Gruner und Jahr kauft bei König Minos ein
Oder ist es König Midas, der verkauft?
Gruner und Jahr erwirbt Berichten zu Folge einen 50%-Anteil am griechischen Medienkonzern Daphne Communications S.A.. 74,9 Prozent des Verlags Gruner und Jahr gehören der Bertelsmann AG und 25,1 Prozent der Hamburger Verlegerfamilie Jahr. Der Medienkonzern Daphne Communications S.A. wurde bisher von der griechischen Antenna Gruppe kontrolliert. Diese ist im Besitz des Reeders und Multifunktionärs Minos Kyriakou.
Minos Kyriakou ist in der deutschen Medienlandschaft kein Unbekannter. Der 63jährige Krösus ist unter anderem seit März Vorsitzender des griechischen NOK (nationales Olympisches Komitee) und hat es auch auf den Posten des deutschen IAAF-Vizepräsidenten Helmut Digel abgesehen. Seine Wahl zum NOK-Vorsitzenden ist mit der üblichen griechischen Prozedur abgelaufen, als Sympathisant und Förderer der Konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia konnte er sich seiner Sache schon vor dem Urnengang sicher sein.
Kyriakou ist nicht nur im Sport ein Multifunktionär, der unter anderem das jährliche Sportfest seines Vereins, das zu Ehren eines erfolgreichen Sportlers Tsiklitiria benannte Leichtathletikevent, zu einem internationalen Grand Prix gemacht hat. Seine Reederei, ein 150jähriger Familienbetrieb, ist Grundlage seines Vermögens. Als Medienmogul hat er im Rundfunksektor eine herausragende Stellung, die mit der früheren Position eines Leo Kirch in Deutschland vergleichbar ist.
Sein TV Sender ANT1 (ausgesprochen Antenna, da die „1“ im griechischen „ena“ gesprochen wird) gehört zu den erfolgreichsten Medienanstalten Griechenlands. ANT1 ist seit Jahren Marktführer mit über 20% Sehbeteiligung. Der Sender sendet eigene Programme für die Griechen in Australien, den USA und Canada. Das Programm von ANT1 zielt auf den breiten Publikumsgeschmack ab. Seichte Seifenopern aus eigener Produktion, die ähnlich den südamerikanischen Telenovelas („New Life“, „Reaching for the Light“) auch auf dem internationalen Markt angeboten werden, showartiges Frühstücksfernsehen, mittägliche Klatschsendungen, abendliche magazinartige Nachrichtensendungen, die in Deutschland mit einer Mischung der RTL-Sendung „Exklusiv“ und den RTL 2 „Nachrichten“ vergleichbar sind, sowie Politiktalkshows, Reality-TV und der künstlerische Höhepunkt „Fame-Story“ (frei übersetzt: „Griechenland sucht den Superstar“). Das eigenproduzierte Programmangebot von ANT1 wird auf dem internationalen Markt zum Verkauf angeboten. Der gesamte Konzern in seiner bisherigen Form zielt darauf ab, aus einer medialen Produktion den größtmöglichen Gewinn zu erzielen. Dabei wird ein Printprodukt im Rundfunkbereich vermarktet und umgekehrt.
Praktisch, dass die gesangstechnischen Meisterwerke der angehenden Superstars direkt über das eigene Musiklabel „Heaven“ vertrieben werden und über die ebenfalls eigenen Printmedien die notwendige Promotion erhalten. Geschäftstüchtig, dass die Printmagazine der entsprechenden Zielgruppe im Fernsehen präsentiert werden können. Sinnvoll, dass die werbenden Vergnügungsunternehmen, die in der Zeitschrift Exodus ihre Anzeigen schalten, im TV-Programm ebenfalls erwähnt werden können. Kurz, der Printsektor, der über Daphne Communications vertrieben wird, rundet das mediale Imperium von Minos Kyriakou ab.
Dieser Printsektor soll nun an Gruner und Jahr (Stern, Geo, Brigitte, Financial Times, 25% Beteiligung am Spiegel Verlag) verkauft werden. Gruner und Jahr steht nach eigenen Worten für
Journalismus im besten Sinn: gründlich recherchiert, informativ, anregend und unterhaltsam. Trotz aller Verschiedenheit der einzelnen Zeitschriften haben alle Gruner und Jahr-Zeitschriften eins gemeinsam: Hinsichtlich der Qualität in Redaktion, Layout und Druck setzen sie Maßstäbe und führen damit häufig ihre jeweiligen Marktsegmente an.
Selbstdarstellung von Gruner und Jahr
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Im Zeitungssektor verlegt Gruner und Jahr die Financial Times Deutschland, die Sächsische Zeitung, die Dresdner Morgenpost, Chemnitzer Morgenpost und die Morgenpost am Sonntag. Im Ausland ist Gruner und Jahr mit Zeitschriftentiteln vertreten, die in etwa dem deutschen Niveau entsprechen. Unter anderem Capital in Frankreich, Focus in Italien, National Geographic in den Niederlanden und Polen, Geo in Russland und Spanien, Profil in Österreich, alles Titel die dem journalistischen Profil von Gruner und Jahr entsprechen.
Was erwirbt Gruner und Jahr in Griechenland? Im Gegensatz zum Rundfunksektor ist Kyriakou im Printsektor nicht marktbeherrschend. Der griechische Printmarkt wird von den Verlegern Lambrakis, Tegopoulos und Bobolas beherrscht. Daphne Communications SA zählt mit etwa 350 Mitarbeitern bestenfalls zu den fünf erfolgreichsten Verlagshäusern Griechenlands, hat aber keine eigene Zeitung. Lambrakis, Tegopoulos und Bobolas legen den eigenen Zeitungen stets Magazinbeilagen ein und vermarkten so die wöchentlich oder monatlich erscheinenden Zeitschriften erfolgreich. Der griechische Zeitschriftenmarkt ist hart umkämpft, hat aber im Gegensatz zu den Zeitschriftenmärkten des übrigen Europas den Vorteil steigender Werbeeinnahmen.
Spezialzeitschriften für Astrologie, Frauen, Gesundheit und Finanzen sind erfolgreich. Allerdings werden die meisten Zeitschriften nur mit Beilagen, DVD-Filmen, CDs, Handtüchern und Modeaccessoirs vertrieben.
Daphne Communications SA verfügt über ein eigenes Druckereitochterunternehmen, Niki Publications SA, die sowohl die eigenen Zeitschriften als auch Werbe-Broschüren, Kundenmagazine und die Printmaterialen der olympischen Spiele von Athen herausgibt.
Die Zeitschriften von Daphne Communications SA passen nicht direkt in das Gruner und Jahr-Profil. Daphne verlegt unter anderem den griechischen Penthouse-Ableger, ein Paparazzimagazin (Sok, übersetzt Shock – „der Shock, den Sie brauchen“), einen Astrologieratgeber, die Zeitschrift Metro, die eher mit Super Illu als dem Stern vergleichbar ist, einen Elternratgeber, eine Zeitschrift mit dem Namen Exodos (Exodos: Ausgang), in der hauptsächlich über Freizeitaktivitäten berichtet wird und eine Zeitschrift mit dem Namen Diva (nomen est omen). Diva ist in der Tat ein Element der Schnittmenge zwischen dem Gruner und Jahr-Angebot und den Produkten von Daphne. Ob man Diva guten Gewissens als „Journalismus im besten Sinn“ bezeichnen kann, ist jedem selbst überlassen.
Es bleibt außerdem noch die Frage zu beantworten, warum Kyriakou verkauft. Trotz seines historisch vorbelasteten Vornamens, Minos, hat er wenig Ähnlichkeit mit dem König Minos der griechischen Sagenwelt. Eher könnte man ihn für einen Nachfolger von König Midas halten, der alles was er anfasst zu Gold werden lässt.
Könnte es sein, dass König Midas verkauft, um so ein weniger erfolgreich verlaufendes Geschäftsmodell zu vergolden? Kyriakou ist bisher sprichwörtlich vom Glück verfolgt, er hat in den siebziger Jahren unter anderem einen Flugzeugabsturz als einziger unverletzt überlebt, während Gruner und Jahr über den Stern (Hitler-Tagebücher) und Stern-TV (Michael Borns Reportagen) bereits mehrmals „ein schlechtes Händchen“ bewiesen hat.