale Lücken zwischen Theorie und Praxis: die Umsetzungslücke für vergangene Projekte, die zukünftige Ambitionslücke und die zukünftige Umsetzungslücke.

Zwar zeigt sich, dass die angekündigten Wasserstoffprojekte für den Großteil der betrachteten Klimaszenarien bis 2030 ausreichen würden. Jedoch bleibt eine klaffende Umsetzungslücke: Der Bedarf an Subventionen, um alle Projekte bis 2030 umzusetzen, übersteigt bei Weitem die bislang angekündigten globalen Fördermittel.

Die Forscher warnen vor fossilen Lock-ins, die Unternehmen langfristig an fossile Energieträger binden könnten und so die Klimaziele gefährden. Langfristig sei ein Übergang zu technologieneutralen Marktmechanismen wie der CO2-Bepreisung entscheidend, um öffentliche Kosten zu begrenzen und einen fairen Wettbewerb mit anderen Klimaschutzoptionen zu gewährleisten.

Sie empfehlen daher eine robuste Strategie, die Wasserstoffprojekte kurzfristig durch direkte Subventionen und nachfrageseitige Regulierung unterstützt, aber auf realistischen Erwartungen an Wasserstoff basiert. Nur so lasse sich die Umsetzungslücke schließen und der Markthochlauf von grünem Wasserstoff erfolgreich gestalten.