Grünes "Jein" zu Ceta: Foodwatch fordert Klarheit
Organisation warnt vor einer weiteren Abkehr von "Grundwerten" der einstigen Friedens- und Umweltpartei. Hintergrund ist eine Passage zur Handelspolitik im Entwurf für deren Wahlprogramm
Die Verbraucherschutz-Organisation foodwatch warnt Mitglieder der Grünen vor einer "180-Grad-Wende" in der Handelspolitik und fordert sie auf, vor dem Parteitag im Juni einen Änderungsantrag für das Bundestagswahlprogramm einzubringen. Hintergrund sind Aussagen zum europäisch-kanadischen Freihandelsabkommen Ceta im Programmentwurf des Bundesvorstands der Grünen.
Darin gibt es zwar noch "erhebliche Kritik" an Ceta, aber kein klares "Nein" mehr. "Wir wollen daher das Ceta-Abkommen in seiner derzeitigen Fassung nicht ratifizieren, sondern es bei der Anwendung der derzeit geltenden Teile belassen", heißt es in dem Entwurf.
Foodwatch moniert, auch auch die schon heute vorläufig geltenden Teile des Ceta-Vertrages seien undemokratisch und könnten negative Folgen für die europäische Bevölkerung haben. Die Grünen tolerierten mit dieser Formulierung, dass weite Teile von Ceta auch in Zukunft in Kraft bleiben - ohne, dass Bundestag und Bundesrat je über den Vertrag abgestimmt hätten, betonte die Verbraucherorganisation.
"Die Grünen wollen sich klammheimlich von ihrem bisherigen 'Nein' zu Ceta verabschieden - mit einem kaum verständlichen Nebensatz im Wahlprogramm. Die Parteiführung unterstützt ein Handelsabkommen, das die parlamentarische Kontrolle abschafft und Konzerninteressen freie Bahn lässt" erklärte Rauna Bindewald von foodwatch und appellierte an die Basis der Partei, an deren "Grundwerten" festzuhalten. Zugleich riefen foodwatch und der Verein Mehr Demokratie e. V. dazu auf, Protest-E-Mails unter dem Motto "Wort halten - Ceta stoppen!" an den Bundesvorstand der Grünen zu schicken.
Die heutige Grünen-Parteichefin Annalena Baerbock hatte 2015 an Ceta die gleiche Kritik geäußert wie am Transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP: "Nach aktuellem Verhandlungsstand dienen TTIP und Ceta vor allem den Interessen von Großkonzernen und drohen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu untergraben. Beide Abkommen setzten wichtige Standards im Umwelt-, Verbraucher-, Sozial-, und Datenschutz aufs Spiel."
Die geplante Einführung der Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren gebe Unternehmen die Möglichkeit, nationale Rechtssysteme zu unterlaufen, warnten die Grünen seinerzeit. "Die erkämpften Rechte der Bürger, der Schutz der Verbraucher, der Arbeitnehmer, der Umwelt dürfen nicht zur Verhandlungsmasse werden", sagte der heutige Grünen-Parteichef Robert Habeck 2016 im taz-Interview. Das aber sei bei TTIP und Ceta die Gefahr.
Die TTIP-Verhandlungen wurden Ende 2016 nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten auf Eis gelegt und bisher offiziell nicht wieder aufgenommen. Seit der Wahl von Joseph Biden machen sich die Befürworter allerdings wieder Hoffnung. Ceta nahm dagegen im Februar 2017 die erste Hürde im EU-Parlament. 408 Abgeordnete stimmten seinerzeit dem Vertragswerk zu, 254 votierten dagegen, 33 enthielten sich.
Das Abkommen zwischen der EU und Kanada wird zwar seit 2017 vorläufig angewendet, ist aber noch nicht von allen EU-Mitgliedstaaten ratifiziert - auch von Deutschland nicht. Wenn sich ein einziges Land dagegen stellt, tritt Ceta nicht endgültig in Kraft. In Deutschland müssen sowohl Bundestag als auch Bundesrat zustimmen. Eine Beteiligung der Grünen an der nächsten Bundesregierung gilt als wahrscheinlich. Das "Jein" zu Ceta im bisherigen Entwurf für ihr Wahlprogramm könnte damit zu tun haben, dass sie auch eine Koalition mit den Unionsparteien in Betracht ziehen.