Grünes Erziehungsregime

Seite 3: Glaube an die eine reine universale Ernährungswahrheit

Was hier auch eine Renaissance erlebt, ist die Moral des Pausenhofs: So wie dort die Rangordnung unter Schülern dadurch festgelegt wird, wer früh oder spät in die Mannschaft gewählt wird, geht es jetzt auch gesellschaftlich wieder darum, ob man ein guter Mannschaftsspieler ist oder ein Dicker, der nicht wie die anderen Kinder zum Sport gehen will. Sondern vielleicht lieber Bücher liest.

Wer misst, braucht einen Maßstab. Aber der Maßstab wiederum braucht Kriterien, die außerhalb seiner selbst liegen. Ist die gesündeste mögliche Gesellschaft tatsächlich ein Verbund aus Leistungssportlern, die vor der Arbeit joggen und danach noch zum Work-out gehen, auf Cheeseburger und Alkohol verzichten, um sich bis zum Moment ihres Todes immer weiter biologisch selbst zu optimieren?

Schwerer noch wiegt aber der Glaube an die eine reine universale Ernährungswahrheit, der dem Ministerhandeln zugrunde liegt, und eine liberale Toleranz gegenüber verschiedensten Wünschen und Lüsten ersetzt, der aber auch das Wissen darum ersetzt, dass verschiedene Kulturen sehr wohl sehr verschiedene Arten von Umgang mit Ernährung haben.

Zudem geht es bei der menschlichen Ernährung nie alleine darum, gesund zu leben.

Was also ist ungesund? Im Zweifelsfall das Fernsehen.

Wo führt das alles hin?

Wo führt das alles hin? Dürfen Empfänger von Hartz IV noch lange für ihr – also eigentlich unser – Geld Leberwurst, Gummibärchen und Jägermeister kaufen? Und damit unsere Volkswirtschaft belasten? Wo kämen wir denn hin, wenn jeder weiterhin machen kann, was er will?

Das Werbeverbot ist nur ein erster Schritt, zum Staatsziel, perfekte Menschen zu erzeugen, die klug in einfacher Sprache politisch korrekte weltoffene Sätze formulieren, auf Nikotin, Alkohol und Zucker verzichten, wie auch auf Fleisch.

Vielleicht leben wir in einer sehr freien Gesellschaft, und vielleicht waren wir Menschen noch nie so frei wie zurzeit. Das bedeutet aber nicht, dass es keine Freiheitseinschränkungen gibt; es bedeutet auch nicht, dass nicht bestimmte Freiheiten reduziert und beschränkt werden und schon gar nicht, dass dies gut ist.

Das Feld der Unverfügbarkeit

Sind die Kritiker solcher Politik nun umgekehrt schlecht gelaunte Spießer, die FDP wählen und sonntags Gauland-Jackets tragen? Oder sind es Freiheitskämpfer, die sich mit Recht auf Hannah Arendt berufen?

Die Frage, die hinter all dem steht, ist eine, wenn man so will, philosophische: Darf man zu einem gesunden Leben gezwungen werden?

Ernährung ist eines der intimsten Felder sozialer Interaktion, betrifft sie doch die Frage, welche Stoffe in den Körper eingeführt werden dürfen. Ernährung gehört zu den Bereichen der Unverfügbarkeit, auf die der Staat prinzipiell keinen, auch keinen indirekten Zugriff haben sollte.

Mündigkeit und Freiheit sind genau das. Der Trotz dagegen, dass erwachsenen Menschen Vorschriften gemacht werden, die den ureigensten Lebensbereich betreffen. Es ist die trotzig-stolze Haltung des:

Ihr schreibt mir das nicht vor. Das entscheide immer noch ich.

Im mangelnden Respekt für diese trotzige bürgerliche Selbstbehauptung liegt der Keim aller Radikalisierung.