Grundsicherung für Kinder – rote Linie der Grünen?
Grüne Ministerien wollen Haushalt nur unter einer Bedingung zustimmen. Vor allem ihrer Jugendorganisation ist das Vorhaben wichtig. Aber reicht es, um Kinderarmut zu beseitigen?
Knicken die Grünen dieses Mal nicht ein? – Laut einem Bericht der Rheinischen Post verlangen sie von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) noch vor der geplanten Kabinettsentscheidung zum Bundeshaushalt 2024 in der kommenden Woche grundsätzliche Zusagen zur Kindergrundsicherung.
Ohne eine Einigung mit Lindner über die Eckpunkte von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) zur Kindergrundsicherung und über deren ausreichende Finanzierung würden die von Grünen geführten Ministerien dem Haushalt am kommenden Mittwoch nicht zustimmen, berichtet das Blatt unter Berufung auf Parteikreise.
Die Ministerien für Familie, Wirtschaft und das Auswärtige Amt hätten ihre Einzel-Etats für 2024 nur unter diesem strikten Vorbehalt an Lindner weitergegeben, heißt es in dem Zeitungsbericht. Lindner will den Bundeshaushalt am kommenden Mittwoch vom Kabinett beschließen lassen.
Nun wäre es zwar nicht das erste Mal, wenn es der FDP gelänge, die Grünen – bildlich gesprochen – am Nasenring durch die Manege zu ziehen. Allerdings droht in diesem Fall ein harter Konflikt der Grünen Jugend mit ihrer Mutterpartei. Vor allem die Bundessprecherin der Grünen Jugend, Sarah-Lee Heinrich, spricht Klartext, wenn es um die Belange einkommensschwacher Menschen geht – auch aus eigener Erfahrung.
Wenn man nicht weiß, was passiert, wenn die Waschmaschine kaputtgeht, ob man sich einen neuen Winterpulli leisten kann, dann macht das etwas mit Kindern. (…)
Und dass die Gesellschaft auf einen herabschaut. Das schmerzt, denn es grenzt aus.
Sarah-Lee Heinrich, Bundessprecherin der Grünen Jugend
"Natürlich wird Armut in Deutschland vererbt", sagte die 22-Jährige, selbst eher die Ausnahme von der Regel, unlängst im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. "Eine liebevolle Mutter, Glück und gute Noten" hätten ihr aus der Armut geholfen. Den Faktor "Glück" in Form einer liebevollen Tante und verständnisvoller Lehrkräfte, auf die nicht alle Kinder einkommensarmer Familien treffen, hat auch der Journalist und Autor Christian Baron ("Ein Mann seiner Klasse") in diesem Zusammenhang genannt.
Experten gehen davon aus, dass auch die bisher von den Ampel-Parteien geplante Kindergrundsicherung nicht ausreicht, um diese strukturelle Benachteiligung aufzuheben. Kinder sind arm, weil ihre Eltern arm sind. "Wenn die Eltern überschuldet sind, ihnen Haushalt das Gas beziehungsweise der Strom abgestellt wird oder gar die Zwangsräumung droht, nützt es den Kindern wenig, 'grundgesichert' im Dunkeln ihre Schularbeiten machen zu müssen oder mitsamt ihren Eltern aus der Wohnung geworfen zu werden", stellte der Armutsforscher Christoph Butterwegge Anfang des Jahres in einem Telepolis-Artikel klar.
"Mir hätte die Kindergrundsicherung geholfen"
Ein Schritt in die richtige Richtung wäre das Kindergrundsicherung laut Sarah-Lee Heinrich dennoch: "Mir hätte die Kindergrundsicherung geholfen", schreibt sie in ihrem Blog. "Ich bin in Armut aufgewachsen und sie hängt mir immer noch nach." Deshalb nehme sie diese Debatte persönlich.
Für ihre Mutterpartei geht es nicht zuletzt darum, die eigene Nachwuchsorganisation nicht zu vergraulen und nicht noch mehr als Partei der abgehobenen Bioladen-Bourgeoisie wahrgenommen zu werden.
Das Bundesfamilienministerium, geleitet von der Grünen-Politikerin Lisa Paus, hat nun laut einem Bericht der der Deutschen Presse-Agentur vom Donnerstag "bei der Rückmeldung zum Haushalt 2024 an das Finanzministerium Vorbehalt wegen der Kindergrundsicherung eingelegt".
Aus der FDP-Führung hieß demnach, die Kindergrundsicherung sei "ein verabredetes Vorhaben der Koalition", worauf sich die Grünen verlassen könnten. Allerdings dürfe nichts überstürzt werden, zitierte die Agentur einen "führenden Liberalen".
"Finanzminister Lindner darf sich nicht unter Druck setzen lassen. Beim Heizungsgesetz hat man die Folgen gesehen, wenn die Grünen unausgegorene Vorhaben auf Biegen und Brechen beschließen wollen."
Mit der Kindergrundsicherung sollen Leistungen für Kinder wie das Kindergeld, der Regelsatz für Kinder im Bürgergeld, der Kinderzuschlag und Leistungen aus dem "Bildungs- und Teilhabepaket" zusammengeführt werden. Hintergrund ist, dass viele Familien bisher wegen bürokratischer Hürden gar nicht alle Leistungen beantragen, die ihnen zustehen.
Eingeführt werden soll die Kindergrundsicherung laut Paus im Januar 2025. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bekräftigte vor wenigen Tagen: "Das wird also bald etwas werden."